Ist Ihre Arbeit der Grund für enormen Stress und Anspannung? Gesundheitscoach und Bankerin Patricia Ordody beschreibt auf finews.ch, wie Sie von der völligen Selbstaufgabe zurück zu Ihrem Gleichgewicht gefunden hat.

So wie wir uns selber behandeln, behandelt uns das Leben. Die WHO definiert einen Burnout mit «konzipiertes Syndrom als Resultat von chronischem Stress am Arbeitsplatz, der nicht erfolgreich bewältigt werden kann». Zudem käme es nur in Arbeitnehmersituationen zu Burnouts.

Doch die Realität ist heute so, dass Privat- und Berufsleben immer enger verknüpft werden. Nicht alleine auf digitalem Weg, auch sozioökonomisch, emotional und natürlich auch finanziell. Ist nun der Arbeitgeber der Hauptschuldige, wenn Arbeitnehmer leiden?

«Ich gab mir die Schuld»

Während meiner Bankkarriere war ich mehrmals am Rande eines Burnouts. Ich gab mir die Schuld für meine Schwäche – und meinem Chef, der mich extrem forderte. Mein Leben wäre so viel besser, wenn meine Arbeit nicht so anstrengend wäre. Das sagte ich mir immer und immer wieder.

Beide Methoden sind völlig nutzlos, um eine solch schwierige Situation zu lösen. Wenn man anderen die Schuld gibt und sich selber schuldig fühlt, drängt man sich in eine Opferrolle und in die Handlungsunfähigkeit. Wir überlassen unser Schicksal den Umständen.

Diese «just do it»-Mentalität

Mein Fall war ziemlich klar: Ich wurde mit immer mehr Arbeit eingedeckt. Ich war eine sehr effiziente und stets einsatzbereite Mitarbeiterin, egal, wie müde oder gestresst ich war. Zuzugeben, dass es für mich zu viel wurde, war keine Option. Stattdessen blieb ich bei der «no pain, no gain»- und der «just do it»-Mentalität.

Das rote Blinken meines Blackberry brachte mein Leben im Stundentakt durcheinander. Würde ich das Ding darum abschalten? Die Idee kam mir nicht einmal.

Ich nahm mir nie Zeit, um gesund zu essen. Meine Diät bestand aus Sandwiches, Joghurts, Crackers und Guetsli, Convenience-Salat, vielleicht auch mal eine Frucht. Dazu kamen viel Koffein und Zucker, was den Stresslevel nur erhöhte.

Mit zwei Smartphones auf dem Cross-Trainer

Anstatt ein anständiges Mittagessen zu mir zu nehmen, eilte ich ins Gym um zu «trainieren», wobei ich auf dem Cross-Trainer auf gleich zwei Smartphones Emails und Nachrichten beantwortete und schrieb.

Anstatt nach Feierabend nach Hause zu gehen, um mich auszuruhen, ging ich an Abend- und Networking-Anlässe, wo ich die ein oder zwei Gläser Wein in dem Tempo hinunterstürzte, wie ich auch sonst alles erledigte. Wer hat schon Zeit, irgendetwas zu seinem Vergnügen zu tun?

Und wenn ich dann doch relativ zeitig zu Bett hätte gehen können, waren mein Adrenalin- und Cortisol-Spiegel so hoch, dass ich weiter auf meinen Blackberry rumtippte oder vor dem Fernseher versank.

Erfolg über die Arbeit definieren

Jede Münze hat zwei Seiten und die eine in meinem Berufsleben war: Ich investierte exzessiv alles in meinen Job, während ich meine anderen Lebensumstände völlig ignorierte. Ich definierte Erfolg über meine Arbeit. Arbeit war meine Flucht vor dem Leben, was die Arbeit zum Problem werden liess.

Aber sie gab mir das Gefühl, gebraucht zu werden und alles unter Kontrolle zu haben: Präsentation erledigt, die Inbox abgearbeitet, Anrufe beantwortet – hinter jeden Punkt auf meiner «Kontrollliste» setzte ich Haken.

Das war viel einfacher, als echte Probleme anzugehen, wie meine Essgewohnheiten, meine Beziehungen, mein häusliches Leben, meine innere Einstellung und den Schlaf. Es fühlte sich an, als ob dies unmöglich sei, sehr kompliziert und irgendwie auch unnötig.

Man muss ehrlich sein

Wie kann man beginnen festzustellen, dass man erschöpft ist und eine zunehmend negative und zynische Einstellung zum Job und dem Arbeitsumfeld hat?

1. Der Anfang ist am schwierigsten: Man muss ehrlich mit sich sein. Anstatt nach einem Schuldigen zu suchen, muss man sich selber den Fragen stellen. Warum bin ich lustlos und entmutigt bei der Arbeit? Hält sie mich davon ab, etwas zu tun, was ich lieber täte? Stimmt meine Arbeit noch mit meinen persönlichen Zielen und Werten überein? Wenn es wirklich am Arbeitsumfeld und am Chef liegt: Warum haben dann nicht alle anderen auch einen Burnout? Was könnte ich anders machen, um besser auch mich acht zu geben?

2. Studieren Sie Maslows Hierarchie: In welchen Bereichen Ihres Lebens sind Sie unzufrieden und wovor rennen Sie davon? Aus welchen Gründen? Gehen Sie wirklich auf Ihre Bedürfnisse ein?

3. Beginnen Sie mit kleinen Veränderungen, zum Beispiel: Eine Stunde mehr schlafen, einmal am Tag gesund essen und sich dafür Zeit nehmen, mehrere Spaziergänge pro Woche unternehmen, die Agenda blockieren und Pausen einlegen, das Telefon ab 9 Uhr abends ausschalten.

4. Nehmen Sie sich einen Coach oder gehen Sie in Therapie, wenn Sie Anzeichen von Frustration erkennen.

5. Und ist Ihr Arbeitsumfeld wirklich «toxisch», dann wenden Sie sich an das HR oder bemühen Sie um einen anderen Job.

Burnouts sind real und sie sind eine ernstzunehmende Krankheit. Keine Frage: Es gibt unfähige Chefs, fragwürdige Arbeitsbedingungen und -kulturen und die Anforderungen in der Unternehmenswelt sind extrem hoch. Was ich aber damals noch nicht begriffen hatte, ist, dass ich mich dem Burnout näherte, weil ich die Verantwortung für meine persönlichen Entscheidungen anderen überliess.

Arbeitgeber sind nicht für alles verantwortlich

Unserer Arbeitgeber sind für ein sicheres und gesundes Umfeld verantwortlich. Aber es ist nicht ihre Pflicht, dass wir uns gesund ernähren, genügend schlafen, frische Luft bekommen, ein erfülltes Beziehungsleben haben und ganz allgemein eine optimistische Einstellung zum Leben – das sind unsere ganz persönlichen Entscheidungen.

Es ist nicht ihre Schuld, wenn wir die falschen Entscheidungen treffen. Eine positive Veränderung erreichen wir nur, wenn wir die Verantwortung für unser Handeln übernehmen. Unsere Gesundheit ist unser Reichtum, ohne ihn hat nichts mehr eine Bedeutung.


Patricia Ordody ist zertifizierte, holistische Health Coach und Gründerin von Health is Wealth in Zürich. Die 35-jährige Schweizerin startete nach einem Studium an der Boston University 2006 ihre Bankenkarriere.