Die Zahl der Millionäre nimmt weltweit und in der Schweiz weiter zu. Diese Gruppe emanzipiert sich zunehmnd bei ihren Finanzanlagen, ohne auf Beratung verzichten zu wollen. Über die Vermögenstrends der Reichen hat finews.ch mit Carina Schaurte von Capgemini Invent gesprochen.

In der Schweiz ist die Zahl der Personen mit einem frei investierbaren Vermögen von mehr als einer Million Dollar im vergangenen Jahr um fast 20’000 gestiegen.

Die Gesamtzahl der Millionärinnen und Millionäre stieg damit hierzulande auf rund eine halbe Million. Weltweit ist die Zahl der vermögenden Personen um 7,8 Prozent gestiegen und die Vermögen wuchsen um 8 Prozent. Das Geld muss ein Zuhause finden. Aber wo?

Demokratisierte Vermögensverwaltung

«Es gibt eine enorme Verlagerung hin zu Private-Equity-Investitionen, die auch dadurch angetrieben wird, dass wir zuletzt sehr hohe Bewertungen von börsennotierten Aktien auf dem Markt gesehen haben», erklärt Carina Schaurte, Vice President of Financial Services bei Capgemini Invent, im Gespräch mit finews.ch.

«Da Private-Equity-Angebote immer mehr Kunden zur Verfügung stehen, findet nicht nur eine Demokratisierung der alternativen Anlagen statt, sondern auch eine Demokratisierung der Vermögensverwaltung insgesamt», sagt sie.

Die Frage, die sich stelle, sei jedoch, wie man Private Equity angesichts der Risiken einer illiquiden Anlageklasse auch für Kunden mit weniger Kapital zugänglicher machen kann. «Wir sehen hohe Überzeichnungen, wenn ein neuer Fonds in einem Private-Equity-Umfeld aufgelegt wird. Es besteht also eine grosse Nachfrage.»

ESG als Stolperstein

Als Teil dieses Demokratisierungsprozesses würden Umwelt-, Sozial- und Corporate-Governance-Themen (ESG) zunehmend an Bedeutung gewinnen. Bis Ende dieses Jahres müssen alle Banken, die europäische Kunden haben, diese im Rahmen der regulatorischen Anforderungen nach ihren ESG-Präferenzen befragen. Dies stelle für Vermögensverwalter in mehrfacher Hinsicht grosse Herausforderungen dar. Laut Schaurte ist es für 40 Prozent der Vermögensverwalter eine höchst komplexe Aufgabe, genaue ESG-Daten zu erheben.

Eine wahrscheinlich unbeabsichtigte Folge sei, dass die Privatisierung und das Delisting von Unternehmen eine Möglichkeit ist, ESG-Vorschriften zu umgehen. «Aufgrund des Drucks durch die Einhaltung von ESG-Vorschriften gibt es auch einen Trend, dass Unternehmen, die nicht als nachhaltig wahrgenommen werden, privatisiert werden, wie etwa Gas- und Ölunternehmen. Hier besteht immer noch die Chance auf eine solide Rendite», sagt Schaurte. Es bleibe jedoch abzuwarten, ob Unternehmen, die ihre ESG-Bilanz aufpolieren und verbessern wollen, in solche Private-Equity-Angebote investieren werden.

«Darüber hinaus fühlt sich die LGBTQ+-Gemeinschaft, wie auch die Frauen, nicht gut bedient, und das Segment wurde noch nicht angegangen». Dies ist eine Gelegenheit für Vermögensverwalter, einen neuen Kundenstamm zu erschliessen. «Ich bin mir aber nicht sicher, ob die Vermögensverwaltungsfirmen im Moment eine Antwort darauf haben.»

Chance für Family Offices

Es gibt jedoch einen Sektor, der bereit ist, diese Chance zu nutzen: «Ich könnte mir vorstellen, dass Family Offices dieses Thema besser aufgreifen könnten, weil es mehr auf ihrer Ebene liegt. Daher ist das Vertrauen auch in diesen Minderheitensegmenten grösser», sagt Schaurte.

Sie beobachtet zudem eine enorme Verschiebung hin zu Family Offices und stellt fest, dass auch Menschen mit einem tieferen Vermögensprofil an den von ihnen angebotenen Dienstleistungen interessiert sind. «Wir sprechen hier nicht von über 50 Millionen Dollar, sondern ab 5 Millionen Dollar, die zunehmend die Dienste von Family Offices in Anspruch nehmen», sagt sie.

«Ein Vorteil ist die Bequemlichkeit des One-Stop-Shops, und der andere, dass die Kunden sich besser betreut und verstanden fühlen. Ausserdem ist die Marke in der Vermögensverwaltung nach wie vor so wichtig, da sie für Vertrauen steht», sagt Schaurte, Sie sei Teil des Erfolgs des Family-Office-Modells, weil sie auch «vertrauensvolle Beziehungen aufbauen können».

Dies sei besonders wichtig, weil man beobachten könne, dass die Investoren ab einem gewissen Vermögen wieder zu den etablierten Marken zurückkehren. Um einen neuen Kundentypus zu gewinnen, müssten die etablierten und traditionellen Vermögensverwalter ihr Angebot erweitern.

Hybride Beratung

Wenn man sich die nächste Generation der Investoren anschaut, sehe man zum Beispiel viele Tech-Unternehmer, die ihr Vermögen mit Start-ups und Risikokapital aufgebaut haben. «Dieses Kundensegment erwartet nahtlose digitale Lösungen.» Dabei gehe es «sehr stark um die Bequemlichkeit der Interaktion mit der Bank», denn das sind sie aus anderen Branchen gewohnt, sagt sie.

Der Einsatz von künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen zur Gewinnung von Kundeneinblicken ist ein sehr wertvolles Instrument für die Beratung, bei dem der Kundenbetreuer mithilfe von Daten und Analysen proaktiv auf die Bedürfnisse des Kunden eingehen kann. «Die Kombination von Erkenntnissen mit der persönlichen Interaktion und Beziehung ist sehr wahrscheinlich die gewinnbringende Kombination», fügt Schaurte hinzu.

Der Mensch ist nicht zu ersetzen

Dennoch gebe es Grenzen für den Einsatz eines solchen datengesteuerten Ansatzes, da regulatorische Beschränkungen berücksichtigt werden müssen. Das mache es im Vergleich zu anderen Branchen sehr viel schwieriger, diese Möglichkeiten im Bankwesen zu erkunden.

Das bedeutet, dass der Bedarf an menschlicher Intelligenz und Beratung nicht verschwindet, sondern sich eher verändert. Ein Kundenberater muss heute eher eine Art Finanzcoach sein, während er in der Vergangenheit hauptsächlich als Anlageberater tätig war, stellt sie fest. «Letztendlich liegt der Mehrwert des Kundenberaters eher darin, Entscheidungen zu ermöglichen und in Bezug auf die finanziellen Bedürfnisse vorauszudenken», sagt Schaurte.

Da Robo-Advisor in der Lage sind, einige der niederen Aufgaben des Beratungsgeschäfts zu übernehmen, bleibt den Kundenbetreuern mehr Zeit, sich auf die Bedürfnisse ihrer Kunden zu konzentrieren. Es scheint, dass Vermögensverwalter den Aufstieg der Maschinen nicht fürchten müssen, um Private Equity zugänglicher zu machen.

War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
  • Ja, es gab keine andere, wirtschaftlich sinnvolle Alternative.
    26.69%
  • Nein, man hätte die Credit Suisse abwickeln sollen.
    18.57%
  • Nein, der Bund hätte die Credit Suisse übernehmen sollen.
    28.18%
  • Man hätte auch ausländische Banken als Käufer zulassen sollen.
    9.05%
  • Man hätte eine Lösung mit Schweizer Investoren suchen sollen.
    17.5%
pixel