Namhafte Grossinvestoren haben dem Zürcher Fintech-Startup Teylor kürzlich 275 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, um Kredite an KMU zu vergeben. Wie Firmengründer und CEO Patrick Stäuble erklärt, haben Banken dieses Segment sträflich vernachlässigt.

Herr Stäuble, Teylor sorgt auch bei ausländischen Geldgebern für Aufsehen. Wie sieht das Geschäftsmodell des Fintechs aus?

Wir konzentrieren uns auf das KMU-Lending in Europa. Wenn ein kleines Unternehmen einen Kredit von 300'000 Euro braucht, um sein Geschäft auszubauen, kann der gesamte Kreditprozess in einer deutschen Bankfiliale leicht drei bis vier Monate dauern. In der Schweiz ist es ähnlich. Es ist oft ein archaischer und vor allem papierbasierter Prozess, der enorme Kapazitäten bindet. Kleinere Kredite sind für Banken aufgrund des Arbeitsaufwands daher oft nicht so attraktiv. Das Herzstück von Teylor ist eine Kreditplattform, die einen webbasierten Antragsprozess bietet. Sie vereinfacht diesen Prozess und hilft, Kosten zu sparen.

Was bedeutet das konkret?

Der gesamte Kreditvergabeprozess ist digitalisiert und automatisiert, vom Kunden- und Vertragsmanagement bis hin zur Risikoprüfung. Die Nutzung der Plattform ermöglicht eine deutlich schnellere und effizientere Kreditvergabe an Unternehmen. Bei uns dauert die Genehmigung für einen Firmenkredit nur zehn Minuten.

«Wer solche schwierigen Momente am Anfang nicht durchsteht, wird nie wirklich Grosses erreichen»

Wir monetarisieren das selbst mit Investoren, die über unsere Plattform und durch unseren Fonds Mittelständler finanzieren. Teylor lizenziert die Plattform aber auch an Finanzpartner, zum Beispiel an Banken, die ihre Kreditprozesse digital über unsere Plattform abwickeln.

Sie sind Jungunternehmer. Wurde Ihnen der Unternehmergeist in die Wiege gelegt?

Nein, meine Eltern sind gar keine Unternehmer. Mein Vater ist Geologe, meine Mutter Physikprofessorin. Ich habe mein erstes Unternehmen während des Studiums gegründet, eine Übersetzungsplattform. Das fand ich sehr cool, spannend und herausfordernd. 2014 bin ich zu einem anderen Schweizer Startup in Zürich gewechselt, das so schnell gewachsen ist, dass ich gefühlt alle drei Monate einen neuen Job hatte. Dabei habe ich immer wieder etwas Neues gelernt, was mir sehr viel Spass gemacht hat. Da wurde mir klar, dass ich wieder eine eigene Firma gründen möchte.

Der Weg eines Startups ist mit Stolpersteinen gespickt. Was ist die wichtigste Lektion, die Sie als Gründer gelernt haben?

Es braucht ein gutes und professionelles Team, um ein Unternehmen aufzubauen. Denn allein kann man nie alles schaffen. Zudem braucht es einen langen Atem, ein grosses Durchhaltevermögen. Wenige Monate nach unserem Start im Sommer 2019 brach die Corona-Krise aus, der Lockdown legte weite Teile des Wirtschaftslebens lahm, Investoren sprangen ab. Wir hätten einfach sagen können, wir lassen es. Aber wir haben es durchgezogen. Wer solche schwierigen Momente am Anfang nicht durchsteht, wird nie wirklich Grosses erreichen.

«Ich habe Travis Kalanick von Uber immer bewundert»

Welcher Unternehmer hat Sie als Gründer besonders beeindruckt?

Ich habe Travis Kalanick, den Mitbegründer und ehemaligen CEO von Uber, immer bewundert. Ich habe ihn nie getroffen, aber man hört, dass er es geschafft hat, das ganze Unternehmen mit seiner Energie zu motivieren, auch in manchmal schwierigen Zeiten. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben sich einfach gesagt: Wir müssen jeden Tag so schnell und so aggressiv wie möglich vorankommen. Jeden Morgen mit dieser Energie und Dringlichkeit aufzustehen, ist sehr wichtig und notwendig, um erfolgreich zu sein. Man darf diese Energie nicht verlieren.

Welches waren die grössten Herausforderungen in der Anfangsphase?

Belastend waren vor allem externe Faktoren wie Covid, die Energiekrise in Deutschland oder die Zinswende. Hinzu kommt, dass ein Startup immer eine gewisse Leistungsbilanz vorweisen muss, um überhaupt mit grösseren Partnern, Banken oder anderen Stakeholdern ins Gespräch zu kommen. Dass unser Prozess funktioniert, dass die Kredite zurückkommen, diesen Leistungsnachweis mussten wir erbringen und dabei gleichzeitig wachsen.

Steht Teylor immer noch vor dieser Schwierigkeit?

Jetzt ist es weniger ein Problem, weil Teylor eine gewisse Grösse hat und schon gut fünf Jahre am Markt ist, das hilft natürlich. Schwierig ist allerdings auch, die richtigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu finden. Gute Leute gibt es immer, aber Fachkräfte zu finden, die ins Unternehmen passen, die auch für dich arbeiten wollen, obwohl sie wahrscheinlich weniger verdienen als bei einer UBS oder bei McKinsey, bleibt wohl immer eine Herausforderung.

Was macht Ihr Unternehmen denn besser als Mitkonkurrenten?

Wenn ich mir den Markt für digitale KMU-Kredite in Deutschland oder in der Schweiz anschaue, stelle ich fest, dass die Banken in diesem Segment kaum innovativ sind. In den letzten zehn bis fünfzehn Jahren haben die meisten Finanzinstitute das KMU-Segment völlig vernachlässigt.

«Deutsche Banken sind nach meinem Eindruck für Fintech- und Digitalisierungsthemen aufgeschlossener»

Mit unserer Lösung bieten wir meiner Meinung nach das bestmögliche Kundenerlebnis. Jeder Kunde hat einen Ansprechpartner, immer den gleichen, und wir antworten immer sofort. Wir gehen auch im Vertrieb wirklich aggressiv raus und versuchen, die Kunden für uns zu gewinnen. Ich glaube, das machen im Moment nicht viele.

Was unterscheidet den deutschen vom schweizerischen Bankenmarkt bei der Kreditvergabe an Kleinunternehmen?

Deutsche Banken sind nach meinem Eindruck für Fintech- und Digitalisierungsthemen aufgeschlossener. Allein schon, weil Berlin ein international wichtiges Fintech-Zentrum ist. Unabhängig von der spezifischen KMU-Kreditthematik sind sie offener für Gespräche darüber, wie man einen Fintech-Prozess aufsetzen kann. Ich denke, dass die Schweiz für uns auch ein schwierigerer Markt ist, weil es in Deutschland einfach viel mehr Daten gibt, die öffentlich publiziert werden und auf die man zugreifen kann. Das ist für unseren datengetriebenen Ansatz sehr wichtig.

Wie viele Bankenpartner hat Teylor inzwischen?

Insgesamt haben wir ein Dutzend Institute, die unsere Plattform nutzen. Ein Drittel unserer Partner sind klassische Banken, dazu kommen alternative Finanzunternehmen wie Factoring, Leasing und Private Debt Funds sowie andere Fintechs, die unsere komplette Plattform für ihr Kreditgeschäft benötigen.

Teylor hat vor kurzem eine Finanzierungsvereinbarung über 275 Millionen Euro von Barclays, M&G und anderen Investoren für ein Debt-Vehikel erhalten. Wie kommt man zu solchen Millionenbeträgen?

Mit vielen schlaflosen Nächten und harter Arbeit. Zuerst analysierten wir, wie grosse amerikanische und britische Fintechs vorgehen und wie sie sich finanzieren. Dann haben wir zahlreiche Finanzunternehmen gepitcht, in der Schweiz, in Deutschland, Grossbritannien und in den USA.

«Es gibt jetzt viel mehr Banken oder Investoren, die das Gespräch mit uns suchen»

Mit Barclays und M&G haben wir zwei Partner gefunden, die stark im europäischen Wirtschaftsraum verwurzelt sind. Fast ein halbes Jahr lang unterzogen sie Teylor einer Due Diligence. Kaum war diese abgeschlossen, prüfte uns die Unternehmensberatung PwC auf Herz und Nieren. Ausserdem haben wir unser komplettes Portfolio bis ins Detail modelliert. Dadurch haben wir gleich zwei entscheidende Ziele erreicht: Erstens natürlich das Closing des Fundraisings. Zweitens geniessen wir nun auch grosses Vertrauen im Markt, weil wir führende Finanzinstitute von der Robustheit unseres Portfolios und unserer Kreditprozesse überzeugen konnten.

Mit dieser Finanzierung ist Teylor schlagartig ins Rampenlicht getreten. Was hat sich dadurch verändert?

Natürlich hilft es, dass Barclays und M&G erstklassige Grossinvestoren sind. Es gibt jetzt viel mehr Banken oder Investoren, die das Gespräch mit uns suchen. Das öffnet uns einige Türen. Man merkt jetzt auch, dass wir nicht bloss ein Fintech-Startup mit einer guten PR-Abteilung sind, sondern ein überzeugendes und chancenreiches Geschäftsmodell haben.

Sind weitere Transaktionen dieser Art in Vorbereitung?

Im Moment nicht. Mit den eingesammelten Mitteln können wir die nächsten ein bis zwei Jahre arbeiten. Wir bereiten jetzt eine Eigenkapitalfinanzierung in der Grössenordnung von wahrscheinlich 15 bis 20 Millionen Euro vor. Ich hätte sehr gerne eine Schweizer Bank dabei. Das würde uns auch helfen, uns auf dem Schweizer Markt besser zu positionieren.

Wie gross schätzen Sie das Marktvolumen für KMU-Kredite ein?

Letztes Jahr wurden über unsere Plattform 170 Millionen Euro an Krediten unter der Marke Teylor finanziert. In diesem Jahr streben wir 300 Millionen an. Damit sind wir in unserem Bereich das grösste Fintech in Deutschland. Im Vergleich zu den grossen, traditionellen Wettbewerbern sind das allerdings noch immer kleine Volumen. Allein der deutsche KMU-Kreditmarkt hat ein Volumen von rund 100 Milliarden Euro pro Jahr, europaweit ist es ein Vielfaches. Und der Markt wächst jährlich um etwa 5 Prozent. Das eröffnet attraktive Wachstumschancen.

Stehen bereits Akquisitionen auf dem Plan?

Ja, Übernahmen sind ein Thema. Wenn wir möglichst schnell gross werden wollen, müssen wir ein gewisses Zeitfenster nutzen, um in Zukunft eine wirklich dominante Marktposition einnehmen zu können. Im Moment gibt es noch nicht so viele andere Fintechs in unserem Bereich, während die meisten Banken noch zurückhaltend sind.

«Ich stelle mir vor, dass wir in fünf Jahren in jedem europäischen Land aktiv sind und Kunden haben»

Eine Akquisition muss aber unter Ertrags- und Umsatzgesichtspunkten Sinn machen und zu unserer Strategie passen. Chancen ergeben sich auch durch die Zinswende, da die Refinanzierung für viele Fintechs schwieriger geworden ist.

An welchen Geschäftsfeldern wären Sie interessiert?

Ich könnte mir zum Beispiel vorstellen, ein Factoring-Unternehmen zu übernehmen. Das ist ein sehr profitables Geschäft und eine gute Ergänzung. Interessant sind auch Unternehmen, die im KMU-Kreditgeschäft tätig sind, aber andere Kundensegmente ansprechen als Teylor.

Wo soll Teylor in fünf Jahren stehen?

Unser Geschäftsmodell funktioniert, das haben wir in der DACH-Region bewiesen. Jetzt geht es um Skalierung. Wir haben die Chance, eine europaweit führende Kreditplattform zu werden. Ich stelle mir vor, dass wir in fünf Jahren in jedem europäischen Land aktiv sind und Kunden haben. Idealerweise sind wir dann auch schon an der Börse kotiert.

Ein Börsengang? In Deutschland oder in der Schweiz?

Am liebsten wäre mir ein IPO an der Wallstreet. Aber diese Pläne liegen noch in weiter Ferne. Generell denke ich, dass es in unserer Branche in der Schweiz wenig erfolgreiche Publikumsöffnungen gibt.

Nehmen wir an, wir treffen uns in einem Jahr wieder. Was wäre das Hauptthema unseres Gesprächs?

Meine Hoffnung ist, dass ich sagen kann, wir haben es geschafft. Wir haben die richtigen Leute für unsere Wachstumsstrategie eingestellt und sind in zehn Ländern unterwegs. Ich denke, das ist der nächste grosse Schritt für uns.


Patrick Stäuble ist Gründer und CEO der Schweizer Kreditplattform Teylor. Das 2018 lancierte Zürcher Fintech-Startup ist auf die Kreditvergabe an kleine und mittelgrosse Unternehmen ausgerichtet. Der Jungunternehmer studierte an der Universität Zürich Volkswirtschaft und gründete in dieser Zeit sein erstes Unternehmen, das auf Übersetzungsdienste spezialisiert war. Seine Karriere im Finanzsektor startete der heute 31-Jährige beim Schweizer Fintech Numbrs, wo er zuletzt als Head of Business Development & Store tätig war.

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