Für einzelne Finanzinstitute werde eine Busse an die USA dazu führen, dass sie zum Verkauf ihrer Geschäftsaktivitäten gezwungen sein werden, sagt KPMG-Bankenexperte Christian Hintermann.

Herr Hintermann, gemäss der neusten Studie von KPMG macht ein Viertel der Schweizer Privatbanken Verlust. Muss man deswegen besorgt sein?

Dieses Ergebnis zeigt, dass die Branche in einem massiven Umbruch ist, wie es in der Vergangenheit andere Industrien, etwa die Uhrenindustrie, waren. Diese konnte sich neu erfinden und ist heute sehr erfolgreich.

Es wird eine beachtliche Zahl an Privatbanken geben, die den Wandel nicht überstehen werden. Ja, um diese Banken muss man besorgt sein. Für die Branche hoffe ich, dass sie sich erfolgreich neu positionieren kann.


«Der Wandel ist fundamental»


Geradezu alarmierend ist die magere Eigenkapitalrendite der Privatbanken. Sie beträgt gerade einmal 4 Prozent. Was machen diese Institute falsch?

Der Wandel in der Branche ist fundamental. Die durchschnittliche Eigenkapitalrendite ist innerhalb weniger Jahre tatsächlich von 14 Prozent auf 4 Prozent gesunken. Das Geschäftsmodell der Vergangenheit funktioniert nicht mehr. Die Privatbanken müssen sich neu aufstellen, doch das braucht seine Zeit.

Eine Gruppe «grösserer Banken» hat laut Ihren Erkenntnissen in den vergangenen zwölf Monaten «deutliche Fortschritte» erzielt. Wer zählt zu dieser Gruppe, und was haben diese Banken effektiv getan?

Es handelt sich dabei primär um grosse Banken mit Kundenvermögen von mehr als 25 Milliarden, Franken. Allerdings gibt es auch einzelne kleine Banken, die weiterhin sehr erfolgreich sind.


«Es scheint ein Ende mit Schrecken bevorzustehen»


Wir sehen Institute, die an allen Aspekten des Geschäfts arbeiten: Die Fokussierung auf einzelne Kundensegmente, die Überarbeitung des Service-Offerings und der Preismodelle, das Nutzen von Grössenvorteilen sowie die Industrialisierung des Backoffice werden dabei zentral sein.

Was denken Sie, bietet der Steuerstreit mit den USA nach den jüngsten Ankündigungen ein Ende mit Schrecken oder eher ein Schrecken ohne Ende?

Nach den Ankündigungen von vergangener Woche scheint hier ein Ende mit Schrecken bevorzustehen, in dem Sinne, dass wir hier von substanziellen Bussenzahlungen reden und von der Offenlegung der entsprechenden Kundendaten. Danach sollte jedoch die grösste Unsicherheit wegfallen.


«Ein grosser Unsicherheitsfaktor wird wegfallen


Für einzelne Finanzinstitute kann eine Busse allerdings dazu führen, dass die Bank zu einem Verkauf ihrer Geschäftsaktivitäten gezwungen sein wird. Nach Abschluss einer solchen Lösung wird ein grosser Unsicherheitsfaktor wegfallen, der die Fusions- und Übernahme-Transaktionen (M&A) in diesem Jahr bislang gehemmt hat.

Zahlreiche Privatbanken haben noch einen enormen Anpassungsbedarf um den veränderten Anforderungen gewachsen zu sein. Was sind die dringlichsten Aufgaben?

Dazu gehören sicher Themen wie Lösungen für Kunden mit unversteuerten Geldern, Anpassen und Flexibilisieren der Kostenstruktur, Definition von Zielkundensegmenten und eine konsequente Ausrichtung der Bank auf die Bedürfnisse dieser Kunden.


«Die Zahl der Privatbanken wird um ein Viertel sinken»


Die grosse Frage ist, weshalb ein Kunde gerade zu dieser Bank kommen soll. Welchen Mehrwert erhält er?

In Ihrer Erhebung ist von einem «proaktiven Umgang mit der Vergangenheit» die Rede. Was soll man sich darunter vorstellen?

Es geht dabei um das Thema der unversteuerten Kundengelder. Dieses Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr. Banken müssen eine klare Strategie definieren, wie sie mit diesem Thema umgehen und es lösen.

Sie stellen in Ihrer Studie auch eine gestiegene Anzahl an M&A-Prozessen fest. Wie viele Privatbanken werden in den nächsten zwei Jahren verschwinden?

Ich erwarte, dass in den nächsten drei Jahren die Zahl der Privatbanken um ein Viertel sinken wird. Dies aber nicht ausschliesslich über M&A. Banken, die nicht verkauft werden können, werden zum Teil den Weg in die Liquidation wählen.


«Die Banken werden weiter auslagern»


Kostenbewusstsein bleibt eine Top-Priorität. Welche Entwicklungen erwarten Sie im Outsourcing?

Die Banken müssen sich darauf besinnen, was ihre Kernkompetenz ist und darauf fokussieren. Für die wenigsten Banken liegt diese im Bereich von IT-Systemen, Wertschriftenabwicklung etc. Deshalb erwarte ich, dass mehr Banken Teile der «Operations» auslagern werden.

Wo steht der Schweizer Finanzplatz in fünf Jahren?

Der Finanzplatz wird in einem wesentlich härteren Wettbewerb mit anderen Finanzplätzen stehen. Hoffentlich wird bis dann aber die Neupositionierung gelungen und der Finanzplatz weiterhin ein globales Zentrum für die Verwaltung von Vermögen wohlhabender Privatkunden sein.


Christian Hintermann 140Christian Hintermann studierte Betriebswirtschaft und promovierte an der Universität Zürich. Später erlangte er den Titel eines Eidg. diplomierten Wirtschaftsprüfers und vervollständigte seine Ausbildung mit einem Advanced Management Program am INSEAD.

Beruflich begann er seine Karriere beim Beratungsunternehmen Arthur Andersen und wechselte später zu PwC. Bei beiden Firmen war er im Bereich Financial Services tätig.

Im Jahr 2001 stiess er zur Swisscom, wo er zuletzt Head of Mergers & Acquisitions war. Seit 2007 arbeitet er für KPMG, wo er heute als Partner im Bereich Financial Services tätig ist.

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