Die liechtensteinische Fürstenbank LGT baut ihre Position im Private Banking beharrlich aus. Vor dem sich gerade über den Schweizer Finanzplatz hinwegfegenden Sturm sieht sie sich geschützt. Beim Umgang mit russischen Vermögen senden die Behörden jedoch heikle Signale aus, wie Olivier de Perregaux im Interview mit finews.ch feststellt.


Herr de Perregaux, Sie sind nun seit gut zwei Jahren CEO von LGT Private Banking. War der Beginn schwierig?

Da ich selber schon seit fast 25 Jahren bei der LGT bin, wusste ich ziemlich genau, was mich erwartet: Eine familiengeführte Bank, die glücklicherweise sehr gut aufgestellt ist und über eine klare Strategie und langjährige Mitarbeitende verfügt.

Was haben Sie schon erreicht?

Von aussen am augenfälligsten ist sicher die geographische Expansion mit der Eröffnung einer Präsenz in Japan und Deutschland, dem Zukauf von Crestone in Australien, sowie den Übernahmen des Wealth Managements von UBS in Österreich und von abrdn in Grossbritannien. Daneben laufen aber auch viele Initiativen innerhalb der Bank, darunter ein grosses mehrjähriges Digitalisierungsprojekt.

Und was bleibt noch zu tun?

Viel. Wir wollen unsere Pläne auch bei sich teilweise deutlich ändernden Rahmenbedingungen in die Tat umzusetzen. In den letzten zehn Jahren sind wir etwa zu 70 Prozent organisch aus eigener Kraft gewachsen. Wir sind aber auch bereit, antizyklisch in ein breit abgestütztes Geschäftsmodell und weitere Akquisitionen zu investieren.

Ihre grössten Standbeine in Asien bleiben Hongkong und Singapur.

Die beiden Standorte sind ziemlich komplementär. In Singapur gibt es ein starkes, gesundes Wachstum mit einer ungebrochenen Dynamik.

Und wie sieht es in Hongkong aus?

Hongkong hat eine schwierige Zeit hinter sich, hat sich aber sehr widerstandsfähig gezeigt und bleibt das wichtigste Kapitalmarktfenster zu China. Zurecht gilt dort jetzt das Leitmotiv «Hongkong is bouncing back».

«Für den Finanzplatz Schweiz wären zwei Grossbanken besser als nur eine»

Unsere Leute versprühen einen ausserordentlich grossen Optimismus. Für die ganze Region ist die Entwicklung der geopolitischen Situation ein wichtiger Faktor.

Was sind ihre Ambitionen in der Golfregion?

Wir sind bereits in Dubai vertreten und stellen fest, dass die Stimmung auf der ganzen arabischen Halbinsel sehr positiv ist. Der mittlere Osten hat sehr gute Karten. Er dürfte aber die grossen und etablierten Finanzplätze wie die Schweiz, Singapur oder Hongkong aufgrund der herrschenden Grössenordnungen auf absehbare Zeit nicht bedrängen.

Was sagen Sie zu den Vorwürfen, dass gewisse Finanzplätze gesellschaftlich rückständig sind?

Wir bringen unsere westlichen Werte zwar in unsere internationalen Standorte mit, verschliessen uns aber nicht vor den lokalen Realitäten und Sichtweisen. Dabei stellen wir häufig fest, dass die öffentliche Diskussion klischeebehaftet ist. Anders als vielleicht vermutet, treten in Dubai die Frauen sehr selbstsicher in unserer Bank auf. Ein weiteres Beispiel: In Asien stellen die Frauen seit langem die Mehrheit in der Kundenberatung.
So gesehen haben wir durchaus auch in der Schweiz und Liechtenstein Aufholpotenzial.

Wird die Konkurrenz durch die aufstrebenden Finanzzentren so gross, dass der Schweizer Finanzplatz seine Vormachtstellung einbüsst?

Danach sieht es nicht aus. Die Kernfähigkeiten des Schweizer Finanzplatzes – Stabilität, Rechtsstaatlichkeit, Planbarkeit, hohe Professionalität, langjährige Traditionen - sind weiterhin intakt und werden auch in Zukunft ein wichtiger Wettbewerbsvorteil bleiben. Trotzdem wollen wir als international ausgerichtete Privatbank auf den wichtigen internationalen Drehscheiben vertreten sein.

Am vergangenen Wochenende hat nun aber ein Erdbeben die Schweiz erschüttert. Was verändert sich mit der Übernahme der Credit Suisse durch die UBS?

Eines ist sicher: Für den Finanzplatz Schweiz wären zwei Grossbanken ganz sicher besser als nur eine. Aber wir sollten nun möglichst alle nach vorne schauen und hoffen, dass die Integration des CS-Geschäfts in die UBS gut gelingt. Die Schweiz wird ihre führende Stellung in der Vermögensverwaltung und im Asset Management sicher behalten, aber im Investment Banking eine viel geringere Rolle spielen. Betroffen sind vor allem mittelgrosse Firmen, die künftig weniger Bankpartner zur Verfügung haben.

In der Schweiz wird das Geschäft mit unabhängigen Vermögensverwaltern, zu denen auch Multi-Family-Offices gehören, zunehmend reguliert. Wie stark profitiert die LGT davon, die sich als Partner anbietet?

Wir beobachten eine Konsolidierung und Professionalisierung unter den unabhängigen Vermögensverwaltern. Gerade auch für die grösseren von ihnen bieten wir eine attraktive Plattform mit komplementären Angeboten an.

«Probleme wie bei der Silicon Valley Bank können bei der LGT nicht auftreten»

Wir sehen uns aber nicht in einer aktiven Rolle, die Konsolidierung voranzutreiben und unabhängige Vermögensverwalter zu übernehmen.

Wie stark leiden Sie unter dem Fachkräftemangel?

Die Verfügbarkeit von genügend Fachkräften ist überall eine grosse Herausforderung, auch für die LGT. Wir waren aber immer in der Lage, genügend Personal zu rekrutieren, um unser Wachstum nicht bremsen zu müssen. Gerade im Raum Liechtenstein sind flexible Arbeitsmodelle wie Home Office sehr hilfreich.

Wie exponiert sind Sie wegen der US-Bankenkrise?

Wie immer im Risk Management gilt, dass es zu spät ist, wenn der Sturm da ist. Mit dieser Gewissheit und als Bank mit einem langfristig orientierten Eigentümer haben wir bei der LGT immer genügend Vorsorge betrieben. Deshalb können Probleme wie bei der Silicon Valley Bank bei der LGT nicht auftreten. Zum einen verfügt die Bank über sehr komfortable Refinanzierungsquoten. Zum andern arbeiten wir vorsichtig und haben eine sehr solide Bankbilanz im Rücken.

Mit dem Rettungspaket für die strauchelnde Credit Suisse sind auch andere Banken am hiesigen Finanzplatz unter Verdacht geraten.

Anleger reagieren oft nicht rein rational. Wenn ein Institut unter Druck gerät, werden andere in Sippenhaft genommen. Mit Blick auf die LGT kann ich versichern, dass unsere Bank sehr stabil und liquide ist.

«Wir müssen nicht kurzfristige Interessen eines breit gefächerten Aktionariats bedienen»

Der grösste Teil unserer Bilanz besteht aus Einlagen von Privatkunden, die ihr Geld bei unserer Bank deponieren. Der Rest besteht vor allem aus Interbanken-Anlagen, von uns emittierten Anleihen und dem Eigenkapital.

Wieweit hilft bei der jetzigen Unsicherheit, dass die LGT in den Händen der Fürstenfamilie ist?

Unser Eigentümer bringt seit Generationen eine langfristige Perspektive und eine unternehmerische Haltung ein. Das ermöglicht uns, unsere Strategie konsequent umzusetzen, auch wenn sich das Umfeld ändert. Wir müssen nicht die – oft kurzfristigen – Interessen eines breit gefächerten Aktionariats bedienen.

Das Fürstenhaus ist zudem der grösste Kunde der Bank. So haben andere LGT-Kunden wie auch unser Personal einen privilegierten Zugang zu den gleichen Investitionsmöglichkeiten. Diese Übereinstimmung von Interessen zwischen Kunden, Mitarbeitern und unserem Eigentümer, dem Fürstenhaus, ist einmalig.

Die liquiden Vermögen der reichen Individuen und Familien sollen gemäss Studien in den kommenden Jahren weltweit so stark wachsen, dass sich die Erträge in der Vermögensverwaltung verdoppeln. Wie wollen Sie davon profitieren?

Es gibt weltweit eine substanzielle Vermögensbildung. Man kann aber dessen ungeachtet sehr gut wachsen, denn der Markt im Private Banking ist immer noch ziemlich fragmentiert. In den letzten Jahren konnten wir mit guten Dienstleistungen, Mitarbeitern und einer starken Marke auch in sogenannt gesättigten Märkten zulegen.

Wie bekannt ist denn das Fürstenhaus aus dem Kleinstaat Liechtenstein in der Welt?

In Europa, in Hongkong und Singapur ist LGT als eine führende Privatbank im Besitz einer Unternehmerfamilie bekannt. In anderen Märkten wie Australien, Japan oder Indien braucht es natürlich noch Erklärungen, um die Bank mit dem Fürstenhaus in Verbindung zu bringen.

Der russische Angriffskrieg erschüttert die Welt und hat die Schweiz zur Übernahme der EU-Sanktionen bewogen. War das ein guter Entscheid?

Derzeit laufen noch viele Diskussionen dazu. Der Finanzplatz darf aber die rechtsstaatlichen Prinzipien nicht verwässern.

«Rechtssicherheit muss das oberste Primat sein»

Sonst könnten Präzedenzfälle geschaffen werden, die dem internationalen Ansehen der Schweiz als verlässlicher Finanzplatz schaden.

Sie lehnen also die Konfiskation von russischen Vermögen ab?

Es wäre ein gewagter Schritt, wenn die Schweiz blockierte russische Vermögen enteignen und als Kriegsreparationen für den Wiederaufbau in der Ukraine einsetzen würde. Rechtssicherheit muss für ein Land wie die Schweiz das oberste Primat sein. In diesem Fall bedeutet das, nicht an der geltenden Praxis zu rütteln.

Wie gehen Sie seit der Sanktionierung der russischen Vermögen mit ihren russischen Kunden um?

Es gibt gewisse Konstellationen, bei denen Kundenvermögen blockiert sind. Daneben gibt es aber auch russische Kunden, deren Vermögen nicht betroffen ist. Diese Kunden behandeln wir ohne Einschränkungen gleich wie alle anderen Bankkunden.

Kritiker bemängeln, dass die Umsetzung der Sanktionen keineswegs einfach ist.

Der unerwartete Ausbruch des Krieges brachte es mit sich, dass die ersten Anweisungen teilweise überhastet getroffen werden mussten. Besonders die technischen Anwendungen waren zu Beginn teilweise unklar oder unzureichend definiert. Diese Anfangsschwierigkeiten sind aber inzwischen zum allergrössten Teil ausgeräumt worden.

Machen ihnen derzeit auch andere geopolitische Krisen Bauchweh?

Der Krieg in der Ukraine ist nur der prominenteste Fall einer zunehmenden Polarisierung in der Welt. Wenn es darum geht, Konflikte zu verringern oder auch Probleme zu lösen, spielt Kapital eine ganz wichtige Rolle. Richtig eingesetztes Kapital kann zum Beispiel helfen, den Klimawandel aufzuhalten, der wiederum politische Spannungen und Flüchtlingsströme auslöst.

Ihr Heimmarkt Liechtenstein ist demgegenüber fast ein Paradies. Er kennt aber keine eigene Währung und keine Zentralbank, weshalb jetzt ein Beitritt zum Internationalen Währungsfonds als sogenannter «Kreditgeber der letzten Instanz» geprüft wird. Wie steht die LGT mit Sitz in Vaduz zu diesen Plänen?

Unsere Bank würde ein Engagement von Liechtenstein im Währungsfonds begrüssen. Ein zusätzlicher Stabilitätsanker steht dabei nicht im Vordergrund, weil das Land und der Finanzplatz finanziell auf sehr gesunden Beinen stehen. Mit einem solchen Schritt würde vor allem die Teilnahme an der internationalen Gemeinschaft verstärkt.


Olivier de Perregaux hat nach seinen Studien seine ersten beruflichen Erfahrungen bei einer Unternehmens- und Strategieberatung in Zürich und New York gesammelt, bevor er 1999 als Chief Financial Officer zur LGT Gruppe wechselte. Seit dem 1. Januar 2021 hat der Schweizer die Funktion des CEO LGT Private Banking von Thomas Piske übernommen.