Unter den Beschäftigten der Credit Suisse macht sich eine zunehmende Rat- und Hilfslosigkeit breit. Da helfen auch die eilends einberufenen Townhalls, also die virtuellen Ansprachen der Chefs an die Beschäftigten, nicht viel weiter. Die Lethargie wächst.

Noch nie waren Bankmitarbeitende in der Schweiz mit einer solchen Situation konfrontiert. Seit feststeht, dass die Credit Suisse (CS) in die Erzrivalin UBS integriert werden soll, macht sich unter den CS-Beschäftigten eine unfassbare Rat- und Hilfslosigkeit breit. Denn: «Wer will nun noch eine Hypothek oder einen Firmenkredit mit uns abschliessen oder ein Konto eröffnen», sagt ein Mitarbeiter im Uetlihof in Zürich, wo die CS insgesamt rund 8'500 Personen beschäftigt.

Unklar ist etwa auch, wer einen Kunden künftig betreuen kann, sofern er bisher bei beiden Banken ein Konto besass. Und manche Firmen, die bislang aus Diversifikationsüberlegungen sowohl mit der CS als auch mit der UBS geschäfteten, werden sich künftig für eine andere Zweitbank entscheiden.

Ableben auf Raten

«Es hat ein mentales Herumsitzen begonnen», bringt der Mitarbeiter die wachsende Lethargie im Hause auf den Punkt. Da helfen auch die eilends einberufenen Townhalls, also virtuelle Ansprachen der Chefs an die Beschäftigten, nicht viel weiter. «Sie (die Führungsleute) reden zwar viel, sagen letztlich aber nichts», stellt der Befragte fest, «weil offenbar auch noch kaum jemand etwas weiss.»

Für Verwirrung sorgte auch Lukas Gähwilers Aussage an der Generalversammlung der UBS vorletzte Woche in Basel. Dort sagte der Vizepräsident der grössten Bank der Schweiz, die Zusammenführung werde drei bis vier Jahre dauern. Folglich dürfte auch die Marke CS noch so lange weitergeführt werden. Viele CS-Beschäftigten empfinden diese Aussage als ein «Ableben auf Raten».

Kultureller Filter

Zusätzlich erschwert hat sich die Situation in der vergangenen Woche, als in der ausserordentlichen Sondersession in Bern der Nationalrat den mit Notrecht durchgesetzten Deal zweimal ablehnte. Eine rasche und effiziente Integration, die den vielen Mitarbeitenden der CS zu mehr Klarheit über ihre Situation verhelfen würde, verzögert sich damit vermutlich. «Macht, was ihr noch zu tun habt, möglichst gut, und sprecht darüber», geben manche CS-Teamchefs nun als Devise ihren Untergebenen weiter, «so empfiehlt Ihr Euch am besten bei Eurem künftigen Arbeitgeber.»

UBS-Präsident Colm Kelleher sprach bei der Ernennung von Sergio Ermotti zum CEO der neuen Bank von einem kulturellen «Filter», den die CS-Mitarbeitenden bei der UBS durchlaufen müssten. Allerdings könnte die Furcht vor der desaströsen Kultur der CS die tendenziell eher vorsichtigen Entscheidungsträger bei der UBS dazu verleiten von der sogenannten 1/3-Regel Abstand zu nehmen, wie eine auf dem Platz Zürich tätige Headhunter gegenüber finews.ch erklärte. Sie will anonym bleiben, da sie mit beiden Banken in Kontakt ist.

Nie dagewesener Schulterschluss

Das Drehbuch bei Übernahmen sieht in der Regel vor, dass eine kaufende Partei mindestens ein Drittel der Beschäftigten des übernommenen Unternehmens weiter beschäftigt, wie Reto Jauch, Managing Partner der Executive-Search-Firma Schulthess, Zimmermann & Jauch in Zürich, erklärt. Dies, damit eine gewisse Gewähr bestehe, dass die neue Organisation funktionstüchtig sei.

So oder so sind die kulturellen Herausforderungen des Zusammenschlusses kolossal. Die UBS befindet sich bereits selbst in einer Transformation zur agilen Bank, was eines der grossen Anliegen des bisherigen CEOs Ralph Hamers war, während die CS ihre auf Abwegen geratene Risikokultur von Grund auf erneuern wollte. Nun soll auf Null-Komma-Plötzlich ein in seinen Dimensionen noch nie dagewesener Schulterschluss stattfinden, für den alle bisher verfügbaren Erfahrungswerte nur bedingt gelten.

Wenig Rücksicht erwartet

Gleichwohl muss die UBS rasch agieren, wie sich Fachleute einig sind, da sonst die Unsicherheit hoch bleibt, was wiederum das Tagesgeschäft lähmt. Die Arbeitgeberin muss hier Klarheit schaffen. Dass die UBS bei einem Stellenabbau übermässig rücksichtsvoll sein werde, glaubt die in Zürich tätig Headhunterin nicht: «Das Management weiss, dass der öffentliche Aufschrei jeweils kurz ist – die Folgen einer zu zaghaften Umsetzung hingegen lang anhalten können», sagt sie.

Bevorzugt würden jene Kräfte, die sich rasch eine neue Kultur zu eigen machen und diese auch im Betrieb vertreten könnten. Weniger rosig könnte sich die Lage für jene Bankerinnen und Banker präsentieren, die nicht direkt im Kundenkontakt stehen. Mit der Übernahme der CS durch die UBS gelange sehr viel Management-Kapazität in den Arbeitsmarkt, sagt Jauch von Schulthess, Zimmermann & Jauch. «Die Schweizer Bankbranche wird dies nicht wie in der Vergangenheit einfach absorbieren können.»

Positive Aspekte der CS-Kultur

Unter diesem Handlungsdruck sei es umso wichtiger, den Teammitgliedern die Werte und die Kultur der UBS zu vermitteln und gleichzeitig die positiven Aspekte der früheren CS-Kultur zu respektieren, sagt der Schweizer Marken-Experte Florin Baeriswyl, «zum Beispiel die Werte, welche die CS als «Bank für Unternehmer» einbringt.

«Es ist wichtig, sich daran zu erinnern, dass eine Marke nie einer Person oder einem Unternehmen gehört. Der Ruf einer Marke ist das, was die Leute über sie sagen, wenn eine Person nicht im Raum ist», bringt es Baeriswyl auf den Punkt. Deshalb müssten Unternehmen ein starkes und glaubwürdiges Image schaffen, das sowohl bei Mitarbeitenden als auch bei Kunden ankomme und einen bleibenden Eindruck hinterlasse.


Mitarbeit: Samuel Gerber

 

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