Der Tod eines Praktikanten bei Merrill Lynch lanciert das Branchenthema der Woche – die aberwitzigen Zustände bei den Praktika im Investmentbanking.

Der junge Mann, 21 Jahre alt und Student aus Deutschland, wurde am Donnerstag abend in London tot aufgefunden. Offenbar war er in der Dusche seines Wohnheims zusammengebrochen. Er stand kurz vor dem Abschluss seines Praktikums bei BofA Merrill Lynch.

Eine Erklärung für den plötzlichen Todesfall kursierte tags drauf in den sozialen Netzwerken: Überlastung. Der Student habe zuvor drei Nächte lang durcharbeiten müssen – so eine Behauptung, die bald an mehreren Stellen gepostet wurde («3 all nighters. Didn't turn up, colleagues went to find him»).

Merrill Lynch gab keine Stellungnahme ab zu den Arbeitszeiten, die vom Nachwuchs geleistet werden müssen. Und so wurde die Sache inzwischen von zahllosen grossen Medien zwischen Los Angeles und Sydney weitergezogen.

Denn dass in den Investmentbanking-Abteilungen in London oder an der Wall Street aberwitzige Arbeitszustände herrschen, ist ja kein Geheimnis. Und dass gerade bei den Summer Internships ein irrationaler Fleisskult herrscht, bietet längst Stoff für zahllose Legenden; (erwähnt sei allerdings, dass aus dem Bankenplatz Schweiz keine derart wilden Geschichten zu hören sind wie aus den angelsächsischen Finanzhäusern).

«Sind Sie bereit, lange zu arbeiten?»

Nun also berichteten wieder ehemalige Bank-Praktikanten in den Medien von Arbeitstagen bis 6 Uhr morgens, von 7-Tage-Schichten oder von 100-Stunden-Wochen. Auf der Stellenplattform «eFinancialcareers» berichtete ein Betroffener aus einer Londoner Bank: «Eines der ersten Dinge, die ein Praktikant unterzeichnen muss, ist die Ablehnung der EU-Direktive zur Beschränkung der Arbeitszeiten.»

Bekannt wurde nebenbei auch, dass es sogar eine britische Organisation zum Schutz der Praktikanten gibt, Intern Aware. Deren Co-Chef, Ben Lyons, sagte gegenüber der «Financial Times», dass die Banken «ihre HR-Kultur ändern» müssten. 

Die Frage: «Sind Sie bereit, lange zu arbeiten?» ist ja tatsächlich fester Bestandteil der Bewerbungsgespräche. Eine gewisse Gleichsetzung von Qualität und Befähigung einerseits, Krampferei andererseits schlägt sich hier bereits nieder.

Nein, wir sind kein Sweat Shop

Eine andere Interessenvertretung des Banknachwuchses in London, FinanceIntern, deutete an, dass man auf eine unabhängige Instanz hinarbeiten werde: Diese könnte sicherzustellen, dass gewisse Zustände ein Ende finden. «Drei durchgearbeitete Nächte hintereinander, acht durchgearbeitete Nächte: Wer hier bei den einstelligen Zahlen bleibt, zählt zu den Glücklichen», beschrieb ein Sprecher der Organisation im «Guardian» die Arbeitswelt für den Banking-Nachwuchs.

In der «Financial Times» (Paywall) sagte Chris Roebuck, ein Professor der Cass Business School in London und ehemaliger Banken-HR-Spitzenmann, dass die Überbelastung von Nachwuchsleuten ein wachsendes Problem in der Bankbranche darstelle. Eine These, die dabei immer herumgeistert: Die Praktikanten würden gerade im Zeiten der Sparmassnahmen zunehmend als billige Arbeitskräfte missbraucht.

«Eine positive Erfahrung verschaffen»

Bankquellen sagten indes, die Praktika dienten zur Rekrutierung – und seien nicht als Sweat Shops gedacht. 

Ein Sprecher der Bank of America kommentierte den tragischen Tod des Praktikanten mit dem Satz: «Bei den Praktika dreht sich alles darum, den Studenten eine positive Erfahrung zu verschaffen sowie unsere Firma und uns kennenzulernen, damit wir herausarbeiten können, wer dereinst nach dem Abschluss voll in die Firma passen könnte.»

Noch ist die Behauptung, dass der Praktikant drei Nächte hintereinander durcharbeiten musste, nicht erhärtet. Aber bald wird sich wohl weisen, ob der Kommentar aus dem Hause Merrill Lynch ehrlich war oder reiner Zynismus.

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