Die UBS wurde von Bund und Aufsicht zur Übernahme der Credit Suisse gezwungen, und hat damit haufenweise Unwägbarkeiten auf sich geladen. Doch auf die Käuferin warten auch schlummernde Schätze.

Man mochte es Colm Kelleher nicht ganz abnehmen, als der UBS-Präsident an jenem 19. März erklärte, die Übernahme der Credit Suisse (CS) biete «gewaltige Chancen». Die Sondersession der vergangenen Tage hat solchem Zweifel noch Nahrung gegeben. Nicht weniger als zehn Postulate wurden angenommen und mehr als doppelt so viele Vorstösse eingereicht; sie markieren den Start für eine deutlich härtere Regulierung der grössten verbleibenden Schweizer Bank.

Gewaltiges Risiko?

Werden die Rechtsrisiken hinzugerechnet, welche die UBS von der CS übernimmt – die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma) will schon bald das Enforcementverfahren zum Archegos-Debakel abschliessen –, ausserdem die Unwägbarkeiten und Kosten einer vierjährigen Integration: dann müssen Beobachter zum Schluss kommen, dass die Schweizer Marktführerin mit dem Zusammenschluss vor allem ein gewaltiges Risiko eingegangen ist.

Doch es gibt auch eine andere Sicht auf den Deal. Zumindest auf dem Papier warten auf die UBS und ihre Spitze um Präsident Kelleher und CEO Sergio Ermotti nämlich überraschende Schätze bei der Erzrivalin.

Dies legt eine Analyse nahe, welches die Bankenexperten von J.P. Morgan dieser Tage zur UBS erstellt haben. Sinnigerweise agiert die amerikanische Grossbank auch als beratende Investmentbank der Käuferin bei der Übernahme; man kann nur hoffen, dass die «Chinese Walls» beim US-Institut dicht waren, als ihre Analysten den doch sehr hoffnungsvollen Bericht verfassten. Das sind die überraschendsten Hochrechnungen:

1. Alle drei Jahre eine neue Julius Bär

Den Experten zufolge entsteht mit der Übernahme der CS ein «Wealth-Management-Powerhouse». Nach abgeschlossener Integration im Jahr 2027 kämen bei der UBS/CS zwei Drittel des Vorsteuergewinns oder geschätzt 7 Milliarden Dollar aus der Vermögensverwaltung; im Geschäft mit reichen Privatkunden sei der kombinierte Konzern dann in der Lage, pro Jahr 150 Milliarden Dollar an Neugeldern einzusammeln. «Das entspricht alle drei Jahre einer neuen Bank Julius Bär nach Kundenvermögen», resümieren die Analysten. Dies allein sind Zahlen, die so manchen Privatbanken-Chef in der Schweiz schwindlig machen könnten.

2. Die Kosten lassen sich leichter drücken als gedacht

Weiter rechnet das Team um Chefanalyst Kian Abouhossein vor, dass das von der UBS angestrebten Sparziel von 8 Milliarden Dollar bis 2027 «wenig herausfordernd sei.» Dies, weil schon allein die CS-Investmentbank jährliche Kosten von 7 Milliarden Dollar verursache und die Käuferin dieses Geschäft ja abwickeln wolle. Auch die Kosten eines Stellenabbaus dürften sich in Grenzen halten, habe die «freiwillige» Personalfluktuation bei der UBS im Jahr 2022 bei 13 Prozent und bei der CS bei 15 Prozent gelegen.

Demgegenüber rechnen die Bankenexperten bei der kombinierten Bank mit Kosten für Rechtsrisiken von rund 5 Milliarden Dollar bis 2027 und 5,4 Milliarden Dollar, mit welchen die aus dem Kerngeschäft ausgelagerten Investmentbank-Positionen die Rechnung belasten. Insgesamt erwarten die Analysten Restruktierungskosten von netto 8,2 Milliarden Dollar – der UBS könnte also eine ziemliche Punktlandung zwischen Einsparungen und Ausgaben gelingen.

3. Das Schweiz-Geschäft der CS ist Milliarden wert

Das hiesige Geschäft soll laut den Berechnungen ab 2027 rund ein Drittel zum Vorsteuergewinn der kombinierten Grossbank beitragen. Die UBS könnte sich aber aus verschiedenen Gründen dazu entschliessen, diese Einnahmen mit dem Publikum zu teilen: Mit einem Börsengang (IPO) der CS Schweiz kann die UBS als Eigentümerin laut J.P. Morgan mindestens 10 Milliarden Dollar lösen. Die Idee dazu wurde auch schon einmal durchexerziert: 2015 plante der damalige CS-Chef Tidjane Thiam, seine damalige Schweizer Universalbank (heute Swiss Bank) wenigstens teilweise an Schweizer Börse SIX zu bringen.

4. Schutzwall gegen Rückschläge

Indem die UBS die CS für 3 Milliarden Franken erwerben konnte, während letztere an der Börse noch rund 7,4 Milliarden Franken wert war, schuf sich die Grossbank gleich zu Anfang ein milliardenschweres Polster gegen Rückschläge. Hinzu kommen umfangreiche Garantien von Bund und Aufsicht im Gegenwert von mindestens 25 Milliarden Franken. Dies durch die von der Finma ausgelösten Pflichtwandel-Anleihen der CS (15,8 Milliarden Franken), sowie durch direkte Staatsgarantien von mindestens 9 Milliarden Franken.

Dank dem Wegfall der AT1-Pflichtwandler spart die UBS bei der CS künftig gar noch Zinskosten. Die Analysten beziffern jene Einsparungen überschlagsmässig auf 1 Milliarde Dollar – pro Jahr.

5. Enormes Reservoir an latenten Ansprüchen

Die im US-Geschäft anfallenden latenten Steueransprüche sind ein höchst komplexer Faktor. Gerade die UBS hat aber in der Vergangenheit wiederholt aus dieser Quelle geschöpft und damit ihren Reingewinn aufgebessert. Auch künftig könnte die Bank solche Guthaben aktivieren, um allfällige Rücksetzer aus dem Zusammenschluss zu glätten. Mit dem Verkauf amerikanischer Geschäftseinheiten der CS dürfte sich eine solche Aktivierung gar aufdrängen, glauben die Analysten von J.P. Morgan.

Ihren Berechnungen nach schob die CS Ende 2022 netto nicht weniger als 60 Milliarden Dollar an steuerlichen Verlustvorträgen vor sich her. Allerdings befand die Bankführung zuletzt, davon lasse sich kaum etwas nutzen. Bei der UBS kamen die steuerlichen Verlustvorträge zum selben Zeitpunkt bei 32 Milliarden Dollar zu liegen.

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