Wie Socken sind Banken selten sexy, sie haben aber ihre Daseinsberechtigung. Bescheidenheit und Verlässlichkeit tun uns allen gut. Die Schweiz ist vor allem die Schweiz, wenn sie sich auf ihre Basics besinnt und sich nicht in globalen Hypes verliert. Wir sind vielleicht nicht besser, aber definitiv auch nicht schlechter als andere, schreibt der Bankier Fabian Käslin in seinem Gastbeitrag zum 1. August. Wir sind anders - und das stimmt zuversichtlich.

Die Schweiz schwitzt. Sommerliche Temperaturen motivieren wieder viele Leute zu Ferien am Strand, Ausflügen in die Badi, einem erfrischenden Bier in der Bergbeiz oder gemeinsamem Kleben auf der Autobahn.

Abkühlung ist angesagt. Weisswein ja, aber bitte mit Eis-Würfeln, Glace in allen Farben, viel Schatten und dem obligaten Sprung ins kühle(re) Badi-Nass. Vieles davon ist im letzten Jahr teurer geworden. Entsprechend schwitzen auch die Zentralbanker: gerade noch waren sie modern und trendig mit dem Retten des Planeten beschäftigt, müssen sie nun wieder das Abkühlen der Inflation erreichen – zwar die eigentliche Grundaufgabe, aber eventuell sind diese «Basics» weniger Applaus-generierend als wichtig?

«In meiner Geburtsstadt wurde die traditionelle 1.-August-Feier abgesagt»

In der Eidgenossenschaft wird ähnlich geschwitzt. Die Neutralität hat man aufgegeben. Die Credit Suisse auch. Wir fragen uns: Sind das saisonale Hitzeereignisse oder doch eher eine langfristige Überhitzung des Systems? Hat die Schweiz ihre «Basics» noch im Griff?

Der Gedanke kommt auf, dass diese Basics möglicherweise nicht (mehr) so klar sind. Man spricht von Populismus auf beiden Seiten des politischen Spektrums, dem angeblichen Konflikt Stadt-Land, zu viel oder zu wenig Zuwanderung von wahlweise mangelnden Fachkräften oder mangelnder Integrationswilligkeit.

In meiner Geburtsstadt wurde die traditionelle 1.-August-Feier abgesagt – sie musste den Aufbauarbeiten eines Musik-Festivals weichen. Man diskutiert nun über Tradition und Weltoffenheit. Die viel bewunderte Patrouille Suisse, treu ihrem Motto «Präzision, Sicherheit, Perfektion» fliegt nun bereits mehrere Wochen wieder unfallfrei über Schweizer Veranstaltungen.

«Ein paar Trends werden verschlafen, doch man schläft dafür gelassener»

Der Wandel ist also allgegenwärtig und diskutiert wird immer. Das stimmt zuversichtlich. Wir waren noch nie ein Volk von Schnellschüssen: behaglich langsam, fast schon gemütlich lange wird diskutiert und Konsens gefunden. Ein paar Trends werden verschlafen, doch man schläft dafür gelassener. Die Basics mögen sich ändern, doch grundlegend bleiben wir uns trotzdem treu – so widersprüchlich das auch ist.

Dem Finanzplatz würde dies auch guttun: Fokus auf die Basics, eventuell auch durchaus auf Kosten des Verschlafens von ein paar Trends. Die Credit Suisse (CS) hatte schliesslich zwar einen Chief Happiness Officer – dafür offensichtlich eher weniger Fokus auf die Basics. Der Bundesrat und die eidgenössischen Institutionen schienen kurz vor dem CS-Ende im steten Kontakt mit Vertretern aus Übersee: selbst die Pressekonferenz an diesem schicksalhaften Sonntag wurde praktisch vollständig auf Englisch abgehalten.

Hatte man genügend Kontakt mit Schweizer Industriellen? Gab es keine Schweizer Lösung ausserhalb der UBS? Kein Schweizer Investor, der mit solch umfangreichen Garantien ins stark verringerte unternehmerische Risiko gegangen wäre? Wäre eine kurzfristige Teilverstaatlichung über die Nationalbank nicht die längerfristig bessere Lösung für das Land gewesen? Hat Bern wirklich grundlegend sauber gearbeitet?

«Es wird etwas mehr brauchen als nur Diskussion und Konsens»

Auf Englisch: Get your basics right. Das Thema wird nun in einer PUK diskutiert – ganz schweizerisch in unseren Landessprachen. Das stimmt zuversichtlich. Der Finanzplatz und vor allem die Schweiz werden auch diese Krise überleben und wie immer: Krisen sind vor allem auch Chancen. Doch um die Plattitüde als solche hinter uns zu lassen und tatsächliche Resultate zu erreichen, wird es mehr brauchen als nur Diskussion und Konsens.

Der Untergang der CS sollte nicht nur als kurzfristige, taktische Chance zur Abwerbung von Kunden und Mitarbeitern gesehen werden – sondern viel mehr als langfristig und strategische Rückbesinnung auf «small is beautiful»: die kleine, direktdemokratische Eidgenossenschaft löst dank ihrer Langsamkeit und ihrem Konsen-Denken die grossen Probleme halt doch langfristig besser als die zentralistischen Grossstaaten.

Ähnliches sieht man bei den Banken: die anonym-gehaltenen Grossbanken sind mit interner Politik, Silodenken und endlosen Powerpoint-Schlachten beschäftigt, während die kleinen und mittleren Banken oft durch starke Unternehmer-Persönlichkeiten kontrolliert, flexibel und Kunden-nah unterwegs sind. Vereinfacht gesagt: Das schönste e-Banking der Welt nützt wenig, wenn der Kundenberater nur noch mit administrativen Internas beschäftigt ist.

«Deshalb macht es Sinn als Bank, sich auf die langweiligen Basics zu konzentrieren»

Wenn sich eine Grossbank nur noch mit dem Senden von politisch-korrekten Plattitüden und luftigen Durchhalteparolen beschäftigt, aber ihre Basics aus den Augen verliert, dann kommt es wie es kam. Vertrauen ist zentral – und schnell verloren. Deshalb macht es Sinn, als Bankkunde nicht alle Eier in den gleichen Korb zu legen – zu diversifizieren. Deshalb macht es Sinn als Bank, sich auf die langweiligen Basics zu konzentrieren. Deshalb macht es Sinn für die Schweiz, die Vorteile des Kleinstaates bewusst zu leben.

Die Hitzesymptome der vergangenen Monate sollten somit diskutiert und analysiert werden. Eigenständige Standortbestimmung sollte gegenüber überhastetem Handeln und blindem, unselbständigem Folgen von Grossstaaten vorgezogen werden. Schweizer Banken tun gut daran, sich nicht in internationalen Trends und Hypes zu verrennen.

«Die Schweiz muss sich auf ihre Basics konzentrieren»

Wie Socken sind Banken selten sexy, haben aber ihre Daseinsberechtigung. Bescheidenheit und Verlässlichkeit tun uns allen gut. Die Schweiz ist vor allem die Schweiz, wenn sie sich auf ihre Basics besinnt und sich nicht in globalen Hypes verliert. Wir sind nicht Dubai, nicht Hong Kong und nicht Singapur – aber diese Finanzplätze existieren keine hundert Jahre. Deutschland hatte Wirecard und in den USA haben dieses Jahr eine Handvoll Banken zumachen müssen. Wir sind vielleicht nicht besser, aber definitiv auch nicht schlechter als andere. Wir sind anders und das stimmt zuversichtlich.

Die Schweiz muss sich auf ihre Basics konzentrieren und als verlässlicher, stabiler und unabhängiger Staat gibt es immer noch viel zu gewinnen – angefangen bei einem ruhigen, entspannten Nachmittag in der Badi. In diesem Sinne: alles Gute zum Geburtstag, liebe Schweiz!


Fabian Käslin ist seit März 2023 CEO der Banque Havilland in der Schweiz und Liechtenstein. Zuvor war er Finanzchef und Chief Operating Officer (COO) der luxemburgischen Banque International à Luxembourg in der Schweiz (BIL Suisse) gewesen. Seine Bankkarriere startete der Schaffhauser vor fast 15 Jahren bei der Schweizer Grossbank UBS, später war er in verschiedenen leitenden Positionen für die Bank Julius Bär tätig – hauptgewichtig in Lateinamerika sowie in der Region Europa, Nahost und Afrika (Emea).

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