Private Banker legen nicht von ungefähr eine an Paranoia grenzende Öffentlichkeitsscheu an den Tag. Schlagzeilen wiegen schwer im Metier, wie sich exemplarisch am Mediensturm um Pictet-Teilhaber Boris Collardi zeigt.

«Die Gerichtshöfe der Moral kennen keine Prozessordnung.» Das Zitat des deutschen Philosophen Hermann Lübbe beschreibt treffend, was dieser Tage am Finanzplatz vor sich geht. Wie finews.ch am Finanzplatz erfahren hat, zeitigt der Mediensturm rund um den Pictet-Teilhaber und früheren Julius-Bär-Chef Boris Collardi Folgen.

So ist die Rede von einzelnen Privatkunden, die aufgrund der Negativschlagzeilen nicht mit der Privatbank Pictet ins Geschäft kommen wollen. Dabei spielen auch Compliance-Prüfungen eine Rolle.

KYC funktioniert in beide Richtungen

Die sprichwörtliche Medienscheu der Swiss Private Banker, die teils an Paranoia grenzt, erhält vor diesem Hintergrund ihre Berechtigung. Denn nicht nur Banken überprüfen heutzutage ihre reichen Kunden auf Herz und Nieren. «Know your customer» (KYC) funktioniert auch in die Gegenrichtung: Family Offices und reiche Privatkunden wollen genau wissen, mit was für einem Institut sie es zu tun bekommen.

Dabei fällt die Berichterstattung der Medien stark ins Gewicht. finews.ch hatte Zugang zu einem modernen Recherche-System: Dieses produzierte Dutzende von Artikeln, in denen der Name Collardi in Zusammenhang mit Geldwäschereifällen fällt. Dies, obwohl keinerlei Sanktionen oder Verfahren gegen die Person des Bankers bekannt sind.

Zur Erinnerung: Die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma) hat Julius Bär wegen schwerer Mängel bei der Bekämpfung von Geldwäscherei in der Ära Collardi sanktioniert. Die Behörde untersucht weiterhin, ob die systematischen Mängel in der Risikokontrolle und der Compliance von Julius Bär direkt an Einzelpersonen festgemacht werden können. Das könnte Collardi mit einschliessen.

Mit Staranwalt und Kommunikations-Agentur

Zudem ist laut Medienberichten eine anonyme Strafanzeige gegen Collardi bei der Zürcher Staatsanwaltschaft eingegangen. Daraus resultierte zwar kein Strafverfahren. Aber Vorabklärungen, die zu einem solchen führen könnten, werden weiterhin getätigt.

Collardi scheint die Schlagzeilen nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. Der Banker lässt sich vom Zürcher Staranwalt Peter Nobel vertreten; auf der Kommunikationsebene wurde eine erfahrene Medienagentur engagiert. Auf Anfrage wollte sich die Privatbank Pictet nicht zur Wirkung der Medienschelte äussern.

Die Genfer Privatbank, die von sieben Teilhabern geführt wird, soll Kennern des Instituts zufolge hierzulande bezüglich Wachstum sehr gut vorankommen; das würde die Wirkung der Schlagzeilen aufs Neugeld relativieren.

Medienarchive durchforsten

Aus der Sicht von Compliance-Spezialisten sind die Medienberichte aber nicht einfach Schall und Rauch. «Eine gründliche Medien-Recherche sollte Teil jeder seriösen KYC-Abklärung sein», sagt Miki Vayloyan, Chefin des Zuger Regtechs KYC Spider. Der Berichterstattung werde in der Compliance-Branche viel Gewicht beigemessen, weil Medien Organisationen und Personen klar benennen, während etwa Gerichtsurteile oft anonymisiert werden.

Vayloyan bestätigt auch, dass KYC in beide Richtungen funktioniert. «Es gibt Family Offices, die routinemässig Banken und deren Leitung mit einem Compliance-Tool abklären lassen, bevor sie eine Geschäftsbeziehung eingehen.» Moderne Systeme durchforsten dabei Medienarchive und listen relevante Meldungen fein säuberlich auf.

Wie weit geht das Vertrauen?

Für Banker und Banken, deren Namen oft in der Presse vorkommen, kann dies problematisch sein. Zumal im Gerangel um reiche Privatkunden die Konkurrenz gerne schlecht geredet wird. Das mussten UBS-Banker nach Betrugs- und Manipulations-Affären erfahren, und die Kundenberater der Credit Suisse im Zuge des «Spygate»-Skandals bei der Grossbank.

Des Weiteren zeigt sich, dass die zahlreichen Finanzaffären am Schweizer Bankenplatz nicht nur die Banken in Sachen Compliance aufrüsten liessen, sondern auch aufseiten der Kunden zu mehr Vorsicht führten. Das Vertrauen, die wertvollste Währung im Banking, scheint damit ein Stück weit der Kontrolle gewichen zu sein.

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