Nur wenige Schweizer Finanzminister haben sich in ihrer Amtszeit stärker und erfolgreicher für die hiesige Finanzbranche eingesetzt als Ueli Maurer. Gerade weil er so viel angeschoben hat, warten auf seine Nachfolgerin oder auf seinen Nachfolger einige Pendenzen, wie eine Auslegeordung von finews.ch zeigt.

Mit einem spektakulären Jauchzer hat sich Ueli Maurer am Mittwoch aus dem Bundesrat verabschiedet. Mit dem Zürcher aus Hinwil verliert die Schweiz einen Magistraten, der als Finanzminister von 2016 bis 2022 massgeblich zur Weiterentwicklung des hiesigen Finanzplatzes im In- und Ausland beigetragen hat.

Auch in seiner letzten Funktion ist der bodenständige SVP-Politiker zunächst unterschätzt worden, um seine Kritikerinnen und Kritikern eines Besseren zu belehren.

Eigene «Swissness»

Nur wenige Schweizer Finanzminister haben sich in ihrer Amtszeit stärker und erfolgreicher für die hiesige Finanzbranche eingesetzt, und zwar sowohl bei Dossiers, die das traditionelle Banking betreffen als auch in zukunftsgerichteten Bereichen wie Fintech, Cryptofinance und Blockchain, aber auch im Ausland, wo sich Maurer mit der ihm eigenen «Swissness» namentlich zwischen Nahem und Fernem Osten profilierte.

Noch ist offen, wer seine Nachfolge antreten wird. Aus Sicht der Finanzbranche ist es jedoch wichtig, dass die Anstrengungen und Initiativen der vergangenen Jahre nun unter neuer Ägide nicht versanden oder verpuffen – insbesondere vor dem Hintergrund einer möglicherweise politisch linksgerichteten Departementsspitze. Gerade weil Maurer so viel angeschoben hat, hinterlässt er eine ganze Reihe von Pendenzen, Traktanden und Baustellen, die finews.ch in neun Punkten zusammengetragen hat.

1. Der Börsentrend spielt gegen die Königsdisziplin im Swiss Banking

Der Schweizer Offshore-Standort mit seinen Vermögensverwaltung-Banken ist verwundbar gegenüber Börsenbaissen: Sinken die verwalteten Vermögen, nehmen die Erträge der Institute schneller ab als die Kosten. In diesem Jahr hat sich der Bullenmarkt, der seit der Finanzkrise von 2008 Bestand hatte, verflüchtigt. Geopolitische Krisen, steigende Zinsen und externe Risiken wie der Klimawandel sorgen stattdessen für Unruhe an der Börse und verschrecken die Kunden.

Entsprechend sind die führenden Schweizer Privatbanken bereits auf die Kostenbremse getreten. Das vermindert tendenziell die Strahlkraft der Königsdisziplin «Swiss Banking» – kein idealer Ausgangspunkt für die Politik, wenn es darum geht, internationale Allianzen für den Schweizer Finanzplatz zu schmieden (vgl. dazu auch Punkt 4).

2. Das Wachstum geht auf breiter Front zurück

Auch für den gesamten Finanzsektor – Versicherer miteingeschlossen – sehen die Prognosen nicht besonders rosig aus. Traut man den Experten von BAK Economics, liefern die Schweizer Banken in den Jahren bis 2024 noch eine Wertschöpfungsentwicklung von im Schnitt 1,6 Prozent, die Versicherer schaffen es im Schnitt noch auf 2,7 Prozent Wachstum, und der gesamte Finanzsektor durchschnittlich auf 1,8 Prozent.

Das hat auch Folgen für die Beschäftigten: Für 2023 erwartet die Forschungsstelle einen Rückgang der Banken-Stellen um 0,1 Prozent. Dies, während im gesamten Finanzsektor die Anzahl Stellen noch um 1 Prozent wachsen soll. Von 2024 bis 2027 rechnen die BAK-Ökonomen dann noch mit einem durchschnittlichen Beschäftigungswachstum von 0,4 Prozent.

3. Die Nachbarländer schotten ihre Märkte ab

Die Schweizer Vermögensverwalter sind Exporteure. Sie erbringen ihre Dienste für eine mehrheitlich ausländische Kundschaft. Entsprechend ist der ungehinderte Marktzugang insbesondere zur EU ein ewiges Anliegen der Branche – rund 40 Prozent der hierzulande verwalteten Vermögen stammen aus Westeuropa. Doch seit dem Scheitern des Rahmenabkommens Anfang 2021 sind die Hürden Richtung Unionsgebiet eher gewachsen.

Nicht nur handhaben Staaten wie Frankreich und Italien den Zugang für Schweizer Institute restriktiv. Die EU revidiert auch bis 2025 die Vorschriften für Zweigniederlassungen. Immerhin haben die EU-Wirtschaftsminister die Niederlassungspflicht für im europäischen Raum aktive Banken vergangenen November gestrichen. Ein neu besetzter Bundesrat könnte nun zumindest wieder Bewegung in das Rahmenabkommen bringen; bisher hat die Exekutive dabei aber kaum auf das Wohl der Bankbranche geschaut.

4. Allianzen sind schwieriger geworden

Das auf den Herbst geplante Abkommen zwischen der Schweiz und Grossbritannien für eine engere Zusammenarbeit in Finanzfragen ist wegen den politischen Turbulenzen im Königreich bisher nicht zustande gekommen. Der neue britische Premierminister Rishi Sunak war der Schweiz schon auf seinem ehemaligen Posten als Finanzminister gewogen; doch er ist derzeit an ganz anderen Fronten gefordert.

Mit der Tendenz zur Deglobalisierung ist auch nicht mehr so klar, dass die Schweiz in Nahost und Asien verbündete findet – die dortigen Finanzplätze hatte Finanzminister Ueli Maurer intensiv umworben. Nun beginnen sich die einzelnen Weltregionen abzuschotten. Partner wie Singapur werden zudem die Schweiz als Offshore-Platz schon bald überflügeln.

5. Unberechenbare Credit Suisse

Im Vergleich zu den meisten westlichen Industriestaaten wiegen die Bankbilanzen im Vergleich zur Wirtschaftsleistung am schwersten: Die von Finanzinstituten gehaltenen Aktiva übersteigen das Schweizer BIP um rund das Sechsfache. Die Bücher der UBS und der Credit Suisse (CS) allein machen dabei einen Löwenanteil aus. Entsprechend hat die Schweiz im «Too-big-to-fail»-Regime der Standfestigkeit der beiden Grossbanken besondere Aufmerksamkeit zukommen lassen.

Zuletzt hat die Schweizerische Nationalbank (SNB) den beiden Häusern eine solide Kapitalisierung bescheinigt; mit einer über die nächsten Jahre angestrebten Quote des harten Eigenkapitals von 13 Prozent würde sich auch die CS immer noch oberhalb des Minimums von 10 Prozent bewegen.

Doch die Nummer zwei im Swiss Banking unternimmt derzeit ihren Turnaround in einem höchst unberechenbaren Umfeld. Die Kosten für den Umbau könnten unversehens steigen. Oder die Einkünfte magerer ausfallen aus geplant. Ein Erfolg ist gar nicht so sicher.

Insofern muss ein staatlicher Eingriff bei der CS zumindest als Szenario in Betracht gezogen werden. Kommt es soweit, wird alle Welt auf den Finanzminister blicken, dem ja auch die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma) untersteht.

6. Selbstregulierung als hohes Schweizer Gut achten

Dass das Interesse an ESG-Anlageprodukten in Europa wächst, ist auch der Schweiz nicht verborgen geblieben. Doch im Unterschied zur EU setzt der hiesige Finanzplatz bei der Förderung von nachhaltigen Anlagen mehr auf Selbstregulierung. So hat unter anderem die Schweizerische Bankiervereinigung eine pragmatische, für die Mitglieder verbindliche Regelung geschaffen, die anfangs 2023 in Kraft tritt.

Mit diesen Initiativen will die Branche einer Regulierung durch die Behörden zuvorzukommen. Bis Ende Jahr will sich allerdings noch das zuständige Staatssekretariat für internationale Finanzfragen (SIF) vor allem zum Greenwashing im Finanzsektor äussern. Die neue Departementsleitung ist gut beraten, wenn sie in diesen Fragen ein Ohr für alle Akteure hat und die traditionelle Selbstregulierung als hohes (Schweizer) Gut weiter achtet.

7. Neuer Anlauf zur Reform der Verrechnungssteuer

Der Schweizer Kapitalmarkt leidet unter einem langjährigen Nachteil: Viele Unternehmen emittieren ihre Obligationen im Ausland, weil diese dort von den Investoren ohne Verrechnungssteuer gekauft werden können. Die im vergangenen September vom Stimmvolk abgelehnte Reform hätte dieses Geschäft, das in den vergangenen Jahren zunehmend in Länder wie Luxemburg abgewandert ist, zurück in die Schweiz geholt.

Nach dieser verpassten Chance steht der Schweiz Finanzplatz weiterhin am Spielfeldrand, wenn andere Länder das globale Anleihengeschäft betreiben. Mit einem Nein zur Unternehmenssteuerreform und der geplanten Abschaffung der Sondersteuer auf neu geschaffenem Eigenkapital von Unternehmen wird nicht nur der Schweizer Finanzplatz, sondern der ganze Wirtschaftsstandort stiefmütterlich behandelt.

Der künftige Vorsteher des Finanzdepartements wird um mehr Vertrauen für die Wirtschaft und die Finanzbranche werben müssen. Gelingt ihm oder ihr dies, muss nochmals ein Anlauf zur Abschaffung der Verrechnungssteuer gemacht werden. Eine solche Reform kann nicht nur den Markt für Firmenanleihen in der Schweiz stärken, sondern mittelfristig auch neues Steuersubstrat schaffen.

8. Fintech-Standort international etablieren

Bundesrat Maurer trug in den vergangenen Jahren viel zu einer lebendigen Fintech-Szene in der Schweiz bei. Noch dieses Jahr wurde er deswegen als «Fintech Influencer of the Year» ausgezeichnet. Die Juroren lobten den Preisträger als Persönlichkeit, die sich in den vergangenen Jahren stark für einen innovativen und gut positionierten Finanzplatz engagiert hat. Besonders hoben sie hervor, dass der Bundesrat den offenen Dialog gefördert und die internationale Wahrnehmung des Schweizer Fintech-Standorts vorangetrieben hat.

Diesen Schwung muss Maurers Nachfolger oder Nachfolgerin beibehalten. Die dynamische Fintech-Landschaft der Schweiz ist exemplarisch für die Innovationsfähigkeit der Schweiz. Der Bundesrat sollte dieses Leuchtturmprojekt weiter vorantreiben. Dazu gehört zuallererst eine pragmatische Regulierung in enger Absprache mit allen Akteuren, aber auch hervorragende Bildungsinstitutionen mit hochqualifizierten Talenten. Auf diesem Nährboden kann der Unternehmergeist der Fintech-Szene weiter gedeihen.

9. Kein Schweizer Alleingang bei Bankvorschriften

Als Reaktion auf die Finanzkrise 2008 müssen international aktive Banken ihre Risikopuffer verstärken. Allerdings ist in der Schweiz die Vernehmlassung zur neuen Eigenmittelverordnungen für Banken mit einigen Misstönen zu Ende gegangen. Kritisiert wird vor allem, dass die Umsetzung des sogenannten Basel-III-Standards zu komplex ist, hohe Kosten verursacht und negative Folgen für Kreditnehmer hat.

Gemäss Bankverbänden wird ein unerwünschter «Swiss Finish» geschaffen, und dies erst noch vor der Einführung in anderen Ländern. Zudem haben sich SVP, FDP und die Mitte-Partei sich gegen einen Schweizer Alleingang gestellt. In dieser Konstellation wird vom neu zusammengesetzten Bundesrat erwartet, dass der Schweizer Finanzplatz mit Augenmass reguliert wird.

 

 

 

 

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