Da immer mehr Asset Manager und Investoren ESG-Ziele anstreben, wird es zunehmend wichtiger, sich auf Daten zu verlassen, um Entscheidungen zu treffen und diese den Stakeholdern nachvollziehbar zu vermitteln.

Von Paul Fahey, Head of Investment Data Science, Americas, Northern Trust und Christine Tremmel, Senior Relationship Manager, Global Fund Services, Northern Trust Switzerland

Über die gesamte Finanzindustrie hinweg hat sich die Zahl der Asset Manager, welche sich zur Anwendung von ESG-Mandaten (ESG: Environmental, Social, Governance) verpflichtet haben, spürbar zugenommen.

Laut einer von Northern Trust und WBR durchgeführten globalen Umfrage unter Asset Managern – sie wurde im zweiten Quartal 2022 unter dem Titel «Driving Growth in Asset Management: The Next Chapter» durchgeführt – planen 61 Prozent der Befragten die Einführung oder Erweiterung ihrer ESG-Aktivitäten.

Nachfrage nach Daten gestiegen

Da immer mehr Asset Manager und Investoren ESG-Ziele verfolgen, ist die Nachfrage nach Daten gestiegen. Transparenz und Verantwortlichkeit bilden die Grundlagen für ESG-Investitionen. Die Asset Manager fühlen sich unter Druck gesetzt – sei es aufgrund regionaler Vorschriften oder Forderungen seitens der Investoren –, um nachzuweisen, dass ihre Produkte tatsächlich grün sind und ihr Unternehmen kein «Greenwashing» betreibt.

Zwar gibt es heute eine Vielzahl von Anbietern für den Zugang zu ESG-Daten, doch fehlt es immer noch an gemeinsamen Standards zur Klärung, welche Datensätze erfasst werden, wie sie erfasst werden und wie man Erkenntnisse aus diesen Daten gewinnt und nutzt.

Sammeln und Analysieren als grosse Herausforderung

Dies geht aus der Studie «ESG's Imprint on Institutional Investing» hervor, die PwC Strategy und im Auftrag von Northern Trust im Jahr 2022 unter globalen institutionellen Anlegern durchgeführt hat. 89 Prozent der befragten Asset Manager und 78 Prozent der kontaktierten Asset Owner gaben an, dass das Sammeln und Analysieren von Daten eine der grössten Herausforderungen bei der Integration von ESG-Kriterien in den Anlageprozess darstellt.

Die ESG-Studie von Northern Trust bestätigt erneut den Bedarf an besseren Daten und Analysen für ESG-Investments. Auf die Frage nach dem grössten ESG-Bedarf für ihre Investment-Praxis nannten 76 Prozent der Asset Manager interne Berichte und Daten. Rund 40 Prozent der Asset Owner stimmten dem auch zu. 

Welche Signale unterstützen?

Ebenfalls von Belang waren gemäss Umfrage der Bedarf an analytischen Dienstleistungen (59 Prozent beziehungsweise 64 Prozent) und Datenlösungen (47 Prozent und 40 Prozent). Ohne einen gemeinsamen Industrie-Standard für die Analyse und Berichterstattung werde es für institutionelle Anleger immer schwieriger, Anlageansätze mit ESG-Kriterien zu implementieren.

Dies hat viele Fragen aufgeworfen. Wie können sie ihre kleinen Teams für Nachhaltigkeits-Investitionen intelligenter arbeiten lassen? Können sie auf Daten zugreifen, die sie für ihre Entscheidungen auf Portfolio-Ebene benötigen? Welche Signale können aus den Daten abgeleitet werden, die sie bei ihren Entscheidungen unterstützen?

Fünf Anwendungsfälle

Mit den richtigen Daten ausgestattet, werden die Teams für verantwortungsbewusstes Investieren wissen, wie sie diese nutzen können, um daraus verwertbare Erkenntnisse zu gewinnen. Manche Firmen entscheiden sich für eine Partnerschaft mit einem einzigen Datenanbieter, während andere die Arbeit intern leisten und Daten ganz gezielt direkt beziehen.

Unabhängig davon, für welches Datenverwaltungs-Modell sich ein Unternehmen entscheidet, ermöglicht eine korrekt umgesetzte Strategie institutionellen Anlegern die Nutzung der folgenden Anwendungsmöglichkeitens, um ihre ESG-Ziele zu erreichen.

• Screening: Das Screening von Wertpapieren nach ihrer Rendite ist wahrscheinlich die gängigste und einfachste Art der Nutzung von ESG-Daten, bei der bestimmte Faktoren eines Unternehmens analysiert werden, bevor entschieden wird, ob es für ein Portfolio geeignet ist.

Asset Manager sollten überdies sicherstellen, dass sie ihr Screening auch vertiefen und mehrere Wertpapiere untereinander vergleichen können, sodass sie alle Effekte verstehen – dies insbesondere bezogen auf die Segmente Umwelt, Soziales sowie Governance und über verschiedene Branchen hinweg.

Der Vergleich des ESG-Scores einer Kreditkartenfirma mit dem eines Unternehmens, das Elektroautos herstellt, mag auf den ersten Blick wie der Vergleich von Äpfeln und Birnen wirken. Es liegt auf der Hand, dass die Umweltfaktoren des Autokonzerns stärker in die Bewertung einfliessen als die eines Kreditkartenunternehmens, bei welchem hingegen wohl die sozialen Elemente stärker gewichtet werden.

Die richtige Datenlösung sollte es den Investoren ermöglichen, diese verschiedenen Faktoren auf gleicher Ebene zu analysieren, um zu verstehen, welches Unternehmen sich wirklich besser für ein Portfolio eignet.

• Risiko- und Performance-Treiber verstehen: Indem Asset Owner ihre ESG-Ziele zu definieren beginnen und die Investitionen mit diesen vergleichen, müssen sie verstehen, wie die Entscheidungen der beauftragten Asset Manager damit Einklang finden.

Asset Manager werden auch weiterhin von Investoren unter Druck gesetzt, welche eine massgeschneiderte ESG-Berichterstattung zu bestimmten Anlageaspekten und -überlegungen verlangen. Ein Investor mag beispielsweise besonderes Augenmerk auf das Gleichstellungsrisiko legen, während ein anderer sich vor allem um das Kohlenstoff-Emissionsrisiko kümmert.

Um das Vertrauen der Anleger zu gewinnen und ihre Bedenken bezüglich «Greenwashing» zu zerstreuen, wird es entscheidend sein, schnell bedarfsgerecht aufbereitete Darstellungen zu verschiedenen Beständen erstellen zu können.

• Portfolio-Optimierung und -Simulation: Wenn Asset Manager und selbstverwaltende Asset Owner neue ESG-Schwerpunkte in ihre Strategien einbringen, ist es von entscheidender Bedeutung, dass sie verstehen, wie sich eine Transaktion auf das Portfolio auswirkt – und zwar bevor eine Kauf- oder Verkaufsinstruktion erteilt wird.

Unternehmen sollten sich um Tools und Datenquellen bemühen, welche Änderungen an ihrem Portfolio simulieren können. Dadurch erhöht sich auch das Verständnis, wie sich Wertschriften-Transaktionen auf den ESG-Score eines Portefeuilles auswirken.

• Veränderungen innerhalb bestimmter Beteiligungen nachverfolgen: Asset Manager und selbstverwaltende Asset Owner, die sich an einem Emittenten beteiligen und dadurch hoffen, dass das entsprechende Wertpapier nicht nur im Preis steigt, sondern sich die Firma insgesamt in Bezug auf ESG-Kriterien verbessert, sollten auf relevante ESG-Kennzahlen zugreifen können, um Veränderungen im Zeitverlauf verfolgen zu können.

Dadurch besteht die Möglichkeit, die Unternehmensführung für die Einhaltung von ESG-bezogenen Versprechen, welche an die Stakeholder abgegeben wurden, verantwortlich zu machen.

• Reporting und Benchmarking: Eine Nachbetrachtung von ESG-Investitionen hilft Investoren, ihre ESG-Ziele und die Fortschritte im Zeitverlauf aus der Vogelperspektive zu betrachten. Ein guter Ansatz zur Berichterstattung kann sowohl die Beiträge an die Rendite als auch an die E-, S- und G-Scores aufzeigen.

Natürlich sollte er auch eine Gesamtbewertung ermöglichen und die relative Performance jedes ESG-Scores über die Zeit verfolgen können. Dadurch lässt sich letztlich die Effizienz von Allokationen mit hoher oder niedriger ESG-Bewertung messen.

Zwischentitel setzen wo nötig

Mit dieser modernen Art von Gesamtüberblick können Investitionsentscheidungen so angepasst werden, dass sie den gesetzten Zielen immer näher kommen. Um mit den vielen Anforderungen, welche mit der zunehmenden Bedeutung von ESG einhergehen, Schritt halten zu können, wird es elementar sein, sich nicht nur auf Daten zu stützen, um Entscheidungen zu treffen, sondern diese auch nachvollziehbar den Stakeholdern zu vermitteln.

Da die ESG-Mandate weiter an Bedeutung gewinnen, werden sich wahrscheinlich regulatorische Rahmenbedingungen bilden. Jene Investoren, welche sich frühzeitig über die Art der Nutzung von ESG-Daten Gedanken machen, werden der Zeit voraus sein. Die richtigen Lösungen können ihnen dabei helfen, dieses Ziel zu erreichen.