Techriesen wie Google, Meta und Microsoft bauen weltweit Zehntausende Jobs ab. Hiesige Finanzdienstleister, die händeringend nach IT-Talenten suchen, bringen sich jetzt in Stellung, wie Recherchen von finews.ch zeigen. Ein Spaziergang wird dies für die Banken allerdings nicht.

«Wir sehen Kandidaten mit Karriere bei den grossen Tech-Konzernen, die sich nach neuen Anstellungen umschauen», beobachtet Stephan Surber.

Dies dürfte den aktiven Stellenmarkt für diese gesuchten Kräfte sehr beflügeln, sagt der Schweiz-Chef und Senior Partner des Kadervermittlers Page Executive zu finews.ch.

Praktisch unmöglich

Dass dies geschieht, darauf hat die Schweizer Finanzbranche lange warten müssen. Bisher sei es praktisch unmöglich gewesen, IT-Talente etwa vom Internet-Riesen Google abzuwerben, der mit rund 5’000 hiesigen Mitarbeitenden auch in der Schweiz ein grosses Rad dreht, heisst es unter Kennern des Personalwesens. Banken wurden dabei nicht nur beim Image, sondern auch beim Lohn ausgestochen.

Doch nun dreht der Wind. Allein die amerikanischen Konzerne Amazon, Microsoft sowie das Google-Mutterhaus Alphabet wollen in den nächsten Monaten weltweit insgesamt 40’000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entlassen. Der Facebook-Konzern Meta streicht offenbar 11’000 Stellen.

Geschäftsmodell im Gegenwind

Die Technologie-Riesen korrigieren damit nicht nur das überschwängliche Stellenwachstum während der Corona-Krise. Sie reagieren auch auf den Gegenwind für ihr Geschäftsmodell. Angesichts einer sich abschwächenden Konjunktur ist rasantes Wachstum schwieriger geworden. Und bei den Investoren sitzt das Geld seit der Zinswende nicht mehr so locker wie ehedem.

Wie der Finanzblog «Inside Paradeplatz» berichtete, trifft die Entlassungswelle auch einen der gesuchtesten Arbeitgeber des Landes: Google Schweiz. Internen Mails zufolge bereitet dort die Führung die Belegschaft auf einen allfälligen Stellenabbau vor. Dieser könne sich aber erst in einigen Monaten greifen, hiess es. «Sie werden von uns hören.»

Bereits ein Thema

Bereits die Ohren gespitzt hält man im Swiss Banking, folgt man den Beobachtungen von Reto Jauch, seines Zeichens Managing Partner bei der Zürcher Executive-Search-Firma Schulthess Zimmermann & Jauch.

Der Abbau bei den Tech-Firmen sei bei vielen Schweizer Banken bereits ein Thema, sagt er. «Verwaltungsräte und Geschäftsleitungen gehen davon aus, Talente anziehen zu können.»

Wo Banken noch Stellen schaffen

Dies, nachdem die Geldhäuser aufstrebenden Technologie-Talenten zuletzt eher schlechte Karten hatten. Wie die meisten Schweizer Branchen suchen auch sei händeringend nach IT-Knowhow. Eine Umfrage des Branchenverbands Arbeitgeber Banken aus dem Jahr 2021 zeigte, dass die IT der einzige Bereich ist, in dem die Institute in den nächsten Jahren noch Stellen schaffen wollen. Dies, während für das Metier insgesamt mit einem rückläufigen Beschäftigungstrend gerechnet wird.

Indes, auch wenn sich mit dem Tech-Kahlschlag scheinbar eine goldene Gelegenheit zum Abwerben von Experten bietet: eine Spazierfahrt wird dies nicht für die Banken. So genügt es keinesfalls, vollmundige Inserate zu schalten. «Es braucht eine klare Positionierung; diese Kräfte fordern von ihrem Arbeitgeber Purpose und eine Destination», sagt Headhunter Jauch.

Ohne Purpose schwinden die Chancen

Die Suche nach dem «Purpose», also der Sinnhaftigkeit der Arbeit, wird von altgedienten Bankmanagern oftmals als Modeerscheinung belächelt. UBS-Chef Ralph Hamers, der als Digitalisierungs-Fan den Begriff im Swiss Banking geprägt hat, wird deswegen von nicht wenigen als Nervensäge empfunden.

Doch bei der grössten Bank des Landes lässt im Kampf um IT-Talente nichts anbrennen. Nicht nur wirbt die UBS mit einer «Kultur der Ingenieure»; sie winkt auch mit Weiterbildungen für Informatiker und internen Auszeichnungen. So dürfen sich Angestellte je nach Ausbilungsgrad «Certified Engineer», «Distinguished Engineer» oder gar «Technology Fellow» nennen – eine System von Titeln, das sich die Bank von der Tech-Branche abgeschaut hat.

Höchstens eine Schlacht gewonnen

Ob die Grossbank damit angesichts des Kahlschlags bei Google & Co punkten kann, wird sich weisen. Für Oliver Berger, Partner bei der Search-Boutique Witena in Zürich, ist damit höchstens eine Schlacht, aber nicht der «War for talent» gewonnen.

«Dieser hat gerade erst gestartet und wird noch die nächsten zehn bis 15 Jahre andauern», sagt der Kadervermittler. «Was wir im Moment sehen, sind erst die Vorläufer», sagt er zu finews.ch. Denn die Schweiz habe zu wenige Fachkräfte, bilde zu wenige aus und lasse zu wenige über die Grenze.

«Eine Bullenmarkt-Rallye in einem Bärenmarkt»

Entsprechend dürften die Entlassungen bei den Tech-Unternehmen auch nur von kurzer Dauer sein, bevor der Markt wieder anziehe, mahnt er. «Wir erfahren hier quasi eine Bullenmarkt-Rallye in einem Bärenmarkt.» 


Mitarbeit: Jade Cano