Das Patt in der italienischen Politik bringt die EU unter Zugzwang. Sie könnte auf Jahre hinaus gezwungen sein, Anleihen zu kaufen, um dadurch den Euro und die Wirtschaft zu stützen.

Von Edi Aumiller, Country Head Switzerland, Legg Mason

Die italienische Politik spielte Anfang 2018 neben anderen prominenteren Themen eher eine Nebenrolle. Nun kehrt sie definitiv ins Rampenlicht zurück: Der italienische Präsident Sergio Mattarella lehnte es ab, dem stark euroskeptischen Kabinett – vorgeschlagen vom designierten Premierminister Giuseppe Conte – seine Zustimmung zu geben. Die Entscheidung Mattarellas zeigt, dass der Widerstand dieser Koalition gegen die EU ernst zu nehmen ist – ernst genug, um sie von der Regierung des Landes auszuschliessen.

Vielleicht war es diese Einschätzung, die die Obligationenmärkte in einem Ausmass erschreckte, wie es seit Jahren nicht mehr der Fall war. Sie liess die Bruttorenditen für die zweijährigen Staatsanleihen Italiens von einem Tiefststand am 4. Mai von Minus 0,331 Prozent am 29. Mai auf ein Plus von 2,826 Prozent steigen.

Bruttorendite der 2-jährigen Italienische Staatsanleihen

Bruttorendite der 2-jährigen Italienische Staatsanleihen 1

Für diese plötzliche Reaktion an den Finanzmärkten gibt es unterschiedliche Erklärungsversuche. Das ist interessant, wenn man bedenkt, dass die Positionen des vorgeschlagenen Kabinetts lange im Voraus bekannt waren. Eine plausible Erklärung für die Heftigkeit der Reaktion beruht auf der lang erwarteten Abkehr der Europäischen Zentralbank (EZB) von ihrem derzeitigen quantitativen Lockerungsprogramm.

Wenn der Finanzhaushalt Italiens tatsächlich anfällig ist, könnte die EZB auf Jahre hinaus gezwungen sein, Anleihen zu kaufen, um dadurch den Euro und die europäische Wirtschaft zu stützen. Darüber hinaus könnte die Grösse eines möglichen Rettungspakets für Italien die bereits sehr teure, mehrjährige Rettungsaktion für Griechenland in den Schatten stellen. Italien stellt eine der grössten Volkswirtschaften Europas dar. Da bleibt nur eine Gewissheit: Die italienische Politik ist jederzeit fähig, überraschende Ergebnisse zu produzieren.

Der Dollar im Aufschwung – schon wieder

Die Auswirkungen der politischen Herausforderungen in Italien in dieser Woche manivestierten sich ebenfalls an den Währungsmärkten: Der Dollar stieg zwischen dem 24. und 30. Mai auf handelsgewichteter Basis um rund 66 Basispunkte. Ein Euro war nach dem Dollaranstieg am 30. Mai 1,1532 Dollar wert; das britische Pfund 1,3252 Dollar. Entsprechend der Schwäche des Euro erreichte das Pfund 1,1490 Euro nach 1,1370 Euro am 28. Mai.

Renditen der US-Treasuries deutlich im Abschwung

Der Rückgang der Renditen bei US-Staatsanleihen – über die gesamte Kurve hinweg, von den Zweijährigen bis zu den Dreissigjährigen – erhärtet die Annahme, dass Treasuries die Nutzniesser einer globalen Flucht in sichere Häfen sind. Auch die Nachricht, wonach die jüngste Auktion zweijähriger Papiere auf eine unerwartet starke Nachfrage stiess, unterstützte diese Idee.

Letztlich spielte die starke Nachfrage dem US-Finanzministerium in die Karten und zwar auf Kosten der Käufer, die auf einen stärkeren Preisabschlag und damit auf eine höhere Rendite gehofft haben.

Rendite 10-jähriger US-Staatsanleihen: Tagesveränderung (in Basispunkten)

Rendite 10-jähriger US-Staatsanleihen: Tagesveränderung (in Basispunkten) 2
Brexit-Abstimmung, 24.6.2016: -18,5935
Auflösung Regierungskoalition Italiens, 29.5.2018: -15,0383

Die Renditen selbst zeigen jedoch nicht das ganze Bild. Die täglichen Veränderungen der Renditen der 10-jährigen US-Staatsanleihen verdeutlichen das Drama an den Finanzmärkten.

Der Renditerückgang von 15 Basispunkten, zuletzt am 17. Mai in der Nähe von 3,11 Prozent, war der grösste eintägige Renditerückgang seit dem 14. Juni 2016 – dem Tag des überraschenden Ausgangs des Brexit-Referendums.


1 Quelle: Bloomberg; 18. Mai 2018. Die vergangene Wertentwicklung stellt keine Garantie für zukünftige Ergebnisse dar. Indizes sind nicht aktiv gesteuert und stehen nicht für Direktinvestitionen zur Verfügung. Index-Renditen enthalten keine Gebühren oder Ausgabeaufschläge. Diese Informationen dienen nur zur Veranschaulichung und spiegeln nicht die Performance einer tatsächlichen Anlage wider. Quelle: Bloomberg; 29. Mai 2018