Der Versicherer von Morgen wird ein Tech-Unternehmen sein, das Versicherungen verkauft: Zu diesem Schluss gelangt die Beratungsfirma EY in einer neuen Studie. Das verlangt der Schweizer Assekuranz einiges ab.

Die Schweizer Assekuranz hat viel Besitzstand zu wahren. Nicht weniger als 50’000 Beschäftigte in der Erst- und Rückversicherung verhelfen der hiesigen Branche auf den dritten Platz weltweit. Für den Standort sind die Versicherer nicht nur als Dienstleister, Arbeitgeber und Steuerzahler entscheidend, sondern auch solide Dividendenzahler, als Kraft am Immobilienmarkt und in der beruflichen Vorsorge.

Das alles ist in Gefahr, glaubt man der Beratungsfirma EY Schweiz. Schon vor zwei Jahren kamen ihre Experten zum Schluss, dass bis 2020 im schlimmsten Fall 70 Prozent der derzeitigen Schweizer Anbieter aus dem Markt gedrängt werden. Dies, wenn sie ihre Geschäftsstrategien und -modelle nicht überdenken und innovativer werden. In einer Folgestudie zeigen dieselben Autoren nun auf, wie diesem Szenario zu begegnen ist.

Viel optimistischer sind sie seit 2016 nicht geworden. Die Disruption sei auch im Versicherungswesen nicht aufzuhalten, glauben sie. Die Frage sei allein, ob man ihr zum Opfer fallen wolle.

Im Land der Mythen

Dabei attestieren sie den Schweizer Playern durchaus, die Gefahr erkannt zu haben. Die etablierten Anbieter hätten begonnen, sich mit Themen wie Kundenorientierung, Digitalisierung und Innovation zu befassen. Das Problem: Die Haltung der Firmen sei zu defensiv, um langfristig Erfolg zu zeitigen.

In der Heimat von Wilhelm Tell hängen demnach auch die Versicherer noch Mythen nach. So stelle die Branche zwar den Kunden ins Zentrum – ohne diesem aber wirklich die Wahl zu lassen. Man begrüsst die Innovation, tastet dabei aber das Kerngeschäft nicht an. Dabei ist es dieses, dass am dringlichsten verändert werden müsste. Und: Multis umarmen agile Insurtechs, um von diesen zu lernen. Stattdessen lautet die eigentliche Lektion, selber so schnell wie möglich zum Insurtech zu werden.

Worum es im Kern geht

Bezeichnend dafür ist laut den Studienautoren, dass die hiesige Assekuranz schon viel Effort in neuartige Produkte und Dienste steckte, aber erst seit wenigen Monaten in digitale Ökosysteme und in die interne Transformation investiert (siehe Grafik unten).

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Ganz im Kern geht es laut EY aber darum, dass die Versicherer ihre Kunden verstehen lernen und ihnen Dienste anbieten, die diese auch wirklich wollen. Die Studie empfiehlt dazu den Kadern der Branche, von ihren Pültchen aufzustehen und sich vorne bei der Kundenfront zum Anschauungsunterricht zu melden. Folgt man dem Report, würde es allenfalls auch ein freier Tag zuhause mit einigen digitalen Gadgets tun. Denn die Berater sind sich sicher, dass die Versicherungsbranche gerade von der Unterhaltungsindustrie einiges lernen könnte.

  • Vom Musik-Streaming-Dienst Spotify die Einfachheit: Versicherungsprodukte sind laut EY weiterhin viel zu komplex und die Angebote nur schwer auffindbar vergleichbar. Künftig müssen Versicherer ihr Angebot nach den digital ermittelten Bedürfnissen und Vorlieben zusammenstellen – wie der Streaming-Dienst aus Millionen von Songs die persönlichen Hits herauspickt.
  • Von Logistikern wie DHL und der Schweizer Post die Transparenz: Nach welchen Kriterien Versicherer Schäden übernehmen und welche Prämien sie einfordern, erscheint den meisten Kunden als Blackbox. Wie der Transportweg eines Pakets müssten auch der Weg vom Schaden zur Schadenzahlung transparent aufgezeigt werden, so der Report.
  • Von Netflix die Relevanz: Der Film-Streaming-Dienst ist Meister darin, den Nutzern Streifen schmackhaft zu machen, welche diese noch gar nicht kennen. Davon kann die Assekuranz nur lernen. Sie muss rund um ein Thema wie etwa Gesundheit Angebote präsentieren, welche den individuellen Bedürfnissen der Kunden entsprechen, fordert EY.
  • Von den Retailern Migros und Coop die Realtime-Abwicklung: Die Erfahrungen im Self-Checkout mögen gemischt sein. Vom Versprechen, eine Transaktion für den Kunden möglichst einach zu gestalten, könnten jedoch auch Versicherer profitieren, glauben die Autoren. Versicherung per Knopfdruck ist in der Branche meist noch Zukunftsmusik.

Allerdings, schliesst der Report, müsse sich nicht nur das Angebot verändern, sondern auch die Angestellten, welche die neuen Dienste zu den Kunden tragen. So wird nach Vision der Autoren die IT das gesamte Geschäft durchdringen – Informatiker und Agenten müssen künftig Hand in Hand arbeiten.

Agile Coachs und Dinosaurier

In den Teams an der Front werden sich zudem Stellenbezeichnung wie Agile Coach, Data Scientist oder Customer Experience Designer öfters vorfinden. Gleichzeitig müssen die Neuerer auf die altgedienten Mitarbeiter im Kerngeschäft achtgeben. Wenn diese sich als zum Aussterben verdammte Dinosaurier zu fühlen beginnen, dann ist der Widerstand gegen jegliche Innovation vorprogrammiert.

Und damit würden die Schweizer Versicherer wohl definitiv nicht aus der Defensive finden.

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