Akquisitionen der Schweizer Grossbanken in den USA waren seit jeher Wendepunkte in ihrer jeweiligen Entwicklung. Allerdings mit oftmals ambivalenten Erfahrungen. Nun wieder.

Mit der sukzessiven Übernahme des US-Finanzinstituts First Boston konnte sich die Credit Suisse (CS) in den 1990er-Jahren eine Zeit lang als wichtige Investmentbank – unter dem Kürzel CSFB – an der Wall Street etablieren.

Allerdings erwiesen sich die Kosten und späteren Verluste als dermassen hoch, dass die CS nun endgültig daran ist, diese Sparte herunterzufahren. Wie dies genau vonstatten gehen soll, will die Bank Ende Oktober an einem Investorentag kommunizieren.

Wertberichtigungen bis in unsere Tage

Eine Hypothek bürdete sich die CS auch im Jahr 2000 auf, als sie die US-Konkurrentin Donaldson, Lufkin & Jenrette (DLJ) übernahm. Die Kosten von damals rund 20 Milliarden Dollar erwiesen sich als viel zu hoch im Vergleich zu den Synergien, die gar nie richtig erzielt werden konnten.

Stattdessen kam es zu einem Aderlass vieler wichtiger DLJ-Kaderleute, so dass sich diese Übernahme nie rechnete und noch bis in unsere Tage zu Goodwill-Abschreibungen und Wertberichtigungen führte, wie auch finews.ch berichtete.

Angriff aufs Schweizer Bankgeheimnis

Der UBS erging es nicht viel besser. Mit PaineWebber übernahm sie – ebenfalls im Jahr 2000 – einen US-Broker, der das Vermögensverwaltungsgeschäft der UBS in den USA hätte beflügeln sollen. Die ebenfalls höchst kostspielige Akquisition erwies sich allerdings als Reinfall, da es in der Folge zu einer Vermischung von On- und Offshore-Geschäft kam.

Das wiederum lieferte der US-Justiz den Freipass, gegen das Schweizer Bankgeheimnis – als Mittel zur Steuerhinterziehung – vorzugehen und dem Schweizer Finanzplatz reputationsmässig nachhaltig zu schaden – indem die UBS gezwungen wurde, Tausende von vertraulichen Bankkundendaten über den Atlantik zu schicken. Der Rest ist Geschichte.

Völlig überraschend

Am vergangenen Wochenende hat die UBS ein weiteres Kapitel in dieser Saga geschrieben: Völlig überraschend teilte die Grossbank mit, dass sie die im vergangenen Januar mit Trompeten und Posaunen angekündigte Übernahme des digitalen US-Vermögensverwalters Wealthfront für 1,4 Milliarden Dollar wieder abgeblasen habe.

Gründe dafür lieferte sie bislang keine, so dass darüber nur gemutmasst werden kann. Fest steht indessen, dass dieser Rückzug vor allem für UBS-Chef Ralph Hamers und sein Digital-Team ein herber Rückschlag ist.

UBS als Trendsetterin

Denn der Holländer war im Herbst 2020 mit der Verheissung angetreten, die UBS definitiv ins digitale Zeitalter zu überführen, so wie er dies bereits mit der niederländischen Bank ING getan hatte.

Und dies klappte zunächst ganz gut. Die UBS erwies sich, trotz ihrer Grösse und vermeintlichen Trägheit, als wahre Trendsetterin in vielen Belangen und Dienstleistungen, sei es in der Vermögensverwaltung, beim Investieren oder im Immobiliengeschäft. Mit ihren Tools setzt respektive setzt sie noch immer neue Massstäbe.

Vermeintliche Krönung

Der Deal mit Wealthfront hätte nun vorläufig die Krönung der UBS-Digitalstrategie darstellen sollen. War es doch der Schweizer Bank gelungen, einen der ganz grossen US-Anbieter auf diesem Gebiet an Land zu ziehen, und der dank seiner Kundenstruktur das höchst begehrte Segment der jungen Klientel, der sogenannten Next Gen oder auch Generation Z, in Aussicht stellte.

Im vergangenen Januar hiess es, das in Kalifornien ansässige Unternehmen, das eine virtuelle Vermögensverwaltung über Apps und digitale Tools anbietet, verfüge über rund 470'000 Kundinnen und Kunden und verwalte rund 27 Milliarden Dollar an Depotgeldern. Die Akquisition zum Preis von 1,4 Milliarden Dollar hätte die UBS möglicherweise sehr viel weiter gebracht.

Zu hohe Bewertung

Was Anfang 2022 jedoch fast niemand absehen konnte, war der kurz darauf ausgebrochene Krieg in der Ukraine, der in Verbindung mit der Zinswende und der Explosion der Teuerung zu einem Börsencrash führte, insbesondere unter den Technologietiteln. Vor diesem Hintergrund erwies sich die Bewertung von Wealthfront plötzlich als viel zu hoch, respektive die UBS musste viel zu tief in die Tasche greifen.

Unter diesen Prämissen und der Aussicht auf eine drohende Rezession oder zumindest auf künftig eher zögerliche Kundinnen und Kunden war die Notwendigkeit des Deals in seiner originären Ausgestaltung nicht mehr gegeben.

Defizitärer Vermögensverwalter

Der Schweizer Unternehmer und Fintech-Experte Adriano Lucatelli betonte gegenüber finews.ch ausserdem: Bis jetzt habe Wealthfront noch kein Geld verdient. Das Unternehmen verfolge mit einer Management Fee von 0,25 Prozent des investierten Vermögens eine Tiefpreisstrategie. Die 27 Milliarden Dollar an Kundengeldern übersetzten sich in einen Umsatz von gut 67 Millionen Dollar. Wie hoch die Kosten seien, die dem gegenüber stünden, wisse man nicht.

Mit anderen Worten: «Die UBS schickte sich an, einen defizitären Vermögensverwalter zu kaufen, der mit seiner Billigkultur einen Fremdkörper in der Swiss-Banking-DNA der Grossbank darstellt und dessen langfristige Erfolgsaussichten allein auf rasantem Wachstum an Kunden und Kundenvermögen aufgebaut sind. Ein typisches Silicon-Valley-Startup», folgert Lucatelli, der selber einen Robo-Advisor namens Descartes betreibt.

Abrupter Abbruch

Mit einer Beteiligung über ein Wandelanleihen-ähnliches Konstrukt von knapp 70 Millionen Dollar an Wealthfront will die UBS zwar noch ein Bein in dem US-Unternehmen drin behalten und es so vor einer weiteren Abwertung bewahren, doch der eigentliche Deal ist gescheitert.

Der Abbruch muss abrupt erfolgt sein. Denn noch Ende Juli 2022 hatte UBS-Chef Hamers versichert, die Übernahme verlaufe nach Plan, man warte auf das grüne Licht der Behörden. Ein weiterer Leidtragender ist sicherlich Iqbal Khan, der nunmehr alleinige Chef der UBS-Vermögensverwaltung, nachdem sein langjähriger Co-Chef, der Amerikaner Tom Naratil – nach 39 Jahren Firmentreue – unlängst mitgeteilt hatte, sich zur Ruhe zu setzen.

Doppelte Herausforderung für Iqbal Khan

Der schweizerisch-pakistanische Doppelbürger Khan ist nun doppelt gefordert – erstens als Wealth-Management-CEO, wo das Wealthfront-Projekt angeliedert war, und zweitens nun ohne die tatkräftige Unterstützung des US-Veteranen Naratil.

 

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