Zwischenfazit über «Helvetia III», ein Schweizer Experiment mit digitalem Zentralbankgeld: Was versprechen sich internationale Notenbanker von der Technologie? Und was fürchten sie daran?

Wie tiefgreifend werden die Umwälzungen im Finanzsystem durch Krypto-Technologien sein? Diese Frage schwebte am Montagabend über dem Saal des Zürcher Restaurants Metropol, direkt gegenüber dem Gebäude der Schweizerischen Nationalbank (SNB).

Die Veranstaltung trug den eher unauffälligen Titel «Towards the future monetary system» – auf dem Weg zum zukünftigen Geldsystem. Allerdings war der öffentliche und per Videostream übertragene Anlass in mehrfacher Hinsicht ein Ereignis.

Versuchsballon

Zum einen analysierte Thomas Jordan, der scheidende Präsident der SNB, die bisherigen Erfahrungen mit Helvetia III, dem Versuchsballon der SNB zur Ausgabe digitalen Notenbank-Geldes an Geschäftsbanken, den auch finews.ch bereits vorgestellt hat.

Zum anderen gewährten führende Köpfe von Notenbanken und internationalen Finanzinstitutionen interessante Einblicke in ihre Überlegungen und technologischen Laboratorien in Sachen digitale Währungen.

Experten von IWF, Weltbank und BIZ

So holte die SNB führende Krypto-Analytiker der Bank of England (BoE), der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds (IWF) an ihren Anlass nach Zürich.

In seinem Input-Referat zu Helvetia III stellte der SNB-Präsident fest, mit der Ausgabe von digitalem Zentralbank-Geld bei der Platzierung von digitalen Obligationen der Kantone Basel-Stadt und Zürich sowie der Städte St. Gallen und Lugano sei die Nationalbank «weltweit die erste Zentralbank, die Notenbank-Geld in tokenisierter Form über eine regulierte Finanz-Infrastruktur einer Drittpartei herausgibt».

«Tokenisiertes Zentralbank-Geld»

Der Pilotversuch sei epochal: «Er stellt tokenisiertes Zentralbank-Geld für das Settling privatwirtschaftlicher Transaktionen auf derselben Drittparteien-Plattform zur Verfügung, auf der auch die tokenisierten Assets gehalten werden.»

Weiter führte Jordan aus, dass im herkömmlichen Finanzsystem zwei Arten von Geld existieren, die jederzeit ineinander umgetauscht werden können: Erstens, Zentralbank-Geld in Form von Münzen, Noten und Sichteinlagen der Geschäftsbanken bei der Notenbank. Und zweitens, Geschäftsbanken-Geld, also die Einlagen der Kunden bei den Geschäftsbanken.

Jede Überweisung wird auf der Zentralbankbilanz nachvollzogen

Überweist ein Bankkunde Geld auf das Konto einer anderen Bank, so läuft diese Transaktion in der Schweiz über das Interbank-Zahlungssystem SIC der SIX, wird aber «endgültig gesettled über einen Transfer von Zentralbank-Geld zwischen den Sichtguthaben der Geschäftsbanken auf der Bilanz einer Zentralbank», so der SNB-Präsident.

Bei Helvetia III habe die SNB den Finanzinstituten nun erstmals digitales Zentralbank-Geld auf Krypto-Basis zur Verfügung gestellt, mit dem sie untereinander den Handel der besprochenen Obligationen final settlen konnten.

Aus SIC mach SDX

An die Stelle des Interbank-Zahlungssystems der SIX aus der traditionellen Welt, das heisst des Swiss Interbank Clearing (SIC), trat dabei die SIX Digital Exchange (SDX), eine «regulierte Handels- und Settlement-Plattform für digitale Assets», wie Jordan ausführte, welche ebenfalls von der SIX betrieben wird.

Jordans Fazit aus dem Pilotversuch: Es sei zwar noch zu früh, um ein definitives Fazit zu ziehen, aber erste Erfahrungen mit dem «Projekt Helvetia III zeigen, dass Wholesale CBDC (Central Bank Digital Currency; Anm.d. Red.) tatsächlich einen Mechanismus bereitstellt, mit dem die Vorteile eines Settlements via Zentralbank-Geld in einer tokenisierten Welt bewahrt werden».

«Ökonomisch und rechtlich gleichwertig»

Das digitale Zentralbanken-Geld könne «auf der Plattform einer Drittpartei herausgegeben und dafür genutzt werden, tokenisierte Assets sicher und effizient zu settlen». Und es sei «ökonomisch und rechtlich gleichwertig zu den Sichteinlagen auf unserer Bilanz».

Ferner habe man gesehen, dass die Banken, die Betreiber der Zahlungsinfrastruktur und die SNB in der Lage seien, die neue Technologie «in ihren internen Prozessen» abzubilden. Und die SNB könne «auf der SDX über technische Wege und vertragliche Vereinbarungen die Kontrolle behalten über die Herausgabe von Wholsale-CBDC».

Abgrenzung zu «Retail»

Eine scharfe Abgrenzung zog der SNB-Präsident zu Formen des, wie er es nannte, «Retail-CBDC», also digitales Zentralbankgeld auf Kryptobasis, das die Notenbank den Endanwendern direkt zur Verfügung stellt. Die SNB sehe «in der Schweiz keinen Bedarf für solch digitales Zentralbank-Geld für die breite Öffentlichkeit».

Mit solchen Formen liebäugeln die Zentralbanken von China, England und der Eurozone. Laut Jordan könnte digitales Zentralbankgeld für Private «das bestehende Geldsystem fundamental verändern, wie auch die Rolle von Zentral- und Geschäftsbanken, was weitreichende Konsequenzen für das Finanzsystem hätte».

Kein Bedarf in der Schweiz

Insbesondere mit der derzeit laufenden Modernisierung des SIC-Zahlungssystems in Richtung Instant-Payments (finews.ch berichtete) hätten die Schweizer Konsumenten auch ohne Krypto «über den Privatsektor Zugang zu einer breiten Palette an effizienten und innovativen Zahlungsinstrumenten».

Diesem Update des von der Nationalbank und den Geschäftsbanken im Rahmen der SIX betriebenen SIC-Systems liege aber durchaus die Idee zugrunde, «die Rolle des Zentralbank-Geldes bei Retail-Zahlungen zu stärken».

Hochkarätiges Panel

Die Rolle der Zentralbanken stärken? Diese Abschlussworte von Thomas Jordan spannten den Bogen auf für das nachfolgende Podium mit Jorge Familiar, Vice President und Schatzmeister (Treasurer) der Weltbank, Sarah Breeden, Vizegouverneurin für Finanzstabilität bei der Bank of England, Hyun Song Shin, Forschungschef bei der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich sowie Dong He, Vizedirektor im Departement für Geld- und Kapitalmärkte beim IWF.

Moderiert wurde die Diskussion von Antoine Martin, dem frischgebackenen Vorsteher des Departements III im Direktorium der SNB, der am 1. Januar 2024 die Nachfolge von Andréa Mächler angetreten hat. Der promovierte Ökonom, ursprünglich aus dem Waadtland stammend, blickt auf langjährige berufliche Stationen bei der Federal Reserve Bank of Kansas City und bei der Federal Reserve Bank of New York zurück.

Lagarde: «Was ist Bitcoin?»

Die Vertreter von IWF, BIZ und Weltbank identifizierten verschiedene Zeitpunkte, an denen sie auf das Thema Krypto aufmerksam wurden. Beim IWF, so Hyun Song Shin, sei es bereits 2014 oder 2015 gewesen, als die damalige Managing Director Christine Lagarde ihre Mitarbeiter fragte: «Was ist Bitcoin? Wie funktioniert er?»

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