Die Europäische Zentralbank pausiert beim Leitzins und hüllt sich in Schweigen zum Ausblick. Damit erteilt sie Markterwartungen auf bald fallende Zinsen einen kräftigen Dämpfer. Auch bei der Schweizerischen Nationalbank ist mit einer Geduldsprobe zu rechnen.

Dass Thomas Jordan ein Mensch ist, der voreilige Schlüsse und überhastete Entscheidungen vermeidet, ist bekannt. Diese Charaktereigenschaften gehören quasi zur Grundausstattung eines Notenbankpräsidenten der Schweizerischen Nationalbank (SNB), ja eigentlich eines jeden Zentralbankers.

Geduld ist in jenem Metier eine Tugend. Aber wenn sie in Zögerlichkeit und Unentschlossenheit umschlägt, wird sie zur Belastung. Und genau das scheint die Lehre gewesen zu sein, die Christine Lagarde (Bild unten) aus der Kritik an ihr im Jahr 2021 gezogen hat. Damals hatte man der EZB-Präsidentin angelastet, dass sie viel zu spät auf die steigende Inflation und die durch den Ukrainekrieg zusätzlich angeheizte Teuerung reagiert hat.

Zögerlichkeit wurde bestraft

Erst im Juni 2022 hatte Lagardes EZB die Zinswende nach oben eingeleitet und musste dann mit Riesenschritten der galoppierenden Preisentwicklung hinterherrennen.

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(Bild: Keystone)

Schon vorher war das Mass erreicht, bei dem der Geduldfaden des Geldpolitischen Rates der SNB und von Thomas Jordan riss. Mit einer überraschenden Erhöhung noch vor der EZB wurde hierzulande bereits im Mai 2022 das Ende der Tiefzinsphase eingeläutet.

Zielkonflikt zwischen Konjunktur und Inflation

Der Rat der europäischen Notenbanker unter EZB-Präsidentin Lagarde befindet sich derzeit einmal mehr in einem Zielkonflikt. Einerseits ist klar, dass man die Konjunktur mit zu lange zu hohen Zinsen abwürgen kann. Andererseits muss man glaubhaft beweisen, dass man es mit dem Ziel der Preisstabilität ernst meint und die Inflationsmarke von 2 Prozent nicht aufgegeben hat.

Die zuletzt deutlich gefallene Inflation im Euroraum gibt der Notenbank Spielraum für Zinssenkungen. Im Dezember lag sie noch bei 2,9 Prozent. Etwas mehr als ein Jahr zuvor, im Oktober 2022, hatte sie mit rund 10,6 Prozent den höchsten Wert seit Bestehen der Eurozone erreicht.

Klare Zeichen nötig

Doch trotz der besseren Zahlen erscheint es der EZB als zu früh, klare Signale für eine Zinssenkung zu geben. Man traut dem Braten noch nicht. Erst müssen die Daten belegen, dass auch aus den Zweitrundeneffekten kein erneutes Anfachen zu erwarten ist. Darum blicken die Notenbanker vor allem auch auf die Lohnentwicklung. Erst wenn auch von dieser Seite keine Gefahr droht, kann die Ampel für eine Zinssenkung auf grün springen.

Soweit ist es nun noch nicht: Neben der Bestätigung des Zinssatzes von 4,5 Prozent gab die EZB am (gestrigen) Donnerstag keinerlei Indikation über den Zeitpunkt der ersten Zinssenkung. Im EZB-Rat habe es «breites Einverständnis» gegeben, dass es «verfrüht ist, über Zinssenkungen zu sprechen», erklärte Lagarde dazu. Man werde sich weiterhin strikt an neuen Daten orientieren. «Wir sind nicht auf irgendeinen Kalender fixiert.»

Erst im Juni tiefer

Bis zur nächsten Sitzung am 7. März könnten neue Daten das Stimmungsbild ändern. Die Ökonomen rechnen mehrheitlich mit einem ersten Zinsschritt im Juni.

In der Schweiz ist der Fahrplan der geldpolitischen Entscheide weniger eng gestaffelt. Hierzulande steht die erste «Geldpolitische Lagebeurteilung» erst Ende März an.

Auch SNB-Präsident Jordan und seine Experten haben guten Grund sich in Geduld zu üben, oder zumindest zunächst die Makrodaten der ersten drei Monate 2024 genau zu analysieren, bevor sie auch nur beginnen, über Zinssenkungen nachdenken.

Mieten, Prämien

Im Dezember hatte sich die Inflation in der Schweiz auf 1,7 Prozent von 1,4 Prozent im November verstärkt. Und mit dem Jahresbeginn stehen mit den gestiegenen Strompreisen und der höheren Mehrwertsteuer weitere Treiber an. Auch wenn die höheren Krankenkassen-Prämien nicht in die Berechnung des Konsumentenpreis-Index' einfliessen, die gefühlte Inflation beeinflussen sie dennoch.

Wie sich aufgrund der hohen Nachfrage und der beiden Referenzzins-Anhebungen die steigenden Mieten auf das Preisniveau auswirken, ist auch noch nicht abschliessend klar.

Starker Franken hält Inflation draussen

Daneben muss die SNB auch weiter den Frankenkurs zum Dollar und zum Euro im Blick behalten. Die Frankenstärke hat wie ein Puffer für die importierte Inflation geführt, ist aber auch eine Belastung, vor allem für die Exportwirtschaft und das verarbeitende Gewerbe.

Die Frage ist nun, ob es diese «Brandmauer» noch braucht, nachdem der Teuerungs-Druck von aussen deutlich zurückgegangen ist.

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