Cash und Gold sind bei den vermögenden Privatkunden der Banken hoch im Kurs. Die Krise hat die Risikoneigung stark beeinflusst, sagt Finanzprofessor Teodoro D. Cocca. Die Banken sind gefordert.


Herr Cocca, wie sollten die Banken, die auf die vermögenden Kunden zielen, auf die neue Situation reagieren? Was müssen sie ändern?

Vermögende Kunden sind durch die Ereignisse der letzten Jahre zutiefst verunsichert worden – teilweise bis hin zu echten Existenzängsten. Die daraus resultierende Risikoaversion prägt heute jedes Kundengespräch. Das Image der Banken und des Bankberaters hat in der Krise ebenfalls stark gelitten. Banken sollten sich dieser Ausgangslage sehr bewusst sein und durch Bescheidenheit beim eigenen Auftreten und Empfehlung konservativer Anlagestrategien punkten.

Eine ausgiebige Auseinandersetzung mit dem Risikoprofil des Kunden – mit modernen Methoden – ist Pflicht. Hier wurden in der Vergangenheit viele Fehler gemacht, beziehungsweise viel zu wenig Zeit investiert. So einfach dies nun klingen mag: In der Folge muss das Portfolio entsprechend diesem Risikoprofil aufgebaut werden.

Hier zeigen sich teilweise erhebliche Mängel in der Praxis. Zu häufig standen und stehen nicht primär die Interessen der Kunden in den Mittelpunkt, sondern die Ertragsoptimierung der Bank. Das darf es in einer echt-kundenfokussierten Bank nicht geben – früher schon nicht und heute schon gar nicht mehr.

Die Frage, die jeder Kunde in einem Beratungsgespräch stellen sollte: Was hat eigentlich Ihre Bank aus der Finanzkrise gelernt? Was haben Sie als Berater gelernt? Und was hat Ihre Bank in letzter Zeit geändert? Sollte dabei sichtbar werden, dass weder der Beratungsansatz, der Anlagestil noch die Produktpalette angepasst wurde, dann sollte man sich überlegen, ob man bei der richtigen Bank ist.

Gelten Ihre Erkenntnisse auch für den asiatischen Raum, den nun viele Privatbanken mit vollen Kräften anzapfen?

Das Geschäft mit Privatkunden im asiatischen Raum weist wesentliche Unterschiede zum Private Banking in Europa auf. Nicht zuletzt haben asiatische Kunden die Finanzkrise ganz anders erlebt als europäische Kunden. Ganz entziehen konnten sie sich auch nicht, die gefühlte Krise erreichte Asien allerdings nur in Ansätzen. Somit ist die kollektive Erfahrung von Bankern und Kunden dort eine andere. Es wäre aber verfehlt, den Beratungsprozess auch in Asien nicht um die Erfahrungen der europäischen Kunden zu ergänzen.

In der Schweiz ist der Vertrauensverlust grösser, hat eine Studie über Privatanleger ergeben. Wie erklären Sie sich den Unterschied in dem Unterschied im Vertrauensverlust zwischen Deutschland und der Schweiz?

Die Höhe des Vertrauensverlustes im Rahmen der Finanzkrise kann als Differenz zwischen einem erwarteten Sicherheitsniveau und der effektiv erlebten Erfahrung verstanden werden. Genauso wie die Schweizer vom Untergang der Swissair geschockt waren, weil ein solches Szenario völlig undenkbar schien, führte der Quasi-Untergang der UBS zu ähnlichen psychologischen Empfindungsmuster.

Die UBS als wahrlicher «Beton-Pfeiler» des Finanzplatzes galt einfach als unfehlbar. Die Einsicht, dass gerade die so stabil wahrgenommene Bank mit der Zeit aber immer sichtbarer, in sich zusammenzufallen drohte, entzog manchem die letzte Illusion: auch eine Schweizer Grossbank kann tatsächlich untergehen.

In Deutschland waren eher die kleineren Banken von der Krise betroffen, denen man aber sowieso nicht die gleiche Widerstandskraft zutraute als eben einer Schweizerischen Grossbank. Die Desillusionierung war in der Schweiz damit einfach viel grösser.

Wird Ihre Empfehlung für Retail-Kunden, die Contrarian-Strategien zu beherzigen, die auf dieses Segment ausgerichteten Banken zu einem neuen Ansatz bewegen?

Banken, welche ernsthaft der Frage nachgehen, warum es in den letzten zehn Jahren nicht gelungen ist, für den Kunden eine Mehrperformance zu erreichen, werden sich diese Gedanken müssen. Eine überdurchschnittliche Performance lässt sich natürlich nicht einfach «bestellen» – aber es sollte darüber nachgedacht werden, welche Änderungen im Asset Management oder im Portfolio Management notwendig sind, um überhaupt die Grundlage für eine Outperformance zu erreichen.

Dabei sollte eine Lehre aus den letzten Jahren im Zentrum stehen: wenn ich mich immer genau wie die Herde verhalten, kann ich auch nicht besser sein als die Herde. Ein modernes Asset Management sollte heute aus diesem Grund Instrumente zur Verfügung haben, um erstens zu erkennen, wohin sich die Herde – sprich der Gesamtmarkt – bewegt und unter welchen Annahmen sie dies macht.

Zweitens braucht es Instrumente um möglicherweise falsche Bewegungen der Herde zu erkennen und drittens braucht es den Willen – gestützt durch das oberste Management – sich auch mal gegen die Herde positionieren zu können.

Das Problem ist sehr tiefgehend, denn heute liest eine Vielzahl von Finanzprofis die genau gleichen Nachrichtenquellen, in Anlageausschüssen werden die genau gleichen Zahlen und Studien diskutiert und dann folgerichtig die genau gleichen Schlüsse gezogen. Herdenverhalten – und damit eine bestenfalls durchschnittliche Anlageperformance – ist damit programmiert.

Wären aufgrund Ihrer Erkenntnisse nicht auch gerade die Institutionellen gefordert, die ja eher passiv anlegen?

Es ist fast schon traurig zu sehen, was sich momentan im institutionellen Bereich tut. Wenn die Quintessenz der Erfahrungen und Erkenntnisse der letzten Jahre darin besteht, nur noch Gelder passiv anzulegen, dann ist dies ein Armutszeugnis für das Selbstverständnis aller involvierter Akteure.

Für die Vertreter der aktiveren Anlagestrategien wird aber die Gunst der Stunde kommen, denn je mehr Geld passiv angelegt wird, desto mehr Chancen eröffnen sich für aktive Anleger. Ein zunehmend grosser Anteil an passivem Geld, welches ohne intellektuelle Leistung, angelegt wird, senkt die Effizienz des Marktes und führt zu Fehlbewertungen. Es liegt aber nun auch an den aktiven Investoren zu zeigen, dass sie in der Lage sind, diese Fehlbewertungen auszunutzen.

Im Dezember 2009 zitierten wir Sie wie folgt: «Die damit (die Finanzkrise ist gemeint) stark gestiegenen strategischen Risiken im Private Banking werden zu neuen Gewinnern und Verlierern führen und die Private-Banking-Landschaft unvermeidbar neu ordnen». Was sieht man davon heute schon?

Man sieht natürlich schon sehr viel. Einige der «Überflieger»-Banken im Boom müssen heute um Ihre Unabhängigkeit fürchten oder stecken in massiven strategischen Problemen. Auf der anderen Seite wird der Effekt zurzeit noch etwas gedämpft, weil die Verschuldungskrise in Europa dazu geführt hat, dass auch wieder vermehrt Gelder die Safe-Haven-Funktion der Schweiz gesucht haben.

Die Neuordnung ist auf jeden Fall in vollem Gang. Es gibt aber natürlich auch Gewinner der Vergangenheit, welche sich durch schnelle Neuausrichtung bereits fit für die Zukunft gemacht haben.


Teodoro D. Cocca ist Professor für Asset Management an der Johannes Kepler Universitität Linz.

 

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