EFG International sucht noch mehr Talente, sagt ihr Präsident zu finews.ch. Dies auch bei der UBS. «Eine Integration dieser Grösse birgt ja auch gewisses Frustrationspotenzial», so Alexander Classen. Bei der Zürcher Privatbank achtet er derweil darauf, dass sich keine Selbstgefälligkeit breit macht. 


Herr Classen, fahren Sie gerne Ski?



In letzter Zeit bin ich kaum noch dazu gekommen. In meiner Jugend war ich regelmässig im Winter Skilaufen. Seither habe ich aber eine Frau geheiratet, die keine grosse Freundin von Kälte und Bergen ist. Und das war’s dann auch mit mir und dem Wintersport.



Aber Sie könnten Ihre Frau auf einen Ausflug nach St. Moritz und Gstaad einladen – dies, um den eben eröffneten Filialen von EFG International einen Besuch abzustatten.



Diese Reisen werde ich wohl alleine machen müssen. Ich habe den beiden Teams in St. Moritz und Gstaad bereits versprochen, dass ich demnächst persönlich vorbeischaue.

Mit der Anstellung der Equipen von Manuel Blanco und Stephan Uebersax – beide Teams waren zuvor die für die Credit Suisse tätig – hat EFG einen Hiring-Coup gelandet. Haben Sie da bei der Bank die Korken knallen lassen?



Es ist schon bemerkenswert, dass es uns gelungen ist, gleich zwei Teamheads, die im UHNWI-Segment gut vernetzt sind, für EFG zu gewinnen. Ich gehe davon aus, dass diese Kräfte auch einige Angebote von der Konkurrenz erhalten hatten.



Wer war bei der Bank der Mastermind, der den Wechsel eingefädelt hat?



Natürlich war Franco Polloni als Leiter für den Schweizer Markt stark involviert, aber auch CEO Giorgio Pradelli und weitere Geschäftsleitungsmitglieder.

«Ich bin im Vergleich zu anderen Verwaltungsrat-Präsidenten in dieser Hinsicht vielleicht etwas engagierter»

Ich habe die beiden Teams auch selber in Zürich kennengelernt. Der direkte Zugang zur Bankführung wird von neuen Mitarbeitenden sehr geschätzt, habe ich den Eindruck. 



Dass der Bankpräsident neue Filialteams begrüsst, ist doch eher ungewöhnlich. Sie waren jahrelang als Chef diverser Banken tätig – können Sie nicht von der operativen Rolle lassen?



Der Zugang zu Management und Board gehört bei der EFG zur Kultur. Ich bin im Vergleich zu anderen Verwaltungsratspräsidenten in dieser Hinsicht vielleicht auch etwas engagierter – schon als CEO der HSBC Privatbank in der Schweiz war mir der Direktkontakt wichtig.



Anders gefragt: Finden Sie, Ihnen ist der Rollenwechsel zum Verwaltungsrats-Präsidenten gelungen?



Ich denke ja und fühle mich sehr wohl in der Rolle. Die Zusammenarbeit im Board und auch jene mit Giorgio Pradelli und dem Management ist sehr gut.



Anders als bei vorangehenden Chargen mussten Sie bei Ihrer Ankunft bei EFG nicht gleich das Ruder herumwerfen – die Bank war nach turbulenten Jahren rund um die Fusion mit der Tessiner Bank BSI bereits solide unterwegs. Können Sie als Präsident jetzt einfach laufen lassen?



Es stimmt, im Strategiezyklus bis ins Jahr 2022 hatte EFG bedeutende Fortschritte gemacht. Die Finanzergebnisse waren auch sehr gut. In den neuen Zyklus ab 2023 sind wir nun stark gestartet, wie die Rekordprofitabilität der Zehnmonats-Zahlen vom vergangenen Herbst belegt.



Sie wissen es bereits: war 2023 ein Rekordjahr?



Dazu nur dies: wir werden am 21. Februar unser Jahresergebnis publizieren.

Viel Beachtung finden bei den EFG-Ergebnissen immer die Rekrutierungszahlen, da das Geschäftsmodell stark auf die Kundenberater abstützt, die so genannten Client Relationship Officer CRO. Davon hat EFG bis im vergangenen November 130 neu eingestellt, deutlich mehr als geplant. Ein Drittel kommt wie die Teams in St. Moritz und Gstaad von der Credit Suisse – war 2023 für das Hiring ein Jahr, wie es nur einmal in einer Banker-Generation vorkommt?



Der Markt für Talente ist 2023 global sehr stark in Bewegung geraten. Dies aber nicht nur wegen der Ereignisse bei den Grossbanken vom vergangenen März. Wir haben es geschafft, doppelt so viele CROs zu rekrutieren, als wir üblicherweise pro Jahr anpeilen. Die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS öffnete dabei tatsächlich ein einmaliges Window of opportunity. Unser Management-Team hat hart gearbeitet, um gute Leute zu gewinnen. 


Ihre Aussage vom vergangenen Mai, es verbleibe noch ein Monat zur Rekrutierung von CS-Leuten, hat in der Branche für viel Wirbel gesorgt. Ist das Fenster dazu bei der neuen UBS nun tatsächlich geschlossen?

Der Stellenmarkt ist immer noch in Bewegung, und es gibt immer wieder neue Fenster. Eine Integration dieser Grösse birgt ja auch gewisses Frustrationspotenzial. Und das kann dazu führen, dass wieder einige Personen auf den Markt gelangen. Wir sind jedenfalls weiterhin an zusätzlichen Talenten interessiert. Ich kann mir aber vorstellen, dass wir im Jahr 2024 nicht im gleichen Ausmass rekrutieren.

Warum?

Unser Hauptfokus muss vielmehr darin liegen, die neuen Kundenberaterinnen und -berater zu integrieren. Schliesslich erwarten wir, dass die Hälfte aller Netto-Neugelder von den neuen Kräften kommt.



Und was kann man von Ihnen als Präsident von EFG im Jahr 2024 erwarten? Wo werden Sie Akzente setzen?

Als Präsident und mit dem Verwaltungsrat ist es unsere Hauptaufgabe, die strategischen Weichen so zu stellen, dass die EFG ihren Erfolgs- und Wachstumskurs beibehalten kann.

«Als Verwaltungsrat vertritt Boris Collardi auch die Interessen der Familie Latsis»

Unseren Eckdaten zufolge bedeutet dies ein Neugeldwachstum zwischen 4 und 6 Prozent der verwalteten Vermögen pro Jahr. Ausserdem wollen wir unsere Effizienz nochmals steigern und die Kosten-Ertrags-Rate auf 69 Prozent herunterfahren. Und schliesslich möchten wir unseren Aktionären eine Eigenkapital-Rendite von 15 bis 18 Prozent bieten, bei einer Ertragsmarge von 85 Basispunkten. Das sind die Ziele, und nun setzen wir sie um.



Das klingt nach stetem Schaffen. Sie wurden während ihrer CEO-Karriere oftmals als Turnaround-Manager zu Banken geholt, etwa zur damaligen Coutts International oder zu HSBC Switzerland. Gibt es denn gar nichts mehr umzukrempeln bei EFG?



Gottseidank ist das nicht nötig. Es gilt vielmehr, die Schlagzahl der vergangenen Jahre beizubehalten – und dabei wie bereits gesagt die Effizienz und die Profitabilität zu steigern. Wir werden uns auf keinen Fall auf unseren Lorbeeren ausruhen. Nach einigen Jahren mit Erfolgen besteht immer ein gewisses Risiko, zu selbstgefällig zu werden. Das will ich unbedingt vermeiden.

Im Verwaltungsrat von EFG sitzt auch Boris Collardi, der dazu noch Grossaktionär der Bank ist. Er ist als eher ungeduldiger Mensch bekannt – drängt er beim Unternehmen nicht auf den grossen Wurf?



Boris Collardi und ich kennen uns schon seit einigen Jahren. Als Verwaltungsrat und Investor von EFG bringt er sich mit seiner ganzen Erfahrung rege in das Unternehmen ein. Er kann uns vielerorts behilflich sein, etwa bei der Expansionsstrategie in Asien. Als Verwaltungsrat vertritt er auch die Interessen des Hauptaktionärs, der Familie Latsis. Und diese Interessen sind langfristig ausgelegt. 



Collardi präsidiert auch den Asien-Beirat bei EFG. Was sind die Pläne für diese Wachstumsregion, nachdem die Bank dort fleissig rekrutiert hat?



Wir sind im vergangenen Jahr in Asien stark organisch gewachsen, in Hongkong etwa mit zahlreichen Ex-Mitarbeitenden der Credit Suisse. In Singapur konnten wir zahlreiche Banker der örtlichen Bank of Singapore engagieren.

«Auch wir bieten sophistizierte Kreditlösungen an»

Da geht es nun ebenfalls darum, diese Leute zu integrieren.



Sie betonen das Anwerben von Personal. Doch EFG verfügt weiterhin über eine Kriegskasse von rund 400 Millionen Franken für Übernahmen – wann schlagen Sie zu?



Der Fokus liegt auf dem organischen Wachstum. Aber wir sind bereit Übernahmen zu tätigen und schauen uns in jenen Märkten nach Zielen um, wo wir schon über ein gewisses Gewicht verfügen. Wir sehen uns als Konsolidierer.

Es geht das ewige Gerücht, dass sich EFG mit der Zürcher Privatbank Julius Bär zusammentut. Angesichts der Kursverluste der Konkurrentin wegen deren Verwicklung in das Signa-Debakel wäre das Institut günstiger zu haben als auch schon. Greifen Sie zu?



Mir ist bewusst, dass es diese Gerüchte seit Langem gibt. Aber dazu will ich mich nicht äussern.



Das auch im Vergleich mit anderen involvierten Banken übergossen Engagement von Julius Bär gegenüber Signa Firmen wirft Fragen auf. Eine lautet: Muss heute eine Privatbank von einem gewissen Rang ihren wohlhabenden Kunden die Bilanz zugänglich machen, als Teil eines Rundum-Angebots?



Im Rahmen einer vollständigen Produktpalette für UHNWI-Kunden ist ein Kreditangebot heutzutage zwingend. Das trifft auch für EFG zu, gerade weil wir sehr auf Privatunternehmer als Kunden fokussieren. Wir wollen dieser Klientel einen ergänzenden Service bieten, der über die traditionelle Vermögensverwaltung hinausgeht.



Also strukturierte Kredite, wie bei Julius Bär?



Auch wir bieten sophistizierte Kreditlösungen an. Aber wenn man dies unternimmt, muss man über ein sehr starkes Risikomanagement verfügen. Wir haben ein Kreditkomitee im Verwaltungsrat, das sich mit solchen Krediten befasst, und diese je nach Bedeutung dem gesamten Verwaltungsrat vorlegt.

«Im Zinsengeschäft werden wir dieses Jahr wohl weniger verdienen»

Kurz: solche Kredite gehören meiner Meinung nach zum Geschäft, aber im Sinne eines komplementären Elements mit den richtigen Kontrollen. Und in einem Ausmass, das die Bilanz verkraften kann.

Das Signa-Debakel kann auch als ein Folge des Zinsanstiegs in der westlichen Welt betrachtet werden – Geld ist nicht mehr so günstig zu bekommen wie ehedem. Für 2024 sind schon wieder sinkende Zinsen prognostiziert. Was heisst das für das Metier der Banken?

Das Zinsgeschäft wird sich verlangsamen, das ist eindeutig. Und diese Entwicklung wird meiner Meinung nach schneller stattfinden, als viele es vermuten. Für uns als Bank bedeutet dies, dass wir uns rasch anpassen müssen; im Zinsengeschäft werden wir dieses Jahr wohl weniger verdienen. Dafür erhoffe ich mir, dass wir mehr Gebühren im Anlagegeschäft und im Handel einnehmen. Ende vergangenen Jahres hat der Risikoappetit der Anleger in der Folge des Fed-Entscheids zugelegt. Ob das ein langfristiger Trend ist, bleibt abzuwarten. Generell sollte uns die Aktivität der neu rekrutierten Kundenberater unterstützen. Alles in Allem erwarte ich aber kein leichtes Jahr.

Sie sind ja nicht mehr oft auf der Piste anzutreffen. Aber ist das bildlich gesprochen etwa so, wie wenn man im Nebel den Hang hinunterkurvt und die Hindernisse plötzlich vor einem auftauchen?

Grundsätzlich geht es darum, sehr nahe am Markt und an unseren Kunden zu bleiben. Das ermöglicht es uns, rasch zu reagieren. Wir sind agil und haben keine Bedenken, bei Bedarf schnell Entscheide zu treffen.


Alexander Classen steht seit Ende 2022 dem Verwaltungsrat der in Zürich beheimateten Privatbank EFG International vor. Er verfügt über drei Dekaden Branchenerfahrung; vor seiner Wahl bei EFG wirkte er seit 2018 als Länderchef der Auslandsbank HSBC Private Bank (Suisse). Davor war er Managing Partner bei Bedrock tätig, einem globalen Investment- und Beratungsunternehmen mit Sitz in Genf. Von 2011 bis 2015 hatte Classen die Position des CEO von Coutts International inne, welche später von der Genfer Konkurrentin UBP übernommen wurde. Darüber hinaus arbeitete er vier Jahre beim amerikanischen Geldhaus Morgan Stanley als Leiter des europäischen Private Banking und leitete von 2000 bis 2006 die Niederlassung der US-Bank Goldman Sachs Bank in Zürich. Seine ersten Karriereschritte unternahm der Westschweizer beim Genfer Traditionshaus Pictet.

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