«Bei Lazard versuchen wir, das Virtuelle mit dem Physischen zu verbinden, indem wir unseren Kunden ein Mittagessen via Lieferdienst offerieren, während sie an unserem Webinar teilnehmen», sagt Stephan Heitz im Interview mit finews.ch.


Stephan Heitz, haben sich Ihre Erwartungen für 2021 bisher erfüllt?

Das Jahr war soweit erfreulich. Wir konnten in beiden Kundensegmenten, also im institutionellen Bereich wie auch im «Wholesale» (Fondsvertrieb), neue Kunden gewinnen. Die Top-Line Resultate, also Brutto- und Netto-Neugeschäft, sind solide im Zielkorridor.

Welche Themen haben Ihr Geschäft im laufenden Jahr dominiert?

Das grosse Thema in diesem Jahr waren die Nachhaltigkeitskriterien ESG/SRI. Während institutionelle Investoren in der Schweiz schon seit längerem ESG/SRI-Kriterien bei ihren Anlageentscheiden einbeziehen, hat die Einführung der EU-Verordnung über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanzsektor der Thematik zusätzlich Bedeutung und Schwung verliehen.

Es ist ein erster Schritt in Richtung allgemein anerkannter ESG-Kriterien. Denn noch immer haben viele Markteilnehmer ihr eigenes Verständnis von Nachhaltigkeit und damit einhergehend auch ihre proprietären Auswahlprozesse.

«Momentan müssen wir uns noch individuell auf die Auswahlprozesse der Kunden ausrichten»

Aus Sicht der Anbieter von Finanzprodukten ist die Entwicklung von allgemein anerkannten ESG-Kriterien zu begrüssen. Momentan müssen wir uns noch individuell auf die Auswahlprozesse der Kundinnen und Vertriebspartner ausrichten, was jeweils viel Zeit und Ressourcen beansprucht.

Auch waren in diesem Jahr thematisch orientierte Anlagemöglichkeiten stark nachgefragt. Aktieninvestments verbunden mit einem konkreten Anlagestil wie «Value» oder «Quality» sind ebenfalls auf gute Resonanz gestossen. Eine weiterhin starke Nachfrage haben wir auch bei Anlagen mit geringer Korrelation zu den traditionellen Märkten erfahren. Strategien wie Credit Long/Short oder Convertibles Arbitrage haben bei unseren Kunden ebenfalls Anklang gefunden.

Welchen Einfluss hatte die anhaltende Corona-Pandemie auf Ihr Geschäft in der Schweiz?

Die Pandemie hat die Art und Weise, wie wir mit unseren Kundinnen und Kunden interagieren, in der Tat stark verändert. Fachveranstaltungen mit Präsenz vor Ort mussten oftmals abgesagt werden. So haben sich Aktivitäten im virtuellen Raum zunehmend etabliert.

«Differenzierung, interessante Inhalte sowie kreative Ideen sind hier umso mehr gefragt»

Mittlerweile besteht ein Überangebot an Webinaren und ähnlichen virtuellen Veranstaltungen, so dass man als Anbieter tendenziell mit sinkenden Teilnehmerzahlen konfrontiert ist. Differenzierung, interessante Inhalte sowie kreative Ideen sind hier umso mehr gefragt.

Bei Lazard versuchen wir das virtuelle mit dem physischen zu verbinden, indem wir im Rahmen unserer «Brain Snack»-Veranstaltungsreihe unseren Kundinnen und Kunden ein Mittagessen via Lieferdienst offerieren, während sie an unserem Webinar teilnehmen.

Wie hat sich der Standort Zürich im laufenden Jahr entwickelt?

Wir geben keine länderspezifischen Zahlen bekannt. Was ich aber sagen kann ist, dass wir unser Team in Zürich dieses Jahr verstärkt haben und auch in Genf ausbauen werden, um noch schneller das vorhandene Potenzial im Schweizer Markt auszuschöpfen.

Wo sehen Sie in den nächsten sechs Monaten die grössten Risiken in der Börsenwelt?

In den USA erreichte der Anstieg der Verbraucherpreise im Oktober mit 6,2 Prozent den höchsten Wert seit 31 Jahren. Auch in vielen anderen Ländern wie in Deutschland ist die hohe Inflation das gegenwärtig grösste Risiko an den Kapitalmärkten. Bisher vertrauen die Investorinnen und Investoren den Aussagen der Zentralbanken, dass dieser Inflationsdruck ausgehend von der Pandemie vorübergehend sei und kein strukturelles Problem darstellen könnte.

Sollte sich dieser Inflationsanstieg als hartnäckiger und nachhaltiger erweisen als bisher unterstellt, könnte dies zu einer kritischeren Sicht auf die Zentralbankpolitik, steigenden Zinsen und Problemen in anderen Assetklassen aufgrund hoher Bewertungen führen.

«Echte Zinserhöhungen sind in den USA frühestens zum Jahresende 2022 zu erwarten»

Dies gilt insbesondere, wenn steigende Covid-Zahlen weltweit zu einer erneuten Konjunkturabschwächung und einer prononcierteren Diskussion über «Stagflation» führen würden.

Welches Szenario sehen Sie in dieser Konstellation vor?

Auch wenn aus unserer Sicht auch strukturelle Gründe für die höhere Inflation vorliegen – seien dies Kosten der Eindämmung des Klimawandels, aggressive Geld- und Fiskalpolitik oder Rohstoffknappheit - sind die zeitlich begrenzten Basis- und Sondereffekte so stark, dass die Inflationsraten 2022 wahrscheinlich zurückgehen werden.

Dies sollte den Zentralbanken Zeit geben, den Übergang zu einer restriktiveren Geldpolitik gut vorbereitet und schrittweise anzugehen zu können. Dabei wird die US-Zentralbank mit der allmählichen Rückführung der Wertpapierkäufe vorangehen, während die europäischen Zentralbanken noch mehr Zeit haben. Echte Zinserhöhungen sind in den USA frühestens zum Jahresende 2022, in Europa nicht vor 2023 zu erwarten.


Stephan Heitz ist seit August 2018 Head of Lazard Fund Managers. In dieser Funktion ist er für die Märkte Schweiz, Italien, Spanien, Portugal, Belgien und Luxemburg zuständig. Zuvor war er ab 2009 bei Axa Investment Managers tätig. Er absolvierte ein Studium an der Universität Fribourg und schloss in Volks- und Betriebswirtschaftslehre ab. Er ist Certified Fund Officer und absolvierte das Advanced Management Program (AMP) an der Harvard Business School. Seine Berufskarriere startete er 1989 beim Schweizerischen Bankverein (heute UBS), wechselte dann zur ABN Amro Bank und später zu Swiss Life Asset Management.

War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
  • Ja, es gab keine andere, wirtschaftlich sinnvolle Alternative.
    26.49%
  • Nein, man hätte die Credit Suisse abwickeln sollen.
    18.76%
  • Nein, der Bund hätte die Credit Suisse übernehmen sollen.
    28.13%
  • Man hätte auch ausländische Banken als Käufer zulassen sollen.
    9.01%
  • Man hätte eine Lösung mit Schweizer Investoren suchen sollen.
    17.62%
pixel