Marktführerin Raiffeisen kritisiert immer lauter einen der wichtigsten Standards bei der Hypotheken-Vergabe. Ein Spiel mit dem Feuer, findet finews.ch.

Raiffeisen-CEO Patrik Gisel lancierte das Ansinnen schon letzten September. In der Zeitung «Schweiz am Sonntag» beklagte er laut den Umstand, dass junge Familien sich den Traum vom Eigenheim nicht leisten können.

Schuld daran, so Gisel damals, seien unter anderem «übervorsichtige» Tragbarkeitsregeln. Vor allem eine: der kalkulatorische Zins von 5 Prozent, der fordert, dass Schuldner ihre Hypothek auch bei einem entsprechenden Zinsniveau noch bedienen können.

«Nicht mehr zeitgemäss»

«Ein Vorschlag wäre, die kalkulatorische Verzinsung auf beispielsweise 3 Prozent zu senken und keinen Cash-Anteil zu verlangen.» Im Gegenzug würden die Hypothekar-Zinsen auf zehn oder 15 Jahre fixiert und darüber hinaus an einen Sparplan gebunden werden, so Gisel damals.

Am Dienstag doppelte Raiffeisen-Chefökonom Martin Neff in einer Studie zum Schweizer Wohnimmobilienmarkt nach. «Die strikte Ansetzung des kalkulatorischen Zinssatzes auf 5 Prozent ist nicht mehr zeitgemäss, denn sie beruht auf Durchschnittwerten längst vergangener Tage», so Neff.

In der Vorreiterrolle

Indes, die vergangenen Tagen liegen noch nicht weit zurück. Der 5-Prozent-Satz als «goldene Regeln» im Schweizer Hypothekenmarkt entstammt direkt den Erfahrungen mit der Immobilien-Krise der 1990er-Jahre. Dieser fielen diverse Institute zum Opfer, selbst scheinbar solide Staatsinstitute wie die Berner Kantonalbank mussten mit Steuergeldern gestützt werden.

Seither gilt der kalkulatorische Zinssatz als ungeschriebenes Gesetz im Schweizer Retailbanking. Wobei die Betonung auf «ungeschrieben» liegt: Es handelt sich über eine Übereinkunft der Branche. Behörden wie die Finma können bloss empfehlen, dass die Banken sich daran halten.

Genau deshalb erscheint der Sturmlauf von Raiffeisen gegen die goldene Hypo-Regel als brandgefährlich. Als Marktführerin im Schweizer Hypothekengeschäft kommt der Genossenschaftsbanken-Gruppe eine Vorreiterrolle zu. Wo sie hingeht, zieht es auch den Rest der Branche hin.

Einsame Warner

Warner sind hingegen nur vereinzelt zu hören – so Beat Oberlin, CEO der Basellanschaftlichen Kantonalbank (BLKB). Es sei sicher nicht gut, in einem überhitzten Markt noch Anreize zum Kauf von Wohneigentum zu schaffen, mahnte er gegenüber der Agentur AWP.

Raiffeisen-Ökonom Neff zeigte sich da wesentlich weniger bekümmert. Junge Familien können über die Jahre in die Tragbarkeit «hineinwachsen», schlug er am Dienstag vor.

Der Sicherheitspuffer aus den Tagen, als der Immobilien-Crash den Bankern noch in den Knochen steckte, scheint dem «nach mir die Sintflut»-Prinzip zu weichen. Zudem müssen sich die Verfechter des neuen «Modells» den Vorwurf gefallen lassen, sie seien auf zusätzliche, noch nicht angetastete Volumen aus. Angesichts der Negativzinsen und der sinkenden Zinsmargen erscheint dies als das offensichtliche Mittel, um die Erträge hoch zu halten.

Wertvolle Abmachungen

Doch zu welchem Preis? Der 5-Prozent-Satz mag willkürlich gewählt sein. Doch er trägt dem Umstand Rechnung, dass der Immobilienmarkt Zyklen durchläuft. Auf den Boom folgt die Abkühlung, schlimmstenfalls der Crash. Dann greifen Mechanismen wie die Nachschusspflicht, die in guten Zeiten gerne im Kleingedruckten der Kreditverträge übersehen werden. Und wenn die Schuldner nicht mehr zahlen können, stehen die Banken auf der Kippe.

Käme es zu diesem Worstcase-Szenario, wären der Branche eine weitere Regulierungswelle sicher. Umso wertvoller erscheinen «Abmachungen» wie der kalkulatorische Zinssatz, an die Marktteilnehmer sich in gegenseitigem Vertrauen halten. Noch ist das der Fall: Wie es bei Raiffeisen auf Anfrage hiess, hält die Bankengruppe weiter am 5-Prozent-Satz fest.

Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
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