Die unzähligen Personalwechsel, die der Niedergang der Credit Suisse ausgelöst hat, stellen die HR-Abteilungen der Banken vor enorme Probleme, denen sie in vielen Fällen noch kaum gewachsen sind. 

Wenn die Wirtschaftshistoriker dereinst auf unsere Epoche im Swiss Banking blicken sollten, werden sie nicht von einer Zeit der Zäsur sprechen, sondern ebenso von einer Periode der grossen «Völkerwanderung». Denn noch nie zuvor, haben in so kurzer Zeit so viele Bankmitarbeitende ihren Job gewechselt.

Kaum eine Woche vergeht, ohne dass nicht mehrere Finanzinstitute den Zugang neuer Leute vermelden. Bei den Wechselwilligen handelt es sich mittlerweile nicht mehr nur um Credit-Suisse-Leute, sondern der Wunsch nach Veränderung macht sich inzwischen branchenweit bemerkbar.

Jüngstes Beispiel: Mit Roberto Rizzo, Yves Tschui und Sezer Saygin haben Anfang 2024 gleich drei erfahrene Kundenberater von der britischen Grossbank HSBC zur Genfer Union Bancaire Privée (UBP) gewechselt, wie Recherchen von finews.ch ergaben. Sie betreuen seither sehr vermögende Privatkunden sowie Family Offices.

Seltenes Zeitfenster

Diese Ankündigung kommt nur wenige Monate nachdem die UBP bereits ein Team von sechs ehemaligen CS-Leuten unter der Führung von Christian Boissonnard für sich gewinnen konnte. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass es sich dabei ausnahmslos um Bankerinnen und Banker handelt, die den hart umkämpften Schweizer Markt betreuen und in der Regel weniger wechselwillig sind.

Seit dem Verschwinden der CS als eigenständige Bank hat sich jedoch ein «Zeitfenster» geöffnet, das man nicht so schnell wieder sehen wird, wie Alex Classen, Präsident der Schweizer Privatbank EFG International, unlängst festgestellt hat, und die ihrerseits in den vergangenen Monaten mehrere Dutzend Leute engagiert hat.

HR gefordert

Dieses Zeitfenster, das laut Classen nicht mehr so lange offenbleiben dürfte, hat eine geradezu tektonische Verschiebung in der gesamten Schweizer Bankenlandschaft ausgelöst. Das führt mitunter dazu, dass gleich mehrere Finanzinstitute am selben Tag die Übernahme ehemaliger CS-Leute bekanntgeben, wie das diese Woche bei Vontobel und Raiffeisen Schweiz der Fall war.

Es ist klar, dass das Personalwesen in den Banken, Neudeutsch auch HR (Human Resources) genannt, nun so gefordert ist wie noch nie zuvor. Dabei geht es nicht nur darum, den Onboarding-Prozess (also die Aufnahme der neuen Mitarbeitenden) möglichst effizient zu gestalten. Sondern parallel dazu findet in dem Bereich ein epochaler Wandel statt: Künstliche Intelligenz (KI), neue Wertvorstellungen der Mitarbeitenden sowie ein starker Kostendruck aufgrund der eingetretenen Zinswende an den Finanzmärkten stellen die HR-Abteilungen vor enorme Herausforderungen.

Baby-Boomer hinterlassen Lücke

«Die Strategien der Vergangenheit sind nicht mehr relevant, da sich neue Probleme und Anforderungen ergeben», stellt Ryne Sherman vom Kaderstellenvermittler Hogan Assessments fest. Ein wesentlicher Einflussfaktor ist dabei demografischer Natur: Es ist das Ausscheiden der geburtenstarken Baby-Boomer-Generation aus dem Arbeitsprozess; diese Leute, die heute 60 Jahre oder älter sind, haben über die vergangenen vier Jahrzehnte die Arbeitswelt massgeblich definiert, und nun verschwinden sie, ohne dass sie aus Kostengründen sowie aufgrund von Effizienzsteigerungen eins zu eins ersetzt würden.

«Das Problem besteht darin, dass nun weniger erfahrene Leute nachrücken, die erhebliche Schwierigkeiten haben, die von ihren Vorgängerinnen und Vorgänger hinterlassenen Lücken zu füllen», erklärt Sherman weiter. Umso mehr sind hochbezahlte Kundenberaterinnen und -berater, die man für viel Geld von anderen Banken abgeworben hat, gefordert, ihre Leistung zu erbringen. Aus Arbeitgebersicht sagt Gianpiero Galasso von Vontobel: «Es ist eine Investition, die sehr eng begleitet werden muss, und wo zum Teil auch Anpassungen gemacht werden müssen.»

Persönliche Werte

Solche Anpassungen werden ausschlaggebend sein, damit sich die vielen Neueinstellungen bei den verschiedenen Banken in den kommenden zwei Jahren auch rechnen. Die Geldhäuser müssen sich dabei auch bewusst sein, dass sich das Machtverhältnis in den Unternehmen seit der Corona-Pandemie eindeutig zugunsten der Mitarbeitenden verschoben hat.

«Talente akzeptieren nur noch neue Jobs, wenn diese mit ihren Werten in Einklang stehen», unterstreicht Sherman. «Im Jahr 2024 geht es bei der beruflichen Weiterentwicklung nicht mehr vorwiegend um Gehaltserwartungen und «Fringe Benefits» (Zusatz- oder Sachleistungen), sondern um gesellschaftliche Wirkung und persönliche Werte.» Damit erfährt der Umgang mit den Mitarbeitenden eine neue, noch nie dagewesene Sensitivität.

Heikle KI-Modelle

Zu den gestiegenen Ansprüchen der Mitarbeitenden und dem anhaltenden Kostendruck gesellt sich heuer noch ein weiterer Faktor hinzu: der unaufhaltsame Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) im Personalwesen. Mit deren Nutzung müssen sich die Banken auch der ethischen und rechtlichen Aspekte bewusst werden. Denn mit der zunehmenden Integration von KI sind Datenschutz und -sicherheit umso mehr zu gewährleisten, insbesondere wenn die Daten der Mitarbeitenden für die Weiterentwicklung von KI-Modellen verwendet werden.

Die grosse «Völkerwanderung» im Swiss Banking, die sich in diesem Jahr vollzieht, ist somit verbunden mit einer Vielzahl von Herausforderungen, denen zahlreiche Finanzinstitute respektive deren HR-Abteilungen vorläufig noch kaum gewachsen sind.

Gedämpfte Euphorie

Über kurz oder lang wird dies die Euphorie über die Neueinstellung zusätzlicher Talente dämpfen – vor allem im gesättigten Schweizer Markt, wo sich die Kundenberaterinnen und -berater unter höchstem Leistungsdruck ohnehin schon auf den Füssen stehen.

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