Das Wort von NBIM-Chef Nicolai Tangen hat unter mächtigen Grossinvestoren einiges an Gewicht. finews.ch traf den Chef des weltgrössten Staatsfonds am Rande des St. Gallen Symposium, wo er sich zur Credit Suisse und zur UBS äusserte.


Herr Tangen, der Norwegische Staatsfonds NBIM ist der wichtigste Einzelinvestor in der Schweiz. Liegt das daran, dass Sie einfach der weltgrösste Staatsfonds sind, oder gibt es noch andere Gründe für ihr Interesse an Schweizer Investments?

Der von der Norges Bank Investment Management (NBIM) verwaltete Staatsfonds ist weltweit mit 1,4 Prozent der grösste Einzeleigentümer an den Aktienmärkten der Welt. Der Aktienanteil in Europa ist mit 2,6 Prozent an den börsenkotierten Unternehmen sogar noch etwas höher.

Insgesamt legen wir aber breit über Länder, Sektoren und Währungen an. Dabei bevorzugen wir die Schweiz nicht, auch wenn ich persönlich das Land sehr schätze.

Der Staatsfonds erlitt 2022 mit 152 Milliarden Euro den grössten Verlust seit der globalen Finanzkrise. Worauf führen Sie das zurück?

Im vergangenen Jahr wurden an den Kapitalmärkten wegen der Marktturbulenzen Vermögenswerte vernichtet, die der 25-fachen Grösse des NBIM entsprechen. Dieser enorme Einbruch traf unter anderem die amerikanische Silicon Valley Bank und die Schweizer Credit Suisse direkt.

Sie sprechen die Turbulenzen im Bankensektor an. Haben wir das Schlimmste hinter uns?

Das Scheitern dieser Banken ist zwar bedauerlich, aber kein Zeichen einer systemischen Krise. Die Situation erinnert mich vielmehr an das Spiel, in dem Maulwürfe, die aus verschiedensten Löchern hervorkommen, mit einem Hammer wieder zurück in die Löcher geschlagen werden müssen.

Wir müssen also wachsam bleiben und entschlossen handeln, wenn irgendwo etwas Ungewünschtes auftaucht.

Die Notrettung der Credit Suisse mit staatlicher Unterstützung führte in der internationalen Anlegerschaft zu Kritik. Ist der Ruf des Schweizer Finanzplatzes angeknackst?

Die Schweizer Regierung unternahm die richtigen Schritte zur Rettung der Credit Suisse. Damit verhinderte sie eine unkontrollierbare Situation auf dem Schweizer Finanzplatz und darüber hinaus.

 «Die Schweizer Behörden haben die Reputation des Landes keineswegs untergraben» 

Zweifellos kann man in einer solch aussergewöhnlichen Lage nie alles perfekt machen. Ich bin aber überzeugt, dass das entschiedene Eingreifen der Schweizer Behörden die Reputation des Land keineswegs untergraben hat.

Der Staatsfonds hat seine Beteiligung an der Credit Suisse im März auf rund 1 Prozent reduziert? Welche Lampen leuchteten damals rot?

Unser Rückzug begann schon einiges früher, denn es gab über einen längeren Zeitraum viele Alarmzeichen. Vor allem nach dem Debakel mit dem Family Office Archegos reduzierten wir den Aktienanteil an der CS deutlich.

Wie haben Sie auf die Notübernahme durch die UBS reagiert?

Die Vorzeichen haben mit der Übernahme der Credit Suisse durch die UBS gewechselt. Wir haben aktiv UBS-Aktien zugekauft, nachdem die Grossbank die Zusage zum Kauf der Rivalin erhielt. Unser Aktienanteil an der UBS beläuft sich inzwischen auf 4,5 Prozent.

Es handelt sich um einen positiven und fairen Deal, der in normalen Zeiten wohl kaum durchgewunken worden wäre. Die Strategie der UBS wird zwar mit der Übernahme etwas verwässert. Dies wird aber mit der Zeit durch den Zusammenschluss mit der CS aufgewogen. Zudem setzen wir grosses Vertrauen in das Management der UBS, die Integration zu meistern.

NBIM hat an der Generalversammlung der Credit Suisse gegen die Wiederwahl mehrerer Verwaltungsratsmitglieder gestimmt. Würden Sie sich ausserdem an rechtlichen Schritten beteiligen, wenn sie etwa gegen die Geschäftsleitung und den Verwaltungsrat der CS angestrengt werden?

Das schliessen wir nicht aus. Unsere Juristen schauen sich den Fall derzeit an und verfolgen die Diskussion aufmerksam. Es ist aber zu früh, um sich auf rechtliche Schritte aufgrund von Managementversagen bei der CS festzulegen. 

Ist der Staatsfonds daneben betroffen vom Abschreiber auf den von der CS herausgegebenen AT1-Bonds?

Nein, wir haben nicht in die AT1-Bonds der Credit Suisse investiert. Insofern betreffen uns diese Klagen nicht.

70 Prozent Ihres Vermögens sind in globale Aktien investiert. Was ist Ihr Anlageansatz in diesen schwierigen Märkten?

Wir verstehen uns als indexnaher Investor. Zum einen orientieren wir uns an Benchmarks, die uns durch das norwegische Finanzministerium vorgegeben werden. Zum andern können wir uns im Rahmen unseres Risikobudgets als aktiver Investor rasch neu positionieren und Aktien von einzelnen Unternehmen anders als vom Index vorgegeben gewichten.

 «Wir setzen als Grossaktionär durchaus mehr Druck auf » 

Ein Beispiel dafür ist die gerade genannte aktive Entscheidung, unsere Aktienposition bei der UBS aufzustocken. Unsere Bankanalysten kamen anlässlich der Bekanntgabe der Übernahme am 19. März zum Schluss, dass es sich um einen langfristig attraktiven Deal handelt. Tags darauf setzten wir diese Empfehlung in die Tat um.

Als grösster Einzelaktionär der Welt ist die Marktmacht des norwegischen Staatsfonds gross. Sie sind auch mit dem Versprechen angetreten, mehr Einfluss zu nehmen. Wo setzen Sie den Hebel an?

Wir mischen uns natürlich nicht in die operative Führung ein. Wir setzen aber als Grossaktionär durchaus mehr Druck auf, damit sich die Unternehmen in die von uns bevorzugte Richtung bewegt. So können wir etwa auf einen Plan pochen, damit klimaschonender gewirtschaftet wird. Bei der Governance lehnen wir eine Doppelrolle von CEO und Verwaltungsratspräsident in einer Hand ab.

Und was unternehmen Sie bei der teils emotional geführten Debatte um Boni?

Bei der Entlöhnung schauen wir genauer hin, wenn die Pakete unüblich hoch sind. In den USA liegt der Schwellenwert dafür bei rund 20 Millionen Dollar. Wir stimmen solch üppigen Gehaltspaketen nur zu, wenn sie durch Leistung gerechtfertigt, transparent und langfristig ausgerichtet sind sowie auf Aktien beruhen.

Es kommt aber auch vor, dass sie sich nicht für Verbesserung als Aktionär einsetzen, sondern ein Investment gar nicht eingehen. So besitzen Sie keine Anteile bei der weltgrössten Erdölfördergesellschaft Saudi Aramco.

Das ist richtig. Wir sind nicht in das Unternehmen investiert, weil der NBIM auf der Grundlage eines Referenzindexes anlegt, dessen Titel nach ESG-Kriterien (Umwelt, Soziales und Unternehmensführung) gefiltert werden. Dabei erfüllt Saudi-Arabien die Anforderungen nicht. Ausgangspunkt dieses Referenzindexes ist der FTSE Global All Cap Index.

Wie gehen Sie beim Ausschluss von Anlagen vor?

Zum einen kann uns ein unabhängiger Ethik-Beirat vorgeben, einzelne Unternehmen als Anlageobjekte auszuschliessen.

 «In der Schweiz wird mit grosser Sorgfältigkeit und Gründlichkeit gearbeitet» 

Zum andern können wir im Rahmen unseres Risikobudgets selber entscheiden, von welchen Investitionen wir uns im Staatsfonds fernhalten. Derzeit auf der schwarzen Liste sind Anlagen in Tabak, Kohle und gewisse Waffenanbieter.

Letztlich ist niemandem geholfen, wenn Investoren heikle Bereiche einfach ausblenden. Deshalb gelten Sie als Verfechter eines Wandels durch Aktionärsdialog. Wie gehen Sie vor, um nachhaltigem Anlegen zum Durchbruch verhelfen?

Am wichtigsten ist, starke und klare Erwartungen auszusprechen, um das Management eines Unternehmens auf eine klimaschonende Wirtschaft zu verpflichten. Deshalb haben wir auch im vergangenen Jahr selber einen grossen detaillierten Klimaplan erstellt, der sich an den Zielen der Net Zero Allianz ausrichtet.

In Ihrer Rolle als Chef des weltgrössten Staatsfonds stehen Ihnen die Türen zu CEO auf der ganzen Welt offen. Sie pflegen auch gute Beziehungen zu Schweizer Wirtschaftskapitänen. Was zeichnet die Schweizer Geschäftswelt aus?

Ich beobachte eine systematische Arbeitsweise, die sich in grosser Sorgfältigkeit und Gründlichkeit ausdrückt. Mich verwundert deshalb nicht, dass das Land mit diesen Tugenden so viele hervorragende Unternehmen hervorgebracht hat.


Nicolai Tangen ist seit dem 1. September 2020 als CEO verantwortlich für den von der Norges Bank Investment Management (NBIM) verwalteten Staatsfond. Zuvor war er CEO und CIO bei AKO Capital, die er 2005 gründete. Im 2013 richtete er die AKO Foundation ein, die gemeinnützige Initiativen zur Verbesserung der Bildung, zur Förderung der Künste und zur Abschwächung von Klimaproblemen unterstützt. Tangen hat einen Bachelor-Abschluss in Finanzwesen von der Wharton School und Master-Abschlüsse in Kunstgeschichte vom Courtauld Institute of Art und in Sozialpsychologie von der London School of Economics.

War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
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