Nicht ohne Stolz erwähnt Patrick Odier, dass die Privatbank Lombard Odier in den 225 Jahren ihrer Existenz nicht weniger als 40 Finanzkrisen bewältigt hat. Das höchst schwierige Corona-Jahr 2020  war für das Genfer Traditionsinstitut ein sehr gutes, wie er im Interview mit finews.ch feststellt.


Herr Odier, sind das die letzten Jahreszahlen, die Sie als Senior Managing Partner von Lombard Odier präsentieren?

Wie kommen Sie darauf?

Im Jahr 2022 übergeben Sie das Zepter an Ihren Mit-Teilhaber Hubert Keller.

Das ist richtig. Wie bereits kommuniziert, wird dies Ende 2022 der Fall sein. In den Monaten zuvor erfolgt die graduelle Übergabe der Aufgaben an Hubert Keller. Insofern werden Sie auch noch nächstes Jahr mit mir Vorlieb nehmen müssen.

Wie würden Sie persönlich das vergangene Jahr mit drei Stichwörtern charakterisieren?

Für unsere Kunden und auch für uns als Bank war es ein sehr gutes Jahr, mit einer starken Investment-Performance, was wiederum unser bewährtes Geschäftsmodell unterstrichen hat.

«2020 hat uns in mehrfacher Hinsicht Recht gegeben»

Wir haben den Gewinn um fast 20 Prozent gesteigert und verzeichneten hohe Neugeldzuflüsse von netto 12 Milliarden Franken, je hälftig von privaten und von institutionellen Kunden. Dies steigerte unsere verwalteten Kundenvermögen auf 316 Milliarden Franken – was 6 Prozent mehr ist als im Vorjahr.

Das vergangene Jahr begann alles andere als positiv. Haben Sie sich im Verlauf von 2020 auch Sorgen gemacht, dass sich das Geschäft nicht so erfreulich entwickeln könnte?

Unser Metier besteht darin, uns täglich um das Wohl unserer Kunden und deren Vermögen zu kümmern. Das ist unser Beitrag und Mehrwert. Das Jahr 2020 hat uns in mehrfacher Hinsicht Recht gegeben.

Das müssen Sie genauer erklären.

Unsere Kunden hatten im vergangenen Jahr ein grosses Vertrauen in unsere Markteinschätzungen und damit auch in unsere Beratung. Darum sind sie im März und April nicht in Panik ausgebrochen und ausgestiegen, sondern sie blieben investiert. Hinzu kam die Sensibilisierung für nachhaltige Anlagen, die sich 2020 noch enorm verstärkt und den Kundinnen und Kunden erst noch höhere Renditen verschafft hat.

«In Asien sind wir etwas anders aufgestellt»

Genau das hat uns davon überzeugt, dass unser Geschäftsmodell richtig ist. Nicht ohne Stolz erwähnen wir gerne, dass Lombard Odier in den 225 Jahren seiner Existenz nicht weniger als 40 Finanzkrisen bewältigt hat.

Wie entwickelte sich das Geschäft in Asien, wo Covid-19 viel früher als in Europa ausbrach?

Es war für uns auch in Asien ein sehr gutes Jahr, das die positive Entwicklung von 2018 und 2019 ganz klar bestätigt hat. In Asien sind wir etwas anders aufgestellt. Wir arbeiten einerseits in unseren Zentralen in Singapur und Hongkong vor allem mit diskretionären Mandaten, bieten also keine Trading- oder Execution-only-Aufträge an, und andererseits kooperieren wir in sieben Ländern eng mit lokalen Banken, die uns neue Kunden erschliessen, denen wir spezialisierte Investment-Lösungen anbieten können.

«In Asien wollen wir unsere Kooperationen mit ausgewählten Banken weiter ausbauen»

Die asiatische Kundschaft will zunehmend in der eigenen Region, also «onshore» ihr Geld verwaltet haben. Genau diesem wachsenden Bedürfnis können wir mit unseren Partnerschaften mit Co-Labelling entsprechen.

Was sind Ihre nächsten Ausbauschritte in Asien?

Wir wollen unsere Kooperationen mit ausgewählten Banken weiter ausbauen. Mit der thailändischen Kasikornbank werden wir zusätzlich Investments in Alternative Anlagen anbieten, und die Zusammenarbeit mit der japanischen Mizuho Bank soll namentlich in Singapur weiter ausgebaut werden.

Gehen Ihre Expansionspläne für 2021 auch mit einem Ausbau des Personalbestands einher?

Ja, insbesondere in der Schweiz. Im vergangenen Jahr haben wir netto 60 Mitarbeitende angestellt. Auch 2021 werden wir in etwa gleichem Ausmass die besten Talente engagieren und unser Wachstum fortzusetzen.

Angesichts der tiefgreifenden Veränderungen in der Finanzwelt verändert sich auch das Profil der Kundenberater. Was für einen Typ suchen Sie?

Wir suchen «Persönlichkeiten», die zum einen sehr gut zuhören können, unternehmerisch denken, und zum anderen die Kunden respektive deren Bedürfnisse umfassend verstehen. Das ist nicht immer einfach ist, da wir vor allem Unternehmer und Familien betreuen, deren Vermögenssituation teilweise sehr komplex ist.

«Das Berufsbild des Bankberaters befindet sich in einem enormen Wandel»

Das verlangt von uns eine ganzheitliche Betrachtungsweise. Darüber hinaus müssen unsere Mitarbeitenden weitreichende Kenntnisse bezüglich neuer Anlageklassen wie Private Equity oder Kryptowährungen besitzen und ein gutes Gespür für Risiko-Management haben.

Ein wichtiges Thema sind heute auch Vorsorgelösungen für Führungspersönlichkeiten sowie für Unternehmer, wo es darum geht, die Anlageportfolios zu optimieren und steuerlich masszuschneidern. Insofern befindet sich das Berufsbild des Bankberaters tatsächlich in einem enormen Wandel, was es umso anspruchsvoller macht, die richtigen Leute zu finden.

Ein wichtiger Ertragspfeiler und auch ein zentrales Element Ihres Geschäftsmodells ist auch die Technologieplattform, die sie selber benützen, aber auch anderen Instituten anbieten. Sind 2020 weitere Banken hinzugestossen?

Nach der Aufnahme der Bank Syz im Jahr 2019 haben wir uns entschieden, unsere Plattform zu konsolidieren und durch die Integration neuer Technologien weiter zu optimieren. Dabei wollen wir auch das Kundenerlebnis neu definieren und investieren nun über die nächsten Jahre stark in unsere Technologie.

«So weit würde ich nicht gehen»

Das hatte zur Folge, dass wir 2020 keine weiteren Banken aufgenommen haben. Inzwischen befinden wir uns aber bereits wieder in Verhandlungen mit neuen Interessenten, was sich im Laufe von 2021 vermutlich noch konkretisieren wird.

Im Asset Management, also in der Entwicklung von Finanzprodukten und ganzen Investment-Strategien, ist weltweit eine grosse Konsolidierung im Gange. Welche Rolle spielt Lombard Odier Investment Managers (LOIM) in dieser Entwicklung?

Oberste Priorität hat für uns das organische Wachstum. Daran wird sich nichts ändern. Aber wir schauen uns auch um, wenn eine Opportunität sich ergeben sollte.

Ist die Übernahme eines Konkurrenten eine Option?

So weit würde ich nicht gehen. Doch wir sind zunehmend an Teams interessiert, die auf bestimmten Gebieten oder zu gewissen Themen eine Investment-Expertise mitbringen, die für uns ergänzend wäre. Insofern lautet die Antwort auf Ihre Frage: Ja, wir sind an der Konkurrenz interessiert, konkret an aussergewöhnlich guten Teams.

Wie verteilt sich das Neugeld auf Ihre drei Standbeine?

Das Nettoneugeld kam etwa je zur Hälfte aus dem Privatkundengeschäft und aus dem Asset Management, das sehr starke Zuflüsse im vergangenen Jahr verzeichnete.

Welche drei wichtigsten Prioritäten haben Sie sich für 2021 gesetzt?

Erstens die Nähe zu den Kunden, um sie auch in Zukunft durch ungewisse Zeiten sicher zu begleiten, indem wir ihre Vermögenssituation schützen und ihnen gleichzeitig Chancen aufzeigen, die sich aus den jeweiligen Entwicklungen ergeben.

«Wir sprechen als Unternehmer zu Unternehmern»

Zweitens wollen wir unser Know-how im nachhaltigen Investieren weiter ausbauen und verfeinern, weil es unseren Kundinnen und Kunden nachweislich einen Mehrwert bietet. Ich gehe davon aus, dass nachhaltige Anlagen die grössten Renditetreiber in absehbarer Zeit sein werden.

Drittens liegt unser Augenmerk darauf, die Risiken unserer gesamten Gruppe weiterhin so erfolgreich wie in den vergangenen 225 Jahren zu verwalten und so zur operativen Kraft der Gruppe beizutragen. Gerade auch in der jüngsten Krise hat sich die Solidität unseres Unternehmens bewährt und war für unsere Klientel enorm beruhigend.

Viel verdanken wir auch unserer inhabergeführten Organisation mit Partnern, die mit ihrem eigenen Geld investiert sind. Insofern sprechen wir als Unternehmer zu Unternehmern. Und last but not least konzentrieren wir uns ausschliesslich auf die Vermögensverwaltung und die damit verbundenen Investmentmöglichkeiten. Das verhilft uns zu einem klaren Fokus.


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(Die Teilhaber von Lombard Odier: Denis Pittet, Patrick Odier, Hubert Keller, Frédéric Rochat, Annika Falkengren und Alexandre Zeller; von links)


Patrick Odier ist seit 1986 geschäftsführender Teilhaber der Lombard-Odier-Gruppe und seit 2008 Senior Managing Partner. Er schloss sein Studium an der Universität Genf mit einem Lizenziat in Wirtschaftswissenschaften und die Universität Chicago mit einem MBA in Finanzwissenschaften ab. Er stiess 1982 zur familieneigenen Bank und absolvierte Zusatzausbildungen in Zürich, New York und Montreal, bevor er geschäftsführender Teilhaber wurde. Von 2009 bis 2016 war er Präsident der Schweizerischen Bankiervereinigung (SBVg). Zudem ist er Mitglied der Vorstandsgruppe der Economiesuisse und darüber hinaus in verschiedenen Stiftungen und wohltätigen Organisationen engagiert. Odier wird die Führung als Senior Managing Partner Ende 2022 an Hubert Keller übergeben.

 

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