Die Zeit ist reif, dass ESG den Bereich der «Kunst» verlässt und in die Wissenschaft übergeht, finden die Experten von Alpha FMC.

Thomas Schär, Senior Consultant, und Imen Hassayoun, Consultant, Alpha FMC

Noch vor wenigen Jahren wurde ESG – E steht für Environmental, S für Social, G für Governance – hauptsächlich von Spezialisten als Selektionsmethode angewandt. Heute hingegen ist die Anwendung von ESG-Kriterien ein zentraler Bestandteil der modernen Vermögensverwaltung.

Die Popularität insbesondere bei Vermögensverwaltern und im Top-Management hat verschiedene Gründe. Folgende Faktoren konnten wir beobachten:

  • Als Folge der eigens bestimmten ESG-Anforderungen steigt die Wichtigkeit von ESG bei Pensionskassen, Staatsfonds und anderen institutionellen Anlegern
  • Die Nachfrage bei vermögenden Investoren und Kleinanlegern nach nachhaltigen und ESG-konformen Investitionen nimmt rasch zu
  • Neue aktive und passive ESG-Strategien konnten erfolgreich grosse Geldzuflüsse erzielen
  • Studien von Universitäten, Nichtregierungsorganisationen und Finanzinstituten haben hervorgehoben, dass Unternehmen mit einem hohen ESG-Rating oft besser performen als jene mit niedrigem Rating. Ähnlichen Studien zufolge erfahren Unternehmen einen Auftrieb, wenn sich ihr ESG-Rating verbessert
  • COP 21 (die 21. UN-Klimakonferenz), die nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen und diverse Regierungen erklären Umweltkatastrophen und Klimawandel zur Priorität und setzen so den Impuls für nachhaltiges Handeln

Wir konnten beobachten, dass ESG infolgedessen nicht mehr nur von spezialisierten ESG-Teams berücksichtigt wird, sondern sich nunmehr als integrativer Bestandteil von Portfoliomanagement-Strategien und Analysen etabliert hat. Viele CEOs und CIOs treiben eine Veränderung ihrer Organisationsstruktur aktiv voran, so dass ESG zentral in ihr Kerngeschäft eingebunden wird.

Irreführende Anlageversprechen

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(Thomas Schär, Senior Consultant bei Alpha FMC)

Wir gehen davon aus, dass Regulierungsbehörden und NGOs ESG in den nächsten Jahren verständlich und zum Nutzen der gesamten Industrie definieren werden. Durch eine einheitliche Klassifikation könnten Vermögensverwalter, Fondsselektoren und weitere Parteien den Anlegern die Tragweite und die Auswirkungen von ESG auf ihre Anlagen besser und einfacher erklären.

Mit einem transparenten und einheitlichen Ansatz bei der Titelauswahl werden Anleger nicht länger durch irreführende Anlageversprechen («Greenwashing») verunsichert oder getäuscht.

Als grosse Herausforderung sehen wir die Erhöhung der Transparenz zum Beispiel im Bereich ESG-Reporting, ohne Vervielfältigung bestehender behördlichen Auflagen (etwa AIFMD, EMIR, MiFID II). Die Regulierungs- und Aufsichtsbehörden müssen sich miteinander absprechen, um einheitliche, transparente und klare Rahmbedingungen zu schaffen.

Bessere Verarbeitungsmethoden

Zusätzlich zur uneinheitlichen Klassifikation müssen sich Vermögensverwalter heute mit einer Flut an Daten auseinandersetzten. Um diese Datenflut zu bewältigen, sind bessere Verarbeitungsmethoden und «Architekturen» notwendig.

Wenn ein Anleger respektive ein Anlageausschuss ein ESG-Screening anwendet, nutzt er gegebenenfalls nur eine einzige Methode oder Indexberechnungsart. Entsprechend müssen ESG-Massstäbe und Methoden gut untersucht und stabil sein, um Effizienz zu gewährleisten.

Kurzum: Wir sind überzeugt, dass die Zeit reif ist, und ESG den Bereich der Kunst verlässt und in die Wissenschaft übergeht.