Mit vier Prioritäten im Wealth Management will Francesco De Ferrari die Credit Suisse wieder auf Erfolgkurs bringen. Er schliesst auch eine Akquisition nicht aus und erklärt im Interview mit finews.ch, wann die CS-Aktie wieder steigen sollte, und wie er mit der Macht der Sozialen Medien umgeht.


Herr De Ferrari, in den vergangenen Monaten haben viele reiche Kundinnen und Kunden die CS verlassen oder Geld in Milliardenhöhe abgezogen. Hatten Sie deswegen schlaflose Nächte?

Ich hatte keine schlaflosen Nächte, aber der vergangene Oktober war für uns nicht einfach. Wir haben sehr viel über die Macht der Sozialen Medien gelernt. Positiv ist, dass wir so viele Kundenkontakte hatten wie nie zuvor. In dieser Zeit hatte ich täglich mit fünf bis zehn Kunden persönlich zu tun.

Was haben Sie den Kundinnen und Kunden denn gesagt, als es hiess, die CS könnte insolvent werden?

In solchen Situationen gibt es rationale und emotionale Überlegungen. Faktenbasiert konnten wir den Kunden die veröffentlichten Zahlen erläutern, die zeigen, dass wir immer eine sehr solide Kapitalquote hatten. Es war auch hilfreich, dass die Rating-Agenturen dies bestätigten.

«Das machte viele Kunden nervös»

Schwieriger war es auf der emotionalen Seite, wo wir uns mit unfundierten Gerüchten auf Twitter herumschlagen mussten. Das machte viele Kunden nervös und veranlasste sie zum Handeln.

Wichtig auch: In der globalen Finanzkrise von 2008 hatten Soziale Medien noch kaum diesen Einfluss. Heute ist das anders, vor allem in Ländern, in denen Menschen den Sozialen Medien mehr glauben als anderen Informationsquellen. Das machte unsere Kommunikation noch komplexer.

Und die enormen Abflüsse sind in der Zwischenzeit gestoppt?

Wie wir im November 2022 bekannt gegeben haben, waren die Abflüsse gegenüber den hohen Werten von Anfang Oktober deutlich zurückgegangen. Insgesamt gab es nur wenige Kunden, die ihre Konten bei uns geschlossen haben, denn die Leute hatten nicht per se etwas gegen die Credit Suisse, vielmehr waren sie verunsichert und haben darum einen Teil ihres Vermögens transferiert.

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(Bild: CS)

Das kann ich aus Unternehmersicht bis zu einem gewissen Grad sogar nachvollziehen. Darum haben wir uns intensiv um die Kunden gekümmert und konnten sie im aktuell schwierigen Marktumfeld beraten und unterstützen. Ich bin zuversichtlich, dass das Geld zurückfliessen wird.

Sie haben mehr als 18 Jahre für die CS gearbeitet, bevor Sie diese 2018 verliessen. Was gab damals den Ausschlag dafür?

Zum einen waren es Meinungsunterschiede mit der damaligen Führung der Credit Suisse, und zum andern erhielt ich ein Job-Angebot auf CEO-Stufe in Australien. Das konnte ich nicht ausschlagen.

Allerdings erwies sich Ihr Intermezzo in Down Under nicht als besonders erfolgreich.

Das würde ich so nicht sagen. Ich habe das Unternehmen reorganisiert, hatte jedoch keinen Einfluss auf gewisse geschäftliche Vorgänge und Altlasten, die das Ganze sehr belastet haben.

«Für mich war die Credit Suisse immer wie eine grosse Familie»

Allerdings kann ich auch festhalten, dass das an der Börse kotierte Unternehmen nach meiner Reorganisation rund 35 Prozent an Wert gewann. Für mich war das mitunter ein Hinweis, dass ich meinen Job gemacht hatte.

Grund genug, zur CS zurückzukehren?

Für mich war diese Bank immer wie eine grosse Familie, und als mich Thomas Gottstein (damaliger CEO) anrief, brauchte ich nicht lange zu überlegen.

Seither hat sich jedoch einiges geändert, sogar der CEO (heute Ulrich Körner) und ein Grossteil des Top-Managements sind jetzt neu. Sie persönlich sind seit rund zwölf Monaten im Amt. Was wird unter Ihrer Führung im Global Wealth Management besser – oder zumindest anders?

Ich habe vier Prioritäten definiert. Erstens wollen wir unser Geschäft mit den sehr vermögenden Privatkunden (mit Vermögen ab 50 Millionen Franken) weiter ausbauen, namentlich in den Schwellenländern, wo wir bereits 60 Prozent unseres Geschäfts generieren. Dabei muss die Investmentbank so restrukturiert werden, dass sie weiterhin die Kompetenz bietet, die unsere Kunden nachfragen.

Erhebliches Potenzial sehe ich zweitens im Geschäft mit den sogenannten High-Net-Worth-Individuals (mit Vermögen zwischen 2 und 25 Millionen Franken). Ihnen wird bald ein stärker digitalisierter Beratungsprozess zur Verfügung stehen, den wir derzeit in der Schweiz einführen. In einem nächsten Schritt werden wir ihn in Asien implementieren.

Besonders innovativ klingt dies allerdings nicht.

Das sehe ich anders. In einer Welt, die sich nun zusehends de-globalisiert wollen wir mit unserer weltweiten Anlageexpertise den Kundinnen und Kunden Anlagemöglichkeiten bieten, die in Zukunft nicht mehr so einfach zu erkennen sein werden, gerade auch im Bereich von Privatmarktanlagen. Es wird immer mehr fragmentierte Investment-Regionen geben anstelle eines globalen Anlageuniversums.

«Ich vergleiche die Credit Suisse mit einem Tanker»

Eine dritte Priorität ist das Geschäft mit den unabhängigen Vermögensverwaltern. Wir haben entschieden, dieses global zu führen, zumal es weltweit eine stark wachsende Nachfrage nach unabhängiger Beratung gibt. Diesem Trend sollten wir uns nicht verschliessen, sondern ihn zu unseren Gunsten nutzen.

Und last but not least wollen wir unsere IT-Plattformen weltweit nutzen, nachdem unsere Technologie bisher fragmentiert war.

Was stimmt Sie zuversichtlich, dass Sie damit Erfolg haben werden?

Die Transformation eines Konzerns ist per se höchst kompliziert. Und das Marktumfeld können wir auch nicht beeinflussen. Meine Zuversicht gründet auf unseren talentierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und unseren Möglichkeiten, Lösungen für komplexe Kundenbedürfnisse bereitzustellen.

Ich vergleiche die Credit Suisse mit einem Tanker, den wir nun in die richtige Richtung gebracht haben. Der Wellengang kann weiterhin heftig werden, doch der Kurs stimmt. Der 27. Oktober 2022 (Präsentation der neuen Strategie) war für mich so etwas wie der Stapellauf unseres Tankers.

Wie viel Zeit geben Sie sich, bis Sie wieder voll auf Kurs sind?

Wir haben einen Dreijahresplan, dessen Umsetzung natürlich von den Marktbedingungen beeinflusst wird. Wie bereits kommuniziert gehen wir bei der Credit Suisse davon aus, ab 2025 nachhaltige und attraktive Renditen für die Aktionäre zu erzielen. Das gilt.

Bis dahin sind massive Einsparungen und Stellenkürzungen geplant. Wie gehen Sie damit um?

Das sind niemals leichte Entscheidungen, zumal ich selbst gerne zur Credit Suisse zurückgekehrt bin, weil ich die Bank wie gesagt immer als eine zweite Familie empfunden habe.

«Hätten wir nur eine Grossbank hierzulande, würde mich das beunruhigen»

Das macht es nicht leichter, ändert aber nichts an der Tatsache, dass ein Business nur nachhaltig ist, wenn die Kosten tiefer sind als die Erträge. Mit dem Stellenabbau sind wir seit November beschäftigt und auf Kurs. Betroffene Mitarbeitende unterstützen wir bei der Suche nach einer neuen Stelle.

Wo fallen die grössten Stellenkürzungen an?

Das schlüsseln wir im Detail nicht auf, aber der Schwerpunkt liegt auf der Verkleinerung und Umgestaltung der Investmentbank, wobei auch die anderen Geschäftsbereiche zum Kostenziel beitragen. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist das Kostenmanagement bei externen Dienstleistern.

Angesichts der geschrumpften Börsenkapitalisierung gilt die CS auch als Übernahmeobjekt. Drehen wir den Spiess aber einmal um. Wäre eine Akquisition im Global Wealth Management denkbar, um rasch an Grösse zu gewinnen?

Der Fokus liegt klar auf organischem Wachstum durch eigene Initiativen. Die Integration grosser Akquisitionen ist äusserst komplex.

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(Bild: CS)

Fokussierte Transaktionen hingegen, wie beispielsweise 2012 die Übernahme des HSBC-Private-Banking-Geschäfts in Japan, sind besser umsetzbar. Und solche sind im Wealth Management der CS durchaus eine Option für die Zukunft. Wir schauen uns grundsätzlich Opportunitäten immer an, und zwar auch deshalb, weil wir in nächster Zeit von einem Konsolidierungsschub gerade in dem Sektor ausgehen.

Braucht es überhaupt noch zwei Grossbanken in der Schweiz?

Auf jeden Fall. Das fördert den Wettbewerb. Hätten wir nur eine Grossbank hierzulande, würde mich das beunruhigen.

Warum?

Weil die Schweiz eine Vielzahl an internationalen Unternehmen hat, die ebenso auf Unterstützung durch Finanzdienstleistungen global tätiger Banken angewiesen sind.

Sie haben mehr als zehn Jahre in Singapur gelebt. Vermissen Sie Asien?

Mmh, ich denke, die Dynamik, die Schnelligkeit und das positive Denken sind Dinge, die Asien charakterisieren, und die wir verstärkt nach Europa zurückbringen sollten, wo manchmal eine gewisse Zukunftsverdrossenheit herrscht. Das sollte nicht sein.

«Die Welt könnte einiges von der Schweiz lernen»

Umgekehrt denke ich, dass die Welt einiges von der Schweiz lernen könnte, beispielsweise die Vertrauenswürdigkeit und das nachhaltige, langfristige Denken. Das wirkt sich auch positiv auf das Wealth Management aus. Das ist ein Stück unserer DNA.

Trotz Ihres angekündigten Dreijahres-Plans und der Schweizer Tugenden hat die CS-Aktie bislang eher verhalten reagiert. Woran liegt das?

Das ist normal. Zum einen haben wir im vergangenen Oktober eine Kapitalerhöhung angekündigt, was die künftigen Gewinne verwässert, zum andern ist es zumeist so, dass der Aktienkurs erst wirklich reagiert, wenn ein Grossteil der Restrukturierung erfolgreich umgesetzt ist. Dass die CS-Aktie aber derzeit unterbewertet ist, bestreitet sicherlich niemand.

Mit welchen Führungsprinzipien stehen Sie vor Ihre Belegschaft?

Als ich in meinem neuen Job antrat, habe ich meinen Teams drei Ziele formuliert. Erstens, alle Bemühungen müssen auf einen Mehrwert für unsere Kundinnen und Kunden abzielen. Ist das nicht der Fall, müssen wir unsere Aktivitäten hinterfragen.

Zweitens, wir müssen stärker und global zusammenarbeiten; bislang führte die Bank ihre Geschäfte in Silos. Das funktioniert nicht.

Und drittens müssen wir mehr Dringlichkeit an den Tag legen. Niemand wartet auf die Credit Suisse. Wir müssen mehr Tempo gewinnen. Als ich vor zwölf Monaten meinen Job antrat, war innerhalb der Organisation vieles in der Schwebe. Es brauchte einen Ruck, um in die Gänge zu kommen.

Sie werden dieses Jahr 54. Sofern Sie Ihren Job in den nächsten drei Jahren gut machen, wären Sie dann im besten Alter für den CEO-Posten, richtig?

Das steht nicht auf meiner Bucket List. Mir liegt viel mehr daran, für unsere Kunden das beste Vermögensverwaltungsgeschäft auf die Beine zu stellen.

Leben Sie nun in Mailand und pendeln jeweils nach Zürich?

Nein, ich wohne in der Stadt Zürich, weil mir ein kurzer Arbeitsweg viel bedeutet, da meine Arbeitstage sehr lang sind. Für mich ist ein kurzer Arbeitsweg wichtiger als ein tiefer Steuerfuss.

Wenn Sie schon rasch im Büro sind, wie motivieren Sie Ihre Leute Tag für Tag, die es in den vergangenen Jahren notabene nicht besonders einfach hatten?

In der Geschäftsleitung sind wir uns bewusst, dass bereits die vergangenen Jahre für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine Herausforderung waren, es gibt aber noch sehr viel zu tun. Persönlich ist es mir wichtig, meine Leute ehrlich und gradlinig durch den Wandel zu führen und regelmässig zu informieren, wo wir stehen. Letztlich schweissen intensive Zeiten auch zusammen.

«Mir ist wichtig, authentisch und an der Front zu sein»

Und wer etwas verändern will, muss bei sich selbst anfangen. Das ist meine Devise, wobei ich mit gutem Beispiel vorangehen möchte. Mir ist wichtig, authentisch und an der Front zu sein.


Francesco De Ferrari ist seit 2022 CEO Wealth Management sowie CEO der Region EMEA (Europa, Naher Osten und Afrika) der Credit Suisse (CS). Der italienisch-schweizerische Doppelbürger studierte Wirtschaftswissenschaften an der Universität New York, USA, und absolvierte einen MBA am Insead in Fontainebleau, Frankreich. Sein beruflicher Werdegang führte ihn über Deloitte und Nestlé zu McKinsey. Einige Jahre war er danach in Italien unternehmerisch tätig, bevor er erstmals 2002 zur CS stiess. Dort hatte er verschiedene Führungsfunktionen zunächst in Italien und später in Asien inne. Zuletzt war er CEO für Südostasien und die Frontier Markets und verantwortete gleichzeitig das Private Banking in der Region Asien-Pazifik. Im Jahr 2018 wechselte er zum australischen Vermögensverwalter AMP, wo er den CEO-Posten übernahm, bevor er 2022 zur CS zurückkehrte. De Ferrari ist verheiratet und Vater von fünf Kindern.

 

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