Reiche vertrauen ihren Finanzberatern überraschend stark. Aber der digitale Kontakt ist ihnen bald wichtiger als die persönliche Beziehung. Neue Befunde von HNWI-Kunden bieten konkrete Tipps für die Finanzbranche. 

Der «World Wealth Report» von Capgemini und der Royal Bank of Canada ist – neben dem «Gobal Wealth Report» von Boston Consulting – der wichtigste Indikator zur Entwicklung der Reichen in der Welt.
Dabei wird untersucht, wieviele HNWI (mit mindestens 1 Million Dollar an verfügbarem Anlagevermögen) sowie UHNWI (ab 30 Millionen Dollar) es in insgesamt 71 Ländern gibt.

Der Report ist gestern wieder erschienen und wurde weitherum zitiert als weiterer Beleg dafür, dass die Reichen immer reicher werden et cetera. Die Autoren befragten aber auch eine grosse Auswahl von 4'400 reichen Menschen nach diversen Haltungen und Einstellungen. Wir haben die interessantesten Aussagen der HNWI in Europa herausgesucht:

Vertrauen in ihre Finanzberater. 71 Prozent der befragten HNWI haben Vertrauen in ihren Kundenberater, und gleich viel – 72 Prozent – vertrauen in ihre Haupt-Vermögensverwaltungsfirma. Dies ist umso bemerkenswerter, als deutlich weniger in die Regulatoren und Finanzmarkt-Überwacher vertrauen; hier liegt die Quote bei 48 Prozent.


 

rbc capgemini trust


Bessere Stimmung. Insgesamt ist die Stimmung unter den europäischen Wohlhabenden recht zuversichtlich. 74 Prozent glauben, dass sie in den nächsten 12 Monaten ihr Vermögen vergrössern können. Gegenüber dem Vorjahr ist dieser Anteil leicht gestiegen (um 1,5 Prozent).

Cash bleibt King. Wie sie das schaffen wollen? Offenbar weiterhin mit grossen Cash-Positionen … Denn mit 24 Prozent Anteil am durchschnittlichen Portfolio bildeten die Barbestände immer noch den grössten Anteil. Fast ebenso populär im Durchschnitts-Portfolio des europäischen HNWI sind Aktien und Immobilien (jeweils gut 23 Prozent). Zinspapiere erreichen 16 Prozent – und Alternative Anlagen spielen mit 14 Prozent eine Arrondierungsrolle.

Zulegen oder bewahren? Recht ausgeglichen sind die grundsätzlichen Ziele, welche die Reichen an ihre Vermögensverwalter beziehungsweise an ihr Geld stellen: 49 Prozent finden Wachstum eher wichtig – während für knapp 51 Prozent die Bewahrung ihres Vermögens im Zentrum steht.

Vorsicht bei Inhouse-Produkten. Die Umfrage ergibt ferner eine gewisse Skepsis gegenüber Inhouse-Produkten ihrer Berater: Rund 47 Prozent der befragten Millionäre fühlen sich «uncomfortable» mit solchen Angeboten.

Es geht auch ohne Beratung. Insgesamt agieren die Vermögenden in Europa recht unabhängig von der Finanzindustrie: Satte 52 Prozent sagten aus, dass sie in Finanzfragen keine oder kaum professionelle Beratung suchen. Diese Quote lag vergleichsweise hoch – weltweit befanden nur 43 Prozent der Befragten, dass sie auf Finanzberatung eher verzichten.

Digital ist genauso gut. Der direkte Kontakt mit den Bankberatern verliert offenbar an Bedeutung: Jeweils 50 Prozent sagten, für sie sei eher der digitale Kontakt respektive eher der direkte Kontakt wichtig. Wie die Studienautoren bemerken, nahm der Anteil der «Digital-Kunden» in den letzten Jahren zu.

Insgesamt erwarten etwa zwei Drittel der HNWI, dass sie alle oder fast alle ihrer Wealth-Management-Beziehungen in fünf Jahren digital pflegen werden.

Kurz: Der «World Wealth Report» lässt ahnen, dass wir wirklich an einem Wendepunkt sind. Bereits jetzt sagen etwas mehr als die Hälfte der Befragten (57 Prozent), dass sie ihre Bank wohl wechseln würden, wenn sie dort keine integrierten Digital-Kanäle vorfinden würden.

Selbst die Reichsten – also Menschen mit mehr als 20 Millionen an investierbarem Vermögen – gehen davon aus, dass künftig die Beziehung zum Wealth Manager digital sein werde. Und selbst von jenen Befragten, denen eine persönliche Beratung wichtig ist, erwartet eine Mehrheit (57 Prozent), dass diese Beziehung zuerst einmal digital sein wird.