Michael Lewis beleuchtet den spektakulären Aufstieg und Fall des FTX-Gründers Sam Bankman-Fried in seinem neuen Buch «Going Infinite». Doch der Starautor kann nicht an frühere Glanzleistungen anknüpfen.

In New York läuft der Prozess gegen Sam Bankman-Fried (SBF, Bild unten), dem Gründer und ehemaligen CEO der inzwischen insolventen Kryptobörse FTX. Insider packen nun vor Gericht allerhand Unappetitliches über den Milliardenskandal und die Verstrickungen des Hedgefonds Alameda Research mit der Handelsplattform aus.

Mit ihren Aussagen belasten sie das einstige Wunderkind der Kryptobranche schwer, wie auch finews.ch berichtete. Der rasante Aufstieg und die spektakuläre Abwärtsspirale des SBF-Imperiums bietet Stoff für einen hochspannenden Krimi oder einen Kassenschlager aus Hollywood.

Ganz nach dem Geschmack von Michael Lewis, Autor von Bestsellern wie «Liar's Poker», «The Big Short» und «Flash Boys», der mit seinen Erzählungen über die Machenschaften im Finanzmekka Wall Street bereits weltweit ein Millionenpublikum begeistert.

Perfektes Timing

Lewis ist bekannt dafür, dass er seinen Leserinnen und Lesern Geschichten mit so viel Tiefgang und Emotionen liefert, dass seine Bücher die Sicht der breiten Öffentlichkeit auf die Finanzindustrie geprägt haben. Mit der Veröffentlichung seines neuen Buches hätte der Autor allerdings vielleicht noch etwas warten sollen.

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Sam Bankman-Fried bei einem Gerichtstermin in New Nork im Juni (Bild: Keystone)

«Going Infinite: The Rise and Fall of a New Tycoon» erschien am 3. Oktober 2023 – zeitgleich mit dem Beginn des Prozesses gegen SBF wegen Verschwörung, Betrug und Geldwäsche. Es handelt vom epischen Zusammenbruch der Kryptobörse und ihrem rätselhaften, obskuren Gründer. Der Sohn zweier Stanford-Juraprofessoren galt einst als reichster Mensch der Welt unter 30.

Logenplatz auf den Bahamas

Bereits im August 2022 hatte Lewis angedeutet, dass eine aussergewöhnliche Krypto-Persönlichkeit der Protagonist seines neuesten Buchprojekts sein würde, verriet damals aber noch nicht mehr.

In den Monaten vor dem Desaster sass Lewis auf Einladung von SBF sozusagen in der ersten Reihe. Acht Monate lang hatte er teilweise das chaotische SBF-Imperium aus nächster Nähe beobachtet, unter anderem in den Dschungelhütten auf den Bahamas, von wo aus der in Ungnade gefallene Wuschelkopf FTX steuerte.

Doch die Rezensionen in führenden US-Medien fallen nicht berauschend aus, für einen vermeintlichen «Lewis-Knüller» mehrheitlich enttäuschend. Kritiker werfen dem Starautor unter anderem vor, er habe den einstigen Goldjungen der Kryptoindustrie zu wohlwollend dargestellt, sich einlullen lassen. «Going Infinite» lasse auch die feineren Finanzanalysen seiner früheren Bücher vermissen.

Verzerrtes Werk

«Lewis hat ein verrücktes und verzerrtes Werk veröffentlicht, das seinen überragenden literarischen Ruf zu untergraben droht», heisst es im US-Magazin «Fortune». Die «Washington Post» kritisiert unter anderem die Nähe zu SBF und meint zugleich, er habe «die Nuancen von Krypto nicht verstanden».

Die «New York Times» stellt nüchtern fest, das Buch knüpfe nicht an seine bisherige Erfolgsformel an. Und die «Los Angeles Times» meint, mehr redaktionelle Arbeit hätte dem Buch gut getan.

Versuch, Donald Trump zu bestechen

Auch wenn das Buch nicht an frühere Glanzerfolge anknüpfen kann, so enthüllt Lewis doch viele weitgehend unbekannte Details über den Fall FTX. Dazu gehört zum Beispiel, dass Bankman-Fried offenbar bereit war, Donald Trump zu bestechen, damit dieser nicht erneut für das Amt des US-Präsidenten kandidiert.

Neben solchen Anekdoten enthält «Going Infinite» auch bisher unveröffentlichte Details über die Vorgänge bei FTX, die vor allem bei Krypto-Fans auf grosses Interesse stossen dürften.