Mit Hansjörg Wyss hat die Bellevue Gruppe einen hochkarätigen Healthcare-Investor an Bord geholt. Was Wyss vorhat, und wie sich das Unternehmen im Zuge der Corona-Pandemie ausrichtet, verrät Bellevue-CEO André Rüegg im Interview mit finews.ch.


Herr Rüegg, mit Hansjörg Wyss ist ein Investor bei der Bellevue Gruppe eingestiegen, der auf den ersten Blick mehr Sinn macht als die Bantleon Bank. Stimmt dieser Eindruck?

Hansjörg Wyss kennt und verfolgt die Bellevue Group schon seit längerer Zeit. Er pflegt mit Exponenten unseres Hauses auf verschiedenen Ebenen einen regelmässigen Austausch. Die Fokussierung unserer Gruppe auf das Asset Management und unsere ausgeprägte Expertise im Healthcare-Bereich ergeben eine attraktive Investmentmöglichkeit.

Jörg Bantleon war uns ein treuer und wohlgesinnter Aktionär, der uns bei der Neuausrichtung von Bellevue über die vergangenen Jahre bestmöglich unterstützt hat.

Hat Herr Wyss sich geäussert, ob es sich um ein reines Finanzinvestment handelt oder er auch ein strategischer Investor ist?

Es handelt sich primär um ein reines Finanzinvestment, da er die Wachstumsperspektiven von Bellevue als interessant erachtet. Zudem ist auch unsere Dividendenpolitik für einen langfristig orientierten Anleger, wie Hansjörg Wyss, interessant.

Man könnte sagen: Die Healthcare-Ausrichtung von Bellevue wird nochmals deutlicher – das hat sich auch im Kundenverhalten geäussert.

Bellevue hat sich das Profil als reiner Asset Manager mit einer international anerkannten Expertise in Healthcare über die vergangenen Jahre sukzessive erarbeitet. Die aktuellen Entwicklungen haben uns mit dieser Positionierung mit Sicherheit unterstützt.

«An einer solchen Rolle ist Hansjörg Wyss nicht interessiert»

Hier orten wir auch weiterhin nachhaltiges Wachstum. Ungeachtet dessen, halten wir an einer gezielten Diversifikationsstrategie fest.

Wird es eine engere Zusammenarbeit mit Hansjörg Wyss geben – nimmt er oder ein Vertreter von ihm Einsitz in den Bellevue-Verwaltungsrat?

Nein, das nicht ist vorgesehen. An einer solchen Rolle ist er nicht interessiert.

Healthcare ist – neben Technologie – eines der grossen Investmentthemen seit Ausbruch der Corona-Pandemie. Hat Bellevue die Anlagestrategien entsprechend angepasst?

Die Healthcare Anlagestrategie haben wir über Jahre kontinuierlich ausgebaut und mit Akquisitionen auch diversifiziert – produkttechnisch, regional, thematisch und auch im Bereich von Privatmarktanlagen.

«Wenig differenzierte Anlagestrategien kommen unter Druck»

Nun spüren wir natürlich eine verstärkte Nachfrage von Investoren in diesem Bereich, nicht zuletzt wegen Covid-19. Aber auch die Produktqualität und die zunehmende Grösse sowie das Anlagevolumen helfen uns, weitere Gelder anzuziehen.

Bei den traditionellen Anlagestrategien erlitt Bellevue im ersten Halbjahr 2020 Abflüsse. Wie war die Entwicklung bis Ende dieses Monats?

In der Tat kommen Anlagestrategien mit geringem Differenzierungsgrad zunehmend unter Druck. Diese Entwicklung ist industriell bedingt und wird sich global weiter akzentuieren, was folgerichtig zu laufenden Produktbereinigungen führt.

Andererseits haben klar profilierte traditionelle Konzepte weiterhin ihre Berechtigung und nehmen einen strategisch wichtigen Platz in unserer breiten Anlagekompetenz ein. Mit verschiedenen Massnahmen arbeiten wir daran, uns in diesem Bereich besser aufzustellen und diesen zu stärken.

Sie wollen den Bereich Alternatives als drittes Standbein aufbauen. Welche Schritte haben Sie zuletzt unternommen?

Ja, organisch und mittels gezielten Akquisitionen. Gestartet sind wir bereits vor über zehn Jahren mit unserer bewährten Global Macro-Strategie, die bislang rund 700 Millione Franken anzuziehen vermochte.

Auf Basis unserer starken Positionierung im Healthcare-Bereich haben wir vor rund zwei Jahren unser Private Equity-Team gestärkt und den Pureos Biotechventures erfolgreich lanciert. Mit den Akquisitionen von Adbodmer und Realwerk konnten wir unsere Privatmarkt-Expertise auch im Bereich von unternehmerischen Direktanlagen gezielt stärken.

«Wir sind aufgrund der Marktlage sehr zurückhaltend»

Mit der Entwicklung sind wir sehr zufrieden, konnten wir doch verschiedene Investitionen tätigen und den Investorenkreis weiterausbauen. Nun steht auch ein entsprechender Private Equity Fonds in den Startlöchern. Dieses Geschäft werden wir mit ruhiger Hand weiter ausbauen.

Erwägen Sie weitere Zukäufe im Stile von Adbodmer oder von Investmentteams?

Grundsätzlich können wir uns die Verstärkung bestehender Felder, aber auch gezielte Erweiterungen unserer Anlagekompetenzen vorstellen. Entsprechend prüfen wir interessante Möglichkeiten, wobei wir aufgrund der aktuellen und absehbaren Marktlage sehr zurückhaltend sind. Unser Fokus liegt bis auf weiteres auf organischem Wachstum. Dazu sind wir bestens aufgestellt.

Wie hat sich Run auf diese Anlagethemen wie Alternatives und Private Markets auf  die M&A-Preise ausgewirkt?

Abgesehen von punktuellen Übertreibungen und nachfragebedingten Verzerrungen schätze ich die Preise als stabil ein. Der Preis allein ist für uns jedoch nicht das entscheidende Kriterium. Weit wichtiger sind der strategische und kulturelle «Fit», die Anlageexpertise sowie -qualität und nicht zuletzt nachhaltige Nachfragepotentiale.


André Rüegg ist seit 2016 CEO der Bellevue Gruppe, die sich mit dem Verkauf der Bellevue Bank in diesem Jahr vollständig auf das Asset Management ausgerichtet hat. Zu Bellevue stiess Rüegg von Julius Bär kommend im Jahr 2009. In der ersten Hälfte der 1990er-Jahre war er als Unternehmensberater für Arthur Andersen tätig. 

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