Gross ist der Druck auf die Schweizer Regierung eine Frau für den Chefposten bei der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht Finma zu ernennen. Doch ein «Insider» könnte diesem Ansinnen mit aussichtsreichen Chancen einen Strich durch die Rechnung machen.

Im vergangenen März überrumpelte Mark Branson die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma) regelrecht. Gerade mal zwei Tage vor deren Jahresmedienkonferenz gab die deutsche Regierung die Ernennung Bransons zum Chef der deutschen Finanzaufsichtsbehörde Bafin bekannt, wie auch finews.ch berichtete.

Die Ankündigung sorgte für einiges Aufsehen, zumal sich die Bafin aufgrund des Wirecard-Skandals bis heute in einer höchst delikaten Situation befindet. Ausserdem beschäftigt die deutsche Behörde mit gut 2'700 Mitarbeitenden rund fünfmal mehr Leute als die Finma mit ihren 536 Beschäftigten.  

Kritischer Zeitpunkt

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Vor allem aber stellt Bransons Abgang, der 2010 überraschend von der UBS zur Finma wechselte, eine erhebliche Herausforderung für Bundesbern dar. Denn die Finma erneuerte erst in diesem Jahr ihren Verwaltungsrat und ernannte die Asienexpertin Marlene Amstadt (Bild oben) zur neuen Präsidentin des Gremiums, wie auch finews.ch berichtete. Offenbar wusste bei der Finma niemand, dass Bransons von Berlin umworben worden war, so dass sein Abgang umso gewöhnungbedürftiger war.  

Bransons Demission kommt überdies zu einem Zeitpunkt, da sich die Finma mit der für die Zukunft höchst relevanten Frage befasst, wo sie die Trennlinie zwischen Bankwesen und Fintech-Szene ziehen muss. Denn so klar ist dies heute nicht. Ausserdem befindet sich die Behörde auch in einem Prozess, um das vom US-Techgiganten Facebook initiierte und in Genf ansässige Kryptowährungs-System Libra zu lizenzieren. Das sind alles Themen, welche für die Zukunf des hiesigen Finanzplatzes von höchster Relevanz sind.  

Trümmerhaufen der Credit Suisse

Der frühere UBS-Bank Branson wird in den nächsten Monaten auch deswegen schmerzlich vermisst werden, wenn es darum gehen wird, den Trümmerhaufen abzubauen, den die Schweizer Grossbank Credit Suisse mit ihren milliardenschweren Fehlspekulationen rund um die Firman Archegos und Greensill Capital verursacht hat.

Zu den wichtigsten Anforderungen für den Job des Finma-Chefs gehören neben der Finanz-, Risiko- und Regulierungserfahrung auch die nötige Souveränität und Sensibilität, um eine Behörde mit mehr als 500 Beschäftigten zu führen. Hinzu gesellen sich dann noch Technologie-Expertise, Kommunikationsfähigkeiten nach aussen, Stilsicherheit und Unabhängigkeit sowie ein internationales Beziehungsnetz. Das alles ist nötig, um die Balance zu finden zwischen einer konzisen Aufsicht der Finanzinstitute und dem Anspruch, die Standort-Vorteile des hiesigen Finanzplatz nicht zu beeinträchtigen. 

Politischer Druck

Foto: Philipp Zinniker

Dem Zeitgeist entsprechend ist der politische Druck in Bern nun sehr gross, eine Frau an die operative Spitze der Finma zu berufen. Tatsächlich gibt es auch einige potenzielle Kandidatinnen, die das nötige Rüstzeug mitbringen würden. Dazu gehört beispielsweise Nina Arquint (Bild oben); derzeit Chief Risk Offier im Bereich Corporate Solutions beim Schweizer Rückversicherer Swiss Re.

Ihr kommt auch zugute, dass sie bis 2014 bereits in der Geschäftsleitung der Finma sass, wo sie für internationale Zusammenarbeit, Finanzmarktregulierung, Recht und Compliance sowie für die strategische Leitung zuständig war. Arquint folgte seinerzeit Ex-Finma-CEO Patrick Raaflaub zur Swiss Re.

Eher überraschend

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Eine weitere aussichtsreiche Kandidatin ist Susan Emmenegger (Bild oben), seit 2005 ordentliche Professorin für Privatrecht und Bankrecht sowie Direktorin des Instituts für Bankrecht an der Universität Bern. Sie wurde allerdings Anfang dieses Jahres in den Verwaltungsrat der Finma gewählt.

Ein Wechsel vom Verwaltungsrat in das operative Geschäft einer Regulierungsbehörde wäre zwar eher überraschend – doch das ist Bransons Wechsel von Bern nach Berlin ebenso.

Strich durch die Rechnung

Eva Huepkes 500

Als potenzielle Kandidatin gilt in Finanzkreisen auch Eva Hüpkes (Bild oben). Die Schweizer Juristin arbeitet derzeit beim Financial Stability Board in Basel. Sie vertrat die Finma bereits nach der Finanzkrise von 2008/09 in den Basler Arbeitsgruppen und war zuvor mehr als zehn Jahre lang für die Vorgänger-Organisation der Finma, der Eidgenössischen Bankenkommission, EBK, tätig.

Offen bleibt die Frage, ob Hüpkes akademischer Hintergrund respektive eine gewisse fehlende Erfahrung in der Privatwirtschaft für den Finma-Posten nicht hinderlich sein könnten.

Jan Bloechliger 500

Dem Anspruch, erstmals in der Geschichte eine Frau an die operative Spitze der Finma zu hieven, könnte Bransons bisheriger Stellvertreter einen Strich durch die Rechnung machen: Jan Blöchliger (Bild oben) seit diesem Monat Finma-CEO ad interim. Für die Behörde arbeitet er bereits seit 2011, wo er sich bisher vor allem mit den hiesigen Grossbanken befasste. Abgesehen von verschiedenen Tätigkeiten als Anwalt bringt auch er keine weiter Berufserfahrung aus der Privatwirtschaft mit.

Turbulente Zeit

In früheren Jahren setzte die Finma bei der Neubesetzung von Topstellen oft den Zürcher Headhunter Egon Zehnder ein. Diesmal lässt die Aufsichtsbehörde ausrichten, der Bewerbungsprozess für die Nachfolge Bransons sowohl für externe als auch für interne Kandidaten offen sei. Das könnte durchaus für Blöchliger sprechen.

Denn als interimistischer Finma-Chef ist er in dieser turbulenten Zeit bereits eingearbeitet und pflegt dem Vernehmen nach ein ausgezeichnetes Arbeitsverhältnis zu seiner obersten Chefin Amstad, wie aus Bern zu vernehmen ist. Sie, also Amstad, soll auch wesentlich aktiver im Tagesgeschäft involviert sein, als dies ihre Vorgängerinnen und Vorgänger waren.

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