Als Institutionen, deren Ziel das Gemeinwohl ist, hätten Stiftungen ein grosses Interesse, nachhaltig zu wirtschaften», erklären zwei Vertreter der Schweizer Privatbank Lombard Odier im Gespräch mit finews.ch. Viele von ihnen würden sich auch zu entsprechenden Vorgaben bekennen. Doch bei der Umsetzung halte dieses klare Bekenntnis nicht immer Schritt, so das Urteil der Spezialisten.

«Gemeinnützige Stiftungen sind jene Institutionen, die in der Schweizer Bevölkerung am meisten Vertrauen geniessen», stellt Andreas Arni im Gespräch mit finews.ch fest. Dies hätten verschiedene Umfragen ergeben. Umso wichtiger sei es, dass sie ihren guten Absichten, also ihrem Stiftungszweck, vollumfänglich gerecht würden, betont der Leiter des Schweiz-Geschäfts und der Niederlassung Zürich der Privatbank Lombard Odier.

Doch es besteht offenbar noch viel Potenzial, wie eine Erhebung zeigt, die Lombard Odier in Zusammenarbeit mit proFonds kürzlich durchgeführt hat. proFonds ist der schweizerische Dachverband der gemeinnützigen Stiftungen. Die wichtigsten Erkenntnisse daraus sind insofern überraschend, als sie aufzeigen, dass sich Stiftungen einem wachsenden Reputationsrisiko aussetzen, seit das Thema Nachhaltigkeit in der breiten Öffentlichkeit angekommen ist.

Gefahr für die Reputation

«Als Institutionen, deren Ziel das Gemeinwohl ist, haben Stiftungen per se ein grosses Interesse, nachhaltig zu wirtschaften», erklärt Maximilian Martin im Gespräch. Viele von ihnen würden sich denn auch zu entsprechenden Vorgaben bekennen. «Doch bei der Umsetzung hält dieses klare Bekenntnis nicht immer Schritt», sagt der oberste Verantwortliche für Philanthropie bei Lombard Odier.

«Damit laufen Stiftungen Gefahr, ihrem Stiftungszweck nicht mehr vollumfänglich gerecht zu werden, weil sie gewisse Auswahlkriterien ignorieren oder zu wenig berücksichtigen. Das kann ihrer Reputation enorm schaden», folgert Martin.

Grösserer Ehrgeiz notwendig

Als Hauptgründe für dieses Versäumnis gelten der Mangel an Zeit, Ressourcen und Fachwissen, wie aus der eingangs erwähnten Erhebung hervorgeht. Ausserdem zeigt eine grosse Mehrheit der befragten Stiftungen nur ein geringes Interesse mit ihresgleichen zusammenzuarbeiten oder Expertise von Dritten einzuholen.

Mit anderen Worten: Den Banken, die auf diesem Gebiet über eine ausgedehnte Praxis verfügen, ist es bis jetzt noch nicht gelungen, sich bei den Stiftungen aktiv einzubringen. Das ist verständlich, denn Innovation braucht Zeit. Es ist aber insofern bedauerlich, als Nachhaltigkeits- und Klimaschutzziele mittlerweile in praktisch allen Bereichen unserer Gesellschaft erreicht werden müssen. «Ein grösserer Ehrgeiz der Stiftungen in Sachen nachhaltiger Investments ist notwendig», folgert Arni.

Dynamischer Stiftungssektor

Besonders in der Schweiz ist das Stiftungswesen ein Milliardengeschäft. Aktuell existieren mehr als 13'000 gemeinnützige Institutionen dieser Art, die über ein Gesamtvermögen von geschätzten 100 Milliarden Franken verfügen. Davon lassen viele pro Jahr zwischen 2 Prozent und 5 Prozent in wohltätige Zwecke fliessen.

Wie dynamisch der Schweizer Stiftungssektor ist, belegt auch der Umstand, dass fast zwei Drittel aller gemeinnützigen Stiftungen in der Schweiz in den vergangenen 30 Jahren entstanden sind und die Schweiz mit einer Stiftungsdichte von 15,6 Stiftungen auf 10‘000 Einwohner sechsmal mehr Stiftungen pro Kopf aufweist als etwa die USA oder Deutschland.

Fondation Philanthropia

Rund 500 dieser Stiftungen in der Schweiz sind der Dachvereinigung proFonds angeschlossen, zu denen Lombard Odier einen engen Kontakt pflegt. Denn die Genfer Privatbank unterhält selber eine gemeinnützige Stiftung (Fondation Philanthropia), der sich interessierte Privatkunden oder auch Stiftungen anschliessen können. «Wir verstehen uns als Analyse- und Umsetzungsplattform für effektive Philanthropie», erklärt Martin, der auch als Stiftungsratsmitglied der Fondation amtet, «und können so die Prozesse der Entscheidungsfindung professionalisieren und zum Teil auch vereinfachen.»

Das ist in manchen Fällen auch dringend nötig. «Nachhaltigkeits-Reportings sind nach heutigen Massstäben zum Teil unzureichend, und es mangelt an Best-Practice-Vorgaben», stellt Arni fest, «ausserdem ist die Frage der Verantwortung für die Nachhaltigkeits-Dimension der Investitionen in vielen Stiftungen noch nicht abschliessend geklärt.»

Glaubwürdigkeit steht auf dem Spiel

In einer Welt der politischen Korrektheit, der totalen Transparenz und höchsten Ansprüchen an nachhaltige Praktiken könnten Stiftungen ihre Glaubwürdigkeit aufs Spiel setzen, sofern sie nicht umsichtig agieren. Nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund, dass immer mehr, vor allem neuere Stiftungen Umweltanliegen respektive Massnahmen gegen den Klimawandel als Stiftungszweck definieren.

Unter diesen Prämissen stellt sich auch zunehmend die Frage, wie weit Stiftungen ihre Ansprüche in Sachen Gemeinwohl, Nachhaltigkeit und finanzieller Rendite unter einen Hut bringen können. Finanzielle Rendite bedeutet heute nicht nur einen Mehrwert zu äufnen, sondern mit dem investierten Geld auch Wirkung zu erzielen – Impact Investing zu betreiben, wie es im Finanzjargon heisst.

Auf Lücken aufmerksam machen

Das wiederum setzt einen längeren Anlagehorizont und eine weitere Perspektive voraus, als er bislang bei manchen Stiftungen üblich ist, wie Martin feststellt. «Unsere Erhebung soll Denkanstösse vermitteln und als Grundlage dienen, einzelne Stiftungen auf mögliche Lücken aufmerksam zu machen», erklärt der Fachmann von Lombard Odier.

Vor diesem Hintergrund kommen Lombard Odier und proFonds in ihrer Studie zum Schluss, dass Stiftungen gut beraten sind, ihre Anlagestrategien weiterzuentwickeln und sich nicht länger nur auf Ausschlusskriterien beschränken können. Damit rückt der erwähnte «Impact» stärker in den Vordergrund.

Mehr Professionalität

Ausserdem sollten Stiftungen verstärkt definieren, was Nachhaltigkeit für sie heisst, und wie sie dies in der Praxis umsetzen wollen. In diesem Sinne muss auch die Berichterstattung professionalisiert werden, was durchaus auch bedeutet, externe Fachleute beizuziehen – insbesondere, wenn es um Best Practices geht.

Schliesslich sollten sich Stiftungen überlegen, wie sie ihren Ruf und ihre privilegierte Stellung noch besser nutzen können, um besser, sprich nachhaltigere Anlageentscheidungen zu treffen.

 

 

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