Die Geldpolitik-Experimente der türkischen Regierung lassen die Inflation explodieren. Schweizer Banken und Vermögensverwalter sind da ein willkommener Hafen, wie Recherchen von finews.ch zeigen.

Präsident Recep Tayyip Erdogan will die Türkei vom «Buckel der Zinsen» befreien. Stattdessen droht nun die Teuerung ausser Rand und Band zu geraten – wie dieser Tage bekannt wurde, ist die Inflationsrate mit über 36 Prozent im vergangenen Dezember auf den höchsten Wert seit fast zwei Jahrzehnten gestiegen.

Wie ein Pulverfass

Derweil ist die türkische Lira jene Devise, die vergangenes Jahr im Vergleich am meisten Wert verloren hatte. Herrschte vor 20 Jahren noch grob Parität zwischen dem Franken und der türkischen Landeswährung, ist die Lira nun noch 7 Rappen wert. Das geldpolitische Experiment der Regierung, die ausufernde Teuerung mit Zinssenkungen zu kontern, steht kurz davor, zu platzen.

Die Erschütterungen sind schon jetzt am Schweizer Bankenplatz spürbar. «Mit einer Einkaufsmanager-Inflation von 80 Prozent und einer Konsumentenpreis-Teuerung von 40 Prozent gleicht die konjunkturelle Situation heute einem Pulverfass», sagt George Alevrofas, Investmentchef und Mitglied der Geschäftsführung von VT Wealth Management. Der Zürcher Vermögensverwalter zählt auch türkische Unternehmer zu seinen Kunden.

In Franken umschichten

Überraschend ist die Eskalation allerdings nicht, folgt man Alevrofas. «Wir hatten unseren türkischen Kunden schon seit zwei bis drei Jahren empfohlen, Cashflow aus der Lira in Währungen wie Franken, Dollar oder Euro umzuschichten», sagt er. Dies, nachdem Präsident Erdogan begonnen hatte, Einfluss auf die dortige Zentralbank zu nehmen und der aufkeimenden Inflation mit Zinslockerungen zu begegnen. «Entgegen allen Theorien der Geldpolitik», wie der Investmentexperte betont.

Das Swiss Banking profitiert, wie auch die Statistiken der Schweizerischen Nationalbank (SNB) zeigen. Die bei Schweizer Banken gelagerten Kundeneinlagen aus der Türkei – auch in örtlichen Bankfilialen und im Ausland – haben sich demnach von gut 3,2 Milliarden Franken im Jahr 2011 auf über 6 Milliarden Franken im Jahr 2020 fast verdoppelt. Dies, obschon die Türkei seit längerem strenge Kapitalausfuhr-Kontrollen kennt.

Kredite bei der UBS

Die hiesigen Institute gegen sich zu ihrem Geschäft am Bosporus zugeknöpft. Aus dem Geschäftsbericht der UBS lässt sich aber herauslesen, dass die Grossbank Ende 2020 rund 1 Milliarde Dollar an Krediten von türkischen Unternehmen in den Büchern hatte.

Angesichts der Währungsverfalls dürfte der Run auf die Dienste von Schweizer Finanzdienstleistern nun wohl nicht so schnell nachlassen. Der Entscheid der türkischen Regierung, Lira-Einlagen faktisch per Staatsgarantie vor Wechselkurs-Verlusten zu schützen sowie die Reserven an Devisen und Gold gegen die Teuerung einzusetzen, verspricht nur kurzfristig Linderung. «Man darf davon ausgehen, dass Präsident Erdogan bald zu einem Richtungswechsel gezwungen sein wird», sagt Finanzmarkt-Kenner Alevrofas.

Zu wichtig im Gefüge

Dass das Pulverfass in der Türkei hingegen explodiert, gilt unter Börsianern als wenig wahrscheinlich. So sind türkische Anleihen bisher nicht stark unter die Räder gekommen; die Notierungen für die Credit Default Swaps (CDS), mit denen Investoren ihre Anleihenbestände absichern, bewegen sich dort trotz allen Turbulenzen und Unsicherheiten im Moment zwischen 400 und 600 Basispunkten. «Der Markt ist offenbar noch zuversichtlich, dass die Türkei einen Staatsbankrott abwenden kann», folgert Alevrofas.

Angesichts der wirtschaftlichen und geopolitischen Bedeutung des Landes gehen Investoren davon aus, dass der Weltwährungsfonds (IWF) ebenfalls stützend eingreift. Sinnigerweise wäre es dann das Ausland, das nach dem geldpolitischen Sonderweg der Türkei zu Hilfe eilt.

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