Tom van Wijlick: «Ich wollte meine eigene Uhrenmarke schaffen»


Tom van Wijlick, wie begann Ihre Leidenschaft für Uhren?

Ich erinnere mich noch ganz genau an meine erste Uhr – eine Swatch – und ich besitze sie immer noch. Ob sie meine gesamte Leidenschaft ausgelöst hat, lässt sich schwer sagen, aber der Gedanke ist interessant: Diese Kunststoff-Swatches, die einst die Schweizer Uhrenindustrie retteten, haben vielleicht auch meinen eigenen Weg geprägt.

Nachdem ich mein kleines IT-Unternehmen verkauft hatte, begann ich 2012 mit dem Handel von Uhren. Die Freude, die eine schöne Uhr den Menschen bereitet, wurde schnell zu meiner Motivation.

Bei Gesprächen mit anderen Unternehmen wurde mir bewusst, dass ich nicht nur Uhren verkaufen, sondern meine eigene Marke schaffen wollte.

Was genau gab den Ausschlag dafür?

Gemeinsam mit meinem Cousin startete ich 2013 zunächst ein «Online-Boutique»-Projekt für Gérald Clerc von Clerc Genève. Später stellten wir unsere Ideen anderen Marken wie Louis Moinet und Milus vor. Nach etwa einem Jahr trennten sich die Wege meines Cousins und mir – in aller Freundschaft.

«Ich wusste, ich musste handeln, bevor es jemand anderes tat»

Ich begann intensiv, nach einer Marke zu suchen – am liebsten nach einer mit echter Geschichte und stiess auf Lebois & Co auf einer Liste erloschener Namen.

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Lebois & Co Heritage Chronograph (Bild: CDMLEC)

Der Name sprach mich sofort an. Ich entdeckte einen wunderschönen Vintage-Chronographen, der 2012 bei Christie’s versteigert worden war, und erhielt nach Kontaktaufnahme mit der französischen Besitzerfamilie Dodane deren Segen, die Marke ab 2014 wiederzubeleben.

Inzwischen haben Sie sogar zwei Marken wiederbelebt. Worin unterscheiden sich die beiden?

Tatsächlich konnte ich 2020 noch Airain erwerben. Zeitlich war das nicht ideal – Lebois & Co war noch jung, und ich arbeitete nur Teilzeit im Geschäft –, aber ich wusste, ich musste handeln, weil die Markenrechte kurz vor dem Ablauf standen. Airain und Lebois waren ursprünglich Schwestermarken, haben jedoch sehr unterschiedliche Charaktere.

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Airain-Uhren haben ihre Wurzeln in der militärischen Luftfahrt (Bild: CDMLEC)

Lebois ist der elegantere Part, bekannt für Chronographen und Chronometer, während Airain mit seinen starken Wurzeln in der militärischen Luftfahrt eher zweckorientiert ist – insbesondere wegen des offiziellen Einsatzes durch die Hubschrauberpiloten der französischen Armee (ALAT). Zusammen ergänzen sie sich hervorragend.

Bleiben wir bei Lebois: Mit dem Heritage Chronograph gelang Ihnen der Durchbruch. Wie geht es nun weiter?

Der Heritage Chronograph war tatsächlich ein Meilenstein. Unterdessen sind wir daran, die Heritage-Kollektion zu erweitern – sowohl mit historisch inspirierten Stücken als auch mit zeitgemässeren Designs. Die Heritage-Plattform gibt uns die Freiheit für beides.

«Immer mehr Menschen interessieren sich für weniger bekannte Marken»

Ausserdem gibt es eine starke Nachfrage nach einer schlichteren, zugänglicheren Uhr neben den komplexen Chronographen – genau daran arbeiten wir jetzt: elegante, hochwertige Zeitmesser mit derselben DNA, aber in einer reduzierteren Ausführung.

Wann dürfen wir mit neuen Modellen von Lebois rechnen?

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Lebois & Co Heritage Chronograph (Bild: CDMLEC)

Sehr bald. Wir arbeiten gerade an den letzten Feinheiten. Sobald alles bereit ist, geben wir Details bekannt – Sammler und Enthusiasten müssen nicht mehr lange warten.

Wie kann man heute Menschen für eine relativ unbekannte Uhrenmarke begeistern?

Ich glaube, es ist eher umgekehrt – immer mehr Menschen interessieren sich für weniger bekannte Marken. Wenn eine Marke hohe Qualität, Kontinuität (also solide Garantie und Service) und ein attraktives Preis-Leistungs-Verhältnis bietet, lässt sich definitiv Begeisterung wecken.

Das Internet hat in den vergangenen zwei Jahrzehnten eine enorme Rolle gespielt und kleineren, unabhängigen Marken zu wesentlich mehr Sichtbarkeit verholfen.

Sie bestehen darauf, Ihre Uhren in der Schweiz fertigen zu lassen. Hat die Schweizer Provenienz wirklich noch so viel Gewicht?

Ja, absolut. Swiss Made steht nach wie vor für Qualität, Handwerk und Tradition. Gerade Sammler und Uhrenliebhaber fühlen sich dadurch bestätigt – in technischer Hinsicht, aber auch was die Werte und die langfristige Ausrichtung einer Marke betrifft.

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Uhrengeschäfte, die Lebois- und Airain-Modelle anbieten (Bild: CDMLEC)

Während die Uhrenwelt zunehmend global wird, bleibt der Ruf der Schweizer Industrie ein Benchmark, und wir sind stolz, Teil dieses Erbes zu sein.

Ist es nicht ein Nachteil bei der Positionierung einer Uhr, wenn sie weder sehr teuer noch besonders günstig ist?

Nein, im Gegenteil. Wir bieten Uhren an, die hohe Qualität, authentisches Design und Schweizer Handwerkskunst zu einem fairen Preis liefern. Das schätzen Sammler und andere Enthusiasten.

Natürlich bedeutet eine Positionierung zwischen Einstiegs- und High-End-Marken, dass man seinen Wert klar kommunizieren muss. Aber für Menschen, die über die grossen Namen hinausblicken und etwas Besonderes besitzen möchten, bieten Lebois und Airain eine attraktive Alternative.

Welche grossen Trends sehen Sie heute bei höherwertigen Uhren?

Ein wesentlicher Trend ist der stärkere Fokus auf Authentizität und Handwerkskunst. Menschen suchen grossartige Geschichten hinter Marken und Produkten, nicht nur einen Namen oder ein Logo.

«Airain erwarb seinen Ruf als Fliegeruhr durch die offizielle Zusammenarbeit mit der französischen Heeresfliegerei»

Zudem wächst die Wertschätzung für kleinere, unabhängige Marken, die einen Mehrwert, Individualität und eine persönlichere Beziehung zu ihren Kunden bieten. Sammler möchten etwas Einzigartiges, nicht Massenware – hier können Independent-Brands wirklich punkten.

Airain gilt als Fliegeruhr. Warum?

Airain erwarb seinen Ruf als Fliegeruhr durch die offizielle Zusammenarbeit mit der französischen Heeresfliegerei (ALAT) in den 1950er-Jahren. Der Type 20-Chronograph wurde speziell entwickelt, um die strengen Anforderungen des Militärs zu erfüllen – hervorragende Ablesbarkeit, Robustheit und präzise Zeitmessung. Dieses Erbe prägt Airain bis heute.

Was planen Sie mit dieser Marke?

Bei Airain konzentrieren wir uns darauf, das Erbe in den Bereichen Luftfahrt, Militär und Tauchen auszubauen. Die Neuauflagen von Type 20 und Sous-Marine waren erst der Anfang.

Wir wollen die Kollektion behutsam erweitern, der DNA treu bleiben und funktionale, robuste, zugleich elegante Uhren entwickeln, die der reichen Geschichte gerecht werden. Zugleich prüfen wir, wie wir neue Modelle einführen können, die sich natürlich in dieses Erbe einfügen, ohne es bloss zu wiederholen.

Welche sind Ihre wichtigsten Absatzmärkte, und planen Sie dort zu expandieren oder eher neue Territorien zu erschließen?

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Das Team von CDMLEC (Bild: zvg)

Unsere wichtigsten Märkte sind derzeit Europa – insbesondere Grossbritannien, Deutschland, die Schweiz, Italien und die Niederlande – sowie Japan, Hongkong, Singapur, der Nahe Osten und die USA.

Diese Regionen schätzen authentische, unabhängige Uhrenmarken mit einer Geschichte. Wir wollen in diesen Märkten weiter wachsen, sehen aber auch spannende Chancen in neuen Regionen wie Australien und Mexiko. Mit dem wachsenden globalen Interesse an Nischen- und Heritage-Marken haben Lebois & Co und Airain viel Potenzial über unsere heutigen Kerngebiete hinaus.

Werden Lebois- und Airain-Uhren typischerweise online gekauft?

Von Anfang an setzten wir auf ein Direct-to-Consumer-Modell, um eine starke, persönliche Beziehung zu unseren Kunden aufzubauen. Gleichzeitig arbeiten wir zunehmend mit offiziellen Händlern und Distributoren zusammen, um Kunden zu erreichen, die unsere Marken sonst nie entdecken würden.

Direct-to-consumer und Retail können Hand in Hand gehen, solange man respektvoll mit den Partnern umgeht – sie schliessen einander nicht aus, sondern ergänzen sich.


Tom van Wijlick ist ein niederländischer Unternehmer, der vor allem für die Wiederbelebung historischer Uhrenmarken bekannt ist. Nach seinem BBA-Abschluss in Commercial Economics/IT an der Fontys University (2007) leitete er mehrere Jahre sein eigenes IT-Unternehmen Dexterity und handelte nebenbei mit Vintage-Uhren. Fasziniert von ruhenden Markenrechten, erwarb er 2014 Lebois & Co und brachte die Modelle Avantgarde Date und Venturist mittels Community-Designs und Crowdfunding auf den Markt. 2020 kam die historische Fliegerchronographen-Marke Airain hinzu. Heute führt van Wijlick als Gründer und CEO der Compagnie des Montres Lebois & Cie (Sitz in Reuver, NL, mit Schweizer Produktionspartnern) sämtliche Labels, verantwortet die Produktentwicklung und baut ein globales Händlernetz auf.