Noch deutet wenig darauf hin, dass Julius-Bär-Chef Boris Collardi seinen Posten aufgeben würde. Trotzdem ist es nicht ausgeschlossen, dass der charismatische Banker über kurz oder lang eine neue Herausforderung annimmt. Was dann?

Dass Julius-Bär-CEO Boris Collardi in der zweiten Jahreshälfte 2016 nicht mehr allzu präsent war in der Bank, stellte finews.ch bereits im vergangenen Herbst fest. Nun liesse sich einwenden, der Chef sei geschäftlich unterwegs gewesen. Das mag zutreffen, doch gleichzeitig sorgte Collardi in dieser Zeit auch für eher unnötige Schlagzeilen, etwa mit amourösen Eskapaden, Glamour-Auftritten an der Seite von Filmstar Leonardo DiCaprio oder mit privatem Investitions-Aktivismus.

Dass er zudem als potenzieller Präsident der Schweizerischen Bankiervereinigung sowie als potenzieller Partner bei der Genfer Privatbank Lombard Odier gehandelt wurde, trug zusätzlich dazu bei, dass man dem eloquenten Private Banker neue Ambitionen nachsagte – wobei diese beiden Posten (Scheidt, Falkengren) inzwischen vergeben sind.

Die Patek Philippe unter den Banken

Vorläufig deutet wenig darauf hin, dass der gebürtige Westschweizer seinen CEO-Posten aufgeben würde. Sein Leistungsausweis ist auch nicht schlecht, im Gegenteil, der heute 42-jährige Collardi hat die Julius-Bär-Gruppe zu einem Juwel in der Branche gemacht, «zu einer Patek Philippe unter den Privatbanken», wie er es selber einmal treffend formuliert hat.

In Finanzkreisen heisst es zudem, der eher zurückhaltende, um nicht zu sagen schwache Verwaltungsrat müsste geradezu über seinen Schatten springen, um den charismatischen CEO in die Wüste zu schicken.

Shortlist für eine frühzeitige Planung

Trotzdem ist es nicht ausgeschlossen, dass Collardi in den nächsten 18 Monaten eine neue Herausforderung annehmen könnte, zumal er nun seit acht Jahren an der Spitze von Julius Bär steht – zufälligerweise ist dies auch die durchschnittliche Halbwertszeit von CEOs grösserer, kotierter Unternehmen. Unter diesen Prämissen, aber auch im Sinne einer frühzeitigen Planung, empfiehlt es sich immer, eine Shortlist von potenziellen Nachfolgern zu haben.

finews.ch hat sich dieser Aufgabe gestellt und diverse interne und externe Banker gefunden, die als Thronfolger Collardis mehr und manche weniger geeignet wären. Die Reihenfolge ist zufällig.

1. Dieter A. Enkelmann

DieterEnkelmann 500

Über die Karriereambitionen des Finanzchefs bei Julius Bär ist wenig bekannt. Tatsache ist aber, dass Dieter Enkelmann bei der Zürcher Traditionsbank fest im Sattel sitzt. Wie Collardi arbeitete Enkelmann einst zwölf Jahre bei der Credit Suisse, bevor er 2003 als Chief Financial Officer (CFO) zum Schokoladeproduzenten Barry Callebaut wechselte und so auch einem breiteren Branchenpublikum bekannt wurde.   

Bei Julius Bär war es Hans de Gier, ein ehemaliger Bankverein-Haudegen, der Enkelmann 2006 als Finanzchef an Bord holte. Seither durchlebte der Jurist die wechselvollen Ereignisse innerhalb der Bank unmittelbar: den Selbstmord des früheren CEOs Alex Widmer während der Finanzkrise, die ambitionierte Expansion im «zweiten Heimmarkt» Asien sowie die teuren Vergleichszahlungen mit Deutschland und den USA. Als ultimativer Insider kommt Enkelmann als oberster Chef durchaus in Frage und würde so auch die These widerlegen, ein Finanzchef werde nie CEO.

finews.ch-CEO-Chance: 20 Prozent

2. Yves Robert-Charrue

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Der 43-jährige Banker zählt zu den CEO-Anwärtern, die fast so jung sind wie Boris Collardi selber. Yves Robert-Charrue ist intern vermutlich der vielversprechendste Kandidat, der auch für Stabilität und Kontinuität stehen würde. Der Investmentspezialist ist ein enger Vertrauter des obersten Chefs. Bei Julius Bär entwickelte er sich zunehmend zum «Mr. Fixit», hatte er doch in acht Jahren nicht weniger als sechs verschiedene Jobs. In seiner derzeitigen Funktion als Europa-CEO muss Robert-Charrue Wachstum in einem stagnierenden Markt erzielen, den die Bank zugunsten Asiens, Lateinamerikas und dem Nahen Osten lange Zeit eher vernachlässigt hatte.  

Der Schweizer kann auf einen makellosen Werdegang verweisen: Er studierte an der London School of Economics sowie Wirtschaftswissenschaften an der Hochschule St. Gallen. Wie Collardi arbeitete er lange Zeit bei der Credit Suisse, wo er sich allerdings einmal eine Auszeit von zwei Jahren nahm, um seinem Hobby, der Musik, zu frönen. Gelingt es Robert-Charrue in absehbarer Zeit in Europa Erfolg zu haben, hat er gemäss Insidern die grössten Chancen auf Collardis Nachfolge.

finews.ch-CEO-Chance: 80 Prozent

3. Thomas Meier

Thomas Meier 500

Über viele Jahre galt Thomas «Tom» Meier als Galionsfigur und Wegbereiter des Aufstiegs von Julius Bär in Asien – dem zweiten Heimmarkt der Schweizer Bank. Umso überraschender war dann Meiers Rückkehr im Sommer 2015 nach Zürich, wo er inzwischen als Head Corporate Sustainability agiert, was nicht unbedingt auf dem Niveau seines früheren Jobs als Head Asia liegt.

Ebenso erstaunlich ist, dass der bald 55-jährige Meier bei der Reorganisation im vergangenen Sommer auch nicht in die Kränze kam. Genau das spricht nun eher dagegen, dass er in die Fussstapfen Collardis treten könnte. Dabei hätte er die Kompetenz und Führungserfahrung für diesen Chefposten durchaus – ebenso die positive Ausstrahlung, die für einen solchen Job nicht unwichtig ist.

finews.ch-CEO-Chance: 30 Prozent

4. Nic Dreckmann

Nic Dreckmann 500

Wie Yves Robert-Charrue besitzt Chief Operating Officer (COO) Nic Dreckmann mit seinen 42 Lenzen die «Jugendlichkeit» von Boris Collardi. Der Schweizer stiess bereits 2004 zu Julius Bär. Dort machte er sich einen Namen bei der Integration diverser akquirierter Finanzinstitute, wie Merrill Lynch (International Wealth Management) oder die Privatbanken-Gruppe der UBS.  In der Folge bewährte sich Dreckmann im Bereich der Digitalisierung, bevor er im August des vergangenen Jahres als COO in die Geschäftsleitung der Bank aufstieg und seit Anfang 2017 diese Funktion in der Gruppe ausübt. 

Im Gegensatz etwa zu Robert-Charrue und anderen Julius-Bär-Protagonisten war Dreckmann ausserhalb der Bank nie visibel. Zudem hat der ursprüngliche Accenture-Unternehmensberater keine Erfahrung mit Kunden. Dass er praktisch seine gesamte Berufskarriere bei Julius Bär absolviert hat, könnte in diesem Fall eher gegen eine Nomination Dreckmanns sprechen.

finews.ch-CEO-Chance: 10 Prozent

5. Gian A. Rossi

Gian Rossi 500

Seit mehr als zehn Jahren arbeitet Gian A. Rossi für Julius Bär, er ist ein enger Vertrauter von Boris Collardi, nicht nur aus gemeinsamen Credit-Suisse- und im besonderen Singapur-Zeiten, sondern weil der 46-jährige Banker und leidenschaftliche Golfer seinem Chef immer wieder zur Seite steht, wenn in einer Position Not am Mann ist – wie jüngst, als Rossi für den ausscheidenden Barend Fruithof einsprang und die Verantwortung für das Schweiz-Geschäft übernahm.

Rossi verfügt über eine Hausmacht, kennt das Geschäft und geniesst in der Branche einen ausgezeichneten Ruf. Fachlich ein Top-Kandidat. Mit Rossi würde Julius Bär vermutlich nicht mehr die bisweilen etwas dick aufgetragene Portion Glamour vorauseilen, die mit Collardi immer wieder ins Spiel kam. Aber das muss ja nicht schlecht sein.

finews.ch-CEO-Chance: 60 Prozent

6. Erich Pfister

Erich Pfister 500

Als potenzieller Nachfolger Collardis muss der Name Erich Pfister fallen. Auch er ein langjähriger, auf vielen Positionen bewährter Private Banker, der auch Asien-Erfahrung mitbringt. Von seinem seriösen Naturell her würde er gut zur noblen Julius-Bär-Gruppe passen. Gegen ihn spricht der Umstand, dass Pfister eben erst einen verantwortungsvollen bei der Falcon Private Bank übernommen hat.

Da das Institut aufgrund seiner Verwicklungen in den Skandal rund um den malaysischen Staatsfonds 1MDB geraten ist und dadurch die Wachstumsmöglichkeiten und künftigen Erfolgsaussichten etwas eingetrübt sind, könnte Pfister mit einem Einstieg bei Julius Bär – soweit es denn dazu käme – einen eleganten Abgang machen.

finews.ch-CEO-Chance: 50 Prozent

7. Christoph Brunner

Christoph Brunner 500

Unter den externen Kandidaten für eine Nachfolge Collardis figuriert sicher auch Christoph Brunner. Dafür sprechen eine Reihe von Gründen: Erstens ist Brunner ein Credit-Suisse-Mann, und Julius Bär rekrutiert mit Vorliebe Manager von dieser Grossbank. Zweitens ist Brunner ein erfahrener Banker, der im Verlauf seiner Karriere höchst schwierige Aufgaben zu meistern verstand. So baute er das Schweizer Geschäft der CS um und führte ein neues Gebühren- und Beratungsmodell ein. Drittens ist der frühere McKinsey-Berater hungrig auf einen weiteren Karriereschritt.

Vor gut einem Jahr ist er den Restrukturierungsplänen von CS-CEO Tidjane Thiam zum Opfer gefallen. Anstatt Brunner hatte Thiam Thomas damals Thomas Gottstein an die Spitze des Schweizer Geschäfts berufen. Brunner zog es vor, die CS zu verlassen.

finews.ch-CEO-Chance: 30 Prozent

8. Marco Bizzozero

Marco Bizzozero 500

Marco Bizzozero ist der Geheimtyp unter den potenziellen Nachfolgern Collardis. Der Tessiner ist während seiner sechs Jahre als Chef Private Banking für die Schweiz und die Regionen Europa, Naher Osten und Afrika (EMEA) bei der Deutschen Bank eher unauffällig geblieben – was in diesen turbulenten Zeiten durchaus positiv zu werten ist.

Bizzozero verfolgte als einer der ersten Schweizer Private-Banking-CEOs die Weissgeld-Strategie – und bewies damit schon früh einigen Realitätssinn. Ende 2016 gab er im Sog der Krise im Frankfurter Mutterhaus überraschend seinen Austritt aus der Deutschen Bank bekannt. Dass er seine Karriere ursprünglich als Investmentbanker startete, könnte seine Chancen auf den CEO-Posten bei Julius Bär noch erhöhen – Stichwort: Vielseitigkeit.

finews.ch-CEO-Chance: 20 Prozent

9. Stefano Coduri

Stefano Coduri 500

Mit Sicherheit wäre Stefano Coduri als oberster Julius-Bär-Lenker eine Überraschung, insbesondere nach seinem abrupten Abgang bei der BSI im vergangenen Jahr im Zuge des 1MDB-Korruptionsskandals. Laut Finma verletzte die BSI die Geldwäscherei-Bestimmungen schwer. In jener Zeit amtete Coduri als CEO. Die Aufsicht entzog in der Folge der BSI die Banklizenz.

Wie jeder gefallene Banker hätte auch Coduri eine zweite Chance verdient. Den Rucksack für den Führungsposten bei Julius Bär bringt er zweifelsohne mit. Coduri kennt sich auch mit der Integration von Banken aus – eine Kompetenz die bei Julius Bär durchaus gefragt ist. Bei der BSI verantwortete Coduri 2006 die Integration der Banca Unione di Credit und ein Jahr später jene der Banca del Gottardo.

finews.ch-CEO-Chance: 10 Prozent

10. Franco Morra

Franco Morra 500

Seit Oktober 2010 steht Franco Morra im Sold der britischen HSBC-Gruppe und wurde Anfang 2012 zum Chef der HSBC Private Bank (Suisse) ernannt. Der ehemalige CEO der UBS Schweiz wurde in einer Zeit Chef, in welcher der britische Konzern in einer tiefen Krise steckte. Das Unheil nahm mit den «Swiss Leaks»-Enthüllungen seinen Lauf, die auf einen Datenklau des ehemaligen HSBC-Informatikers Hervé Falciani 2008 zurückreichten. Das britische Institut wurde der Beihilfe zu Steuerhinterziehung überführt und zu einer Milliardenbusse verurteilt.

Morra gelang es, die HSBC Schweiz wieder auf eine solide Basis zu stellen. Dabei scheute er sich nicht davor zurück, Geschäftsbereiche zu schliessen oder zu verkaufen und mehrere hundert Stellen zu streichen. Mittlerweile befindet sich das Institut wieder im Aufwind. Der 50-Jährige Banker weiss mit Veränderungen umzugehen und die Prozesse in die rechten Bahnen zu lenken, eine Eigenschaft die auch bei Julius Bär gefragt ist.

finews.ch-CEO-Chance: 20 Prozent

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