Als Konsequenz aus dem Scheitern der Credit Suisse fordern Parlamentarier unter anderem dickere Eigenkapitalpolster. Selbst mit den strengsten Kapitalquoten der Welt sind jedoch Bankkrisen nicht aus der Welt zu schaffen.

An der am Dienstag begonnenen Sondersession wurden nicht nur Forderungen an die Regierung laut, rechtliche Schritte gegen das Management der gestürzten Credit Suisse (CS) zu ergreifen. Populär war auch der Ruf, die «Too big to fail»-Regeln für systemrelevante Banken zu überarbeiten.

Besonders im Visier waren dabei die Kapital- und Liquiditätsanforderungen, denen die Schweizer Banken unterliegen. Verschiedene Politiker plädierten für eine deutliche Erhöhung der Kapitalpolster, um einen Bankenkollaps wie jüngst bei der CS «ein für allemal» zu verhindern.

Mitte-Präsident stürmt vor

Am deutlichsten exponierte sich Mitte-Präsident Gerhard Pfister. Er wusste die vom CS-Untergang geprägte Krisenstimmung im Parlament für sich zu nutzen und steckte die Diskussion ab mit der markigen Forderung, dass Schweizer Banken künftig mindestens 20 Prozent Eigenkapital halten müssen.

Je höher die Eigenmittelquote einer Bank, desto besser kann sie eine Schieflage aufhalten und das Vertrauen der Kundschaft bewahren, lautete das einfache Credo.

Schützenhilfe aus der Lehre

Prominente Unterstützung erhielt Pfister mit seiner 20-Prozent-Forderung von Christoph Schaltegger. Der Direktor des Instituts für Schweizer Wirtschaftspolitik (IWP) an der Universität Luzern schrieb in der NZZ am Sonntag, dass die Aktionäre einer grösseren Bank ein hartes Eigenkapital von mindestens 20 Prozent der Bilanzsumme stellen sollten.

Das macht die Bank gemäss dem Ökonomen solventer und zugleich unattraktiver für riskante Geschäfte, weil Verluste daraus nicht mehr einfach auf die Allgemeinheit überwälzt werden können, sondern durch das Eigenkapital aufgefangen werden müssen.

Kostspielige Kehrseite

Solch hohe Kapitalanforderungen gehen allerdings zulasten der Profitabilität, denn sie sind teuer.

Gemäss dem Global Banking Review von McKinsey betragen die Kosten des Eigenkapitals für Banken im langjährigen Durchschnitt rund 9 Prozent. Diese Kosten übertrafen im vergangenen Jahr bloss die Hälfte der Banken mit ihren Eigenkapitalrenditen.

Der Anteil der Banken, die diese Kosten nicht einspielen, wird gemäss den Experten künftig noch zunehmen. Richtig ungemütlich könnte es werden, wenn die Eigenkapitalrenditen bei einer weltweiten Rezession bis 2026 deutlich auf 7 Prozent, in Europa sogar auf 6 Prozent sinken könnten. Eine nächste Bankenkrise wäre dann vermutlich vorgezeichnet.

Weckruf für die Regulatoren?

Wo angesichts solcher Realitäten das Optimum für Eigenkapitalpolster liegt, ist eine heikle Gratwanderung.

Ähnlich sieht es die Schweizerische Bankiervereinigung (SBVg). Gegenüber finews.ch erklärt der Branchenverband, dass die Ereignisse rund um den Niedergang der CS umfassend und transparent unter Einbezug aller Akteure aufgearbeitet werden müssen, bevor Aussagen zu Massnahmen möglich sind.

Die Aufarbeitung sollte gemäss SBVg das gesamte Zusammenspiel von Bank, Behörden, bestehenden Regularien sowie der herrschenden Marktdynamik umfassen. Davon abgeleitete Empfehlungen müssten die bestehende Proportionalität berücksichtigen und auf der differenziert ausgestalteten Regulierung aufgebaut sein.

Die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma) will die Ereignisse ebenfalls sorgfältig aufarbeiten. Es müsse geprüft werden, wo und wie die regulatorischen Anforderungen für systemrelevante Institute gezielt verbessert werden können oder müssen, schreibt die Behörde auf Anfrage.

Lehren aus der Finanzkrise 2008

In der Schweiz bestehen derzeit im Einklang mit den internationalen Standards zwei Arten von Kapitalanforderungen. Zum einen geht es um gewichtete Anforderungen, die als Prozentzahl der risikogewichteten Aktivpositionen berechnet (RWA-Quote, Risk Weighted Assets) werden. Zum andern gelten Anforderungen für ungewichtete Eigenmittelquoten, die als Prozentzahl des Gesamtengagements berechnet wird (Leverage Ratio, LR); diese LR-Anforderung dient als Sicherheitsnetz.

Unter dem Eindruck der Finanzkrise 2008 war schon einmal gelobt worden, dass besonders die systemrelevanten Banken viel mehr Eigenkapital vorstrecken müssten. Damals machte ein LR-Satz von 10 Prozent die Runde.

Davon ist nicht viel übrig geblieben. Gemäss dem internationalen Regulierungsstandard Basel III muss das harte Eigenkapital inzwischen mindestens 3 Prozent der Bilanzsumme betragen. In der Schweiz sind die Anforderungen allerdings etwas höher, beträgt doch der Mindestwert für Grossbanken 4,5 Prozent.

Strengere Schweizer Regeln

Sämtliche systemrelevanten Banken in der Schweiz - also die UBS und die Credit Suisse, die Zürcher Kantonalbank, die Raiffeisen sowie die Postfinance - müssen ausserdem über mehr regulatorisches Kapital als die übrigen Banken verfügen, um einen Puffer gegenüber unerwarteten Verlusten zu haben.

Bei den Eigenmitteln sind die systemrelevanten Banken verpflichtet, im Normalfall eine Eigenmittelquote von 3,5 Prozent an hartem Kernkapital (Common Equity Tier 1 Capital, CET1) zu halten. Hinzu kommen 1,5 Prozent an unbefristeten Schuldinstrumente, die bei Verlusten relativ rasch in Kernkapital umgewandelt werden können (High Trigger Coco-Bonds bzw. AT1).

Kein Allheilmittel

Wie stark auch immer die Schrauben angezogen werden: Selbst mit den strengsten Kapitalquoten der Welt ist keine Bank vor einem Untergang geschützt.

Das jüngste traurige Beispiel dafür ist die CS. Sie kollabierte nicht wegen zu wenig Kapital, sondern weil das Vertrauen in die vom Verwaltungsrat entwickelte Strategie und in die operativen Fähigkeiten des Managements verlorengingen.

Im letzten Akt des Dramas hätte ohne drastische Massnahmen ein ungeordneter Konkurs gedroht. Bundesrätin Karin Keller-Sutter brachte die Situation an der Sondersession auf den Punkt: «Allen war klar gewesen, dass Liquidität alleine nicht gereicht hätte».

Das gesunde Mass

Mit derselben Inbrunst, wie das Parlament nach der Tragödie über die Versager wettert und mehr Eigenmittel fordert, müsste es sich darum auch fragen, was es dazu beitragen kann, im Finanzsektor die fähigsten Leute heranzubilden, für die im Umgang mit Risiken das gesunde Mass über allem anderen steht.

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