Sascha Steinmann: «Marcuard Heritage bietet einen grösseren Gestaltungsrahmen»
Herr Steinmann, Sie haben in den vergangenen zwei Jahrzehnten bei verschiedenen Banken gearbeitet und so einen profunden Einblick in die Branche gewonnen. Was sind die stärksten Treiber der letzten Jahre?
Die Entwicklungen in der Vermögensverwaltung spiegeln geopolitische und gesellschaftliche Veränderungen wider. Zwei Treiber stechen dabei hervor: die stetig zunehmenden regulatorischen Anforderungen und der anhaltende Margendruck. Dieser betrifft seit Längerem die Banken und zunehmend auch die unabhängigen Vermögensverwalter.
Wie reagiert die Branche auf diese Einflüsse?
Die Antwort lässt sich auf einen Punkt bringen: Fokus, also weniger Breite, mehr Tiefe – bei den Services, bei den Märkten und bei der Zielkundschaft.
Der Schwerpunkt liegt klar auf Ultra-HNWIs, also auf sehr vermögenden Kundinnen und Kunden. Mit dem Wegfall der Credit Suisse als ganzheitlichem Anbieter für vermögende Kunden hat dieser bereits laufende Konzentrationsprozess deutlich an Dynamik gewonnen.
Ist dieser Fokus erfolgreich?
Es ist eine nachvollziehbare Reaktion, um in grossen Organisationen Effizienz und Profitabilität zu sichern. Ob dieser Ansatz überall erfolgreich ist, lässt sich pauschal nicht beurteilen. Klar ist jedoch: Er öffnet neue Marktchancen für andere Akteure.
Inwiefern?
Auf der einen Seite fokussieren sich Banken zunehmend auf Ultra-HNWIs. Auf der anderen Seite werden die Bedürfnisse der klassischen HNWIs nicht kleiner – im Gegenteil. Gerade die jüngere Generation dieser Kunden hat oft komplexere Anforderungen und ist offener für neue Modelle.
«Hier öffnet sich ein Fenster für unabhängige Vermögensverwalter»
Werden Services reduziert oder standardisiert, suchen diese Kunden neue Partner. Hier öffnet sich ein Fenster für unabhängige Vermögensverwalter, die als Gatekeeper mit ihrem Netzwerk sämtliche Kundenbedürfnisse abdecken.
Gilt das primär für die Schweiz, oder ist das ein internationaler Trend?
Aus unserer Sicht ist das ein internationaler Trend. Sehr vermögende Kunden leben ein internationales Leben und sind global verflochten. Die Märkte unterscheiden sich weniger strukturell als vielmehr in ihrer Tradition.
In Asien entstehen infolge wirtschaftlicher und demografischer Entwic
klungen neue Märkte mit einer jüngeren Kundschaft, häufig Vermögen der ersten Generation.
In Europa hingegen sind die Märkte historisch gewachsen und stärker von über Generationen aufgebautem Vermögen geprägt.
Der Wettbewerb um die vermögenden Kunden wird also nochmals härter?
Der Wettbewerb war schon immer intensiv. Für international tätige Banken ergibt sich jedoch auch eine Chance: Trotz Fokussierung können sie Kunden behalten, indem diese nicht mehr ausschliesslich im eigenen Private Banking betreut werden, sondern über unabhängige Vermögensverwalter, die mit der Bank zusammenarbeiten.
Damit sinkt aber auch die Marge der Bank.
Nicht zwingend. Bei einer vollständigen Kostenallokation kann das Geschäft mit unabhängigen Vermögensverwaltern für Banken durchaus attraktiv sein.
«Unser Netzwerk – aktuell knapp 30 Banken – entsteht von zwei Seiten her»
Die Margenstruktur ist anders, dafür sind die Kosten tiefer und die Skalierbarkeit höher. Entscheidend ist, dass die Bank den Kunden nicht verliert.
Der unabhängige Vermögensverwalter ist für die Bank aber ein anderer Kunden-Typ.
Private Banking und das Geschäft mit unabhängigen Vermögensverwaltern unterscheiden sich fundamental. Das eine ist ein klassisches B2C-, das andere ein B2B2C-Modell.
Für Banken bedeutet das: Wer im IAM-Geschäft nicht performt, verliert nicht nur einen unabhängigen Vermögensverwalter, sondern unter Umständen eine grosse Anzahl von Endkunden und künftiges Wachstumspotenzial.
Wie baut ein unabhängiger Vermögensverwalter wie Marcuard Heritage sein Netzwerk an Partnerbanken auf?
Unser Netzwerk – aktuell knapp 30 Banken – entsteht von zwei Seiten her. Einerseits behalten wir den Überblick über Bank-Services, die heute vielleicht nicht im Fokus stehen, aber durch Marktveränderungen an Bedeutung gewinnen könnten.
Andererseits bringen unsere Kundenberater konkrete Kundenbedürfnisse ein, für die wir jeweils den bestmöglichen Bankpartner suchen.
Wie funktioniert das konkret?
Ein solches Netzwerk entsteht nicht über Nacht. Entscheidend sind ein intensiver Austausch mit bestehenden und potenziellen Partnerbanken, regelmässige Reviews sowie zu Beginn ein strukturiertes Assessment. Oft sind sich Banken ihrer eigenen Stärken im Geschäft mit unabhängigen Vermögensverwaltern gar nicht bewusst.
Wie kann das sein?
Auf die Frage nach USPs hören wir häufig sehr ähnliche Antworten, etwa Kundennähe, schnelle Entscheidungswege oder Sicherheit. Das sind wichtige, aber selten wirklich einzigartige Eigenschaften.
«Diese Kundengruppe wird bei Grossbanken zunehmend weniger aktiv betreut»
Durch unseren externen Blick erkennen wir manchmal Kompetenzen, die intern unterschätzt werden – etwa in der Risikoeinschätzung, in bestimmten Märkten oder bei spezifischen Finanzierungsformen.
Sind die Ultra-HNWIs auch der Fokus bei Marcuard Heritage?
Nein, auch wenn wir diese Kunden selbstverständlich sehr gerne betreuen. Unser Fokus liegt bei grösseren HNWI- und natürlich Ultra-HNWI-Vermögen zwischen 5 und 50 Millionen Franken.
Diese Kundengruppe wird bei Grossbanken zunehmend weniger aktiv betreut. Wir können ihr das Beste aus verschiedenen Welten anbieten – individuell, transparent und ohne Interessenkonflikte.
Heisst das, unabhängige Vermögensverwalter sind günstiger als klassische Private-Banking-Anbieter?
Nicht zwingend günstiger, aber deutlich transparenter. Wir müssen keine Quersubventionierungen vornehmen, wie sie bei Grossbanken üblich sind, wo sehr spezialisierte Services für wenige Kunden letztlich von allen mitfinanziert werden.
Sie haben den Wechsel von der Bankenseite zum unabhängigen Vermögensverwalter gemacht. Was ist nach einem Jahr das Fazit?
Beide Seiten haben ihre Vorteile. Persönlich schätze ich den grösseren Gestaltungsrahmen bei einem unabhängigen Vermögensverwalter.
«Die nächste Kundengeneration definiert die Beziehung zum Vermögensverwalter anders»
Wir sind flexibler, schneller und unser Fokus liegt konsequent auf der besten Lösung für den Kunden – nicht auf dem Absatz eigener Produkte.
Wie wird sich aus Ihrer Sicht der Markt weiter verändern?
Geopolitisch bleibt die Lage schwer einschätzbar. Klar ist jedoch, dass Transparenz und Vergleichbarkeit von Dienstleistungen weiter zunehmen.
Die nächste Kundengeneration definiert die Beziehung zum Vermögensverwalter anders, ist digitaler und besser informiert.
Zudem sehen wir, auch in der Schweiz, neue Anbieter mit einem klaren Fokus auf die Rolle als Depotbank.
Der Markt der unabhängigen Vermögensverwalter wird also wachsen?
Nicht unbedingt in der Anzahl der Anbieter. Gerade in der Schweiz beobachten wir eine Konsolidierung, da regulatorische Anforderungen und Kundenansprüche eine gewisse Grösse voraussetzen.
Marcuard Heritage verfügt weltweit mit über 5 Milliarden Dollar an betreuten Kundenvermögen bereits über diese kritische Masse. Gleichzeitig bieten wir ein attraktives Umfeld für unternehmerisch denkende Vermögensberater mit klarem Kundenfokus.
Ich bin überzeugt, dass die von unabhängigen Vermögensverwaltern betreuten Vermögen auch in Zukunft wachsen werden.
Sascha Steinmann ist seit gut einem Jahr bei Marcuard Heritage tätig und verantwortet die strategische Weiterentwicklung der Beziehungen zu Partnerbanken. Zuvor war er mehr als 20 Jahre unter anderem bei Julius Bär, LGT und der VP Bank in verschiedenen Funktionen im Bereich unabhängiger Vermögensverwalter tätig.














