Der am (gestrigen) Mittwoch 100-jährig verstorbene frühere US-Aussenminister, Politikwissenschaftler, Friedensnobelpreis-Träger und US-Präsidentenberater Henry Kissinger unterhielt unter anderem engste Beziehungen zur Schweizer Finanzbranche. Zu einem Bankier ganz besonders.

Eine besondere Freundschaft pflegte er mit einer Person, die ihn nicht nur schwer beeindruckt hat, sondern ihm die Ur-Form der direkten Demokratie sozusagen am «konkreten Beispiel» präsentiert hat: Robert Holzach, seines Zeichens langjähriger Vorsitzender der Geschäftsleitung und später Präsident des Verwaltungsrats der Schweizerischen Bankgesellschaft (SBG, heute UBS).

Kissinger und Holzach lernten sich als Mitglieder des 1981 gegründeten internationalen Beirats des «Robert Bosch International Advisory Committee» kennen. Die Mitglieder dieses Gremiums diskutierten wirtschaftliche und politische Tendenzen und leiteten daraus wichtige Einschätzungen für die Entwicklung des Unternehmens ab.

Ein Freund – ohne es je gesagt zu haben

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Robert Holzach, Schweizerische Bankgesellschaft, SBG (Bild: Privatbesitz)

«Robert Holzach war ein Freund, obschon dieses Wort nie zwischen uns gefallen ist. Doch die Art und Weise, wie wir uns begegnet sind, beruhte stets auf Respekt, Verlässlichkeit und persönlicher Anteilnahme», gab Kissinger 2014 im Vorwort zur Robert-Holzach-Biografie zu Protokoll.

Demokratie pur

«Er warnte vor falschen Gläubigkeiten und setzte sich für Redlichkeit und Integrität in der Unternehmenswelt ein. Damit verkörperte er auch die Tugenden des Schweizer Bankwesens, das man in der ganzen Welt bewundert hat», so Kissinger weiter, der 1923 im deutschen Fürth zur Welt kam und 1938 mit seiner Familie vor der nationalsozialistischen Verfolgung in die USA flüchtete.

Unvergesslich blieb Kissinger die Einladung Holzachs 1982 an die Landsgemeinde nach Trogen im Kanton Appenzell Ausserrhoden (AR). Diese urschweizerische Institution gilt bis heute als die wohl älteste und einfachste Form der direkten Demokratie: An einer Landsgemeinde versammeln sich die wahl- und stimmberechtigten Bürger unter freiem Himmel und beschliessen die politischen Traktanden durch Handerheben.

Respekt leichtsinnig verspielt

Grossen Eindruck machte Kissinger damals, dass Holzach mit seinem Vaterland verbunden und auf dieses stolz war, aber die Errungenschaften der Schweiz nie als gottgegeben betrachtete, sondern sich verpflichtet fühlte, alles zu unternehmen, um diese Werte in eine vom Fortschrittsglauben geprägte Zeit zu überführen.

Darin sah Kissinger auch eine Analogie zur Finanzwelt, die sich bereits damals dramatisch am Verändern war – in vielen Fällen nicht nur zum Guten. «Viele Bankiers haben den Respekt, den ihr Berufsstand früher besass, leichtsinnig verspielt – weil sie sich von genau jenen Qualitäten entfernt haben, die Robert Holzach vertreten hat: Vernunft, Verhältnismässigkeit und Vertrauen.»

Vor dem Hintergrund des Credit-Suisse-Debakels in diesem Jahr könnten diese Worte nicht treffender sein.


Zum Bild ganz oben: Bei dem 1982 von Robert Holzach organisierten Besuch der Landsgemeinde in Trogen AR waren neben Henry Kissinger (Mitte) unter anderem ebenfalls zugegen: Hans Ulrich Baumberger, damals Ständerat des Kantons Appenzell Ausserrhoden, Urs Rinderknecht, SBG, und ganz rechts Hans-Rudolf Merz, von 1974 bis 1977 Vizedirektor bei der SBG und, Jahre später, von 2003 bis 2010, Bundesrat (von links nach rechts).

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