Banken erheben Negativzinsen bei Geschäfts- und Privatkunden. Dabei belasten Institute wie die Postfinance gemäss Recherchen von finews.ch auch Schweizer Organisationen, deren Gelder zweckgebunden sind. Das zieht die Forschung in Mitleidenschaft.

In einem Monat ist es genau sechs Jahre her, dass die Schweizerische Nationalbank (SNB) damit begonnen hat, Guthaben auf ihren Girokonten mit Negativzinsen zu belasten.

Dieses geldpolitische Instrument hat die SNB eingeführt, um die Attraktivität von Anlagen in Franken zu reduzieren und so dem Aufwertungsdruck des Schweizer Frankens entgegenzuwirken. Ohne solche Massnahmen würde der Franken gegenüber ausländischen Währungen massiv ansteigen, was Teile der Schweizer Wirtschaft – namentlich zum Beispiel die Exportindustrie – empfindlich schwächen würde, weil es teurer würde, Schweizer Produkte mit ausländischen Währungen zu bezahlen.

Kampf gegen Krebs und andere Krankheiten

Diese Massnahme betrifft nicht nur Schweizer Finanzinstitute und Banken, deren Zinsdifferenzgeschäft als wichtigste Einnahmequelle zunehmend unter Druck gerät, sondern schwächt auch Forschungsinstitute von nationaler Bedeutung, wie finews.ch in Erfahrung gebracht hat.

Diese Organisationen von nationaler Bedeutung sind Institute wie die Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für klinische Krebsforschung, die Paraplegiker-Stiftung oder das Schweizerische Tropen- und Public Health-Institut Swiss. Diese Organisationen forschen entweder selber oder vermitteln zumindest Gelder, die vom Bund, von Industriepartnern und gewöhnlichen Spendern zusammenkommen, um relevante Forschung zu betreiben.

Wie viele andere Unternehmen haben diese Institute oftmals ihre Gelder auf Konten bei der Postfinance parkiert. Das Staatsinstitut belastet Negativzinsen bei Geschäfts- und Privatkunden. Was bislang nicht bekannt war: Negativzinsen werden auch auf Geldern von Schweizer Instituten und Organisationen erhoben, welche für die Forschung zweckgebunden sind und folglich nicht angelegt werden dürfen. 

«Keine Änderung, sondern konsequente Weiterführung»

Ein Sprecher der Postfinance sagt gegenüber finews.ch, aufgrund des Bankkundengeheimnisses könne man nicht auf einzelne Kundenbeziehungen eingehen. 

Die Bank gebe die negativen Marktzinsen bereits seit längerer Zeit verstärkt an ihre Geschäftskunden weiter, indem sie neue Schwellenwerte einführe oder bestehende Schwellenwerte senke: «Die von Ihnen angesprochenen Fälle stellen also keine Änderung unsere Guthabengebühr-Politik dar, sondern sind eine konsequente Weiterführung derselben.»

Institutionen arrangieren sich

Beim Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI), das diese Institutionen selber finanziell mit Bundesgeldern unterstützt, ist man sich dieser Problematik bewusst, bestehe diese doch schon seit rund zwei Jahren. Sie habe dazu geführt, dass das SBFI die Beitragszahlungen aufgeteilt hat, damit weniger Geld gleichzeitig auf die Konten der Institutionen fliesst.

Die meisten Institute hätten sich mit ihren Banken arrangiert und entweder spezielle Konditionen ausgehandelt oder die Gelder auf mehr Banken aufgeteilt, um die einzelnen Schwellenwerte nicht zu überschreiten.

Stichproben bei den Institutionen bestätigen dies gegenüber finews.ch: Einzelne Institutionen sind von der Negativzinsthematik gänzlich unbetroffen, weil sie über so viele Bankkonten verfügen, dass auf keinem zu viel Geld liegt. Andere haben spezielle Verträge mit ihren Banken abgeschlossen, die sie von den Negativzinsen entbinden. Und doch sind es längst nicht alle, einige müssen – zwar bis dato immerhin kleine – Beträge an Negativzinsen aufwenden.

SNB kann nicht helfen

Die Nationalbank räumt ein, dass die Situation für solche Einrichtungen nicht optimal ist. Da diese aber ihre Konten nicht bei der SNB direkt, sondern bei den jeweiligen Geschäftsbanken hätten, könne die SNB da nichts machen, so eine Sprecherin. Ausnahmeregelungen gibt es inzwischen nur noch für die Konten der zentralen Bundesverwaltung und des Ausgleichsfonds AHV/IV/EO.

Die SNB hat letztes Jahr immerhin versucht, die Situation ein wenig zu entschärfen, indem die Freibeträge der Banken erhöht wurden, für die sie keine Negativzinsen an die SNB abliefern und diese folglich auch nicht ihren Kunden weiterreichen müssen. So sagte auch SNB-Präsident Thomas Jordan letztes Jahr in einem Referat, dadurch werde «die Gesamtbelastung des Bankensystems durch den Negativzins auf das geldpolitisch Nötige beschränkt und zugleich dem Umstand Rechnung getragen, dass das Tiefzinsumfeld weltweit noch länger anhalten könnte.»

Ausserdem sollten durch die Erhöhung die Negativzinseinnahmen der SNB sinken. Wie hoch diese Einnahmen genau sind, ist unbekannt. Im Geschäftsbericht werden sie jedenfalls zum Gewinn auf den Frankenpositionen gezählt, der 2019 2,1 Milliarden Franken betrug und laut SNB im Wesentlichen aus den erhobenen Negativzinsen resultierte. Somit fliesst das Geld ins Jahresergebnis der SNB ein.

Forschung als Kollateralschaden?

Bis anhin hält sich der Schaden, den die Geldpolitik der SNB an der Schweizer Forschung anrichtet, noch in Grenzen. Die Absurdität, dass der Bund Gelder in die nationale Forschung steckt, die anschliessend im Namen der Gesamtinteressen der Schweiz als Folge der Geldpolitik wieder herausgenommen werden, bleibt.

Was der Effekt auf die Attraktivität von Anlagen in Franken ist, wenn Schweizer Forschungsinstitute weniger Geld zur Verfügung haben, kann wohl niemand beantworten.

War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
  • Ja, es gab keine andere, wirtschaftlich sinnvolle Alternative.
    26.6%
  • Nein, man hätte die Credit Suisse abwickeln sollen.
    18.59%
  • Nein, der Bund hätte die Credit Suisse übernehmen sollen.
    28.19%
  • Man hätte auch ausländische Banken als Käufer zulassen sollen.
    9.08%
  • Man hätte eine Lösung mit Schweizer Investoren suchen sollen.
    17.55%
pixel