Die Branche solle auch Risiken abschätzen, die sich erst am Horizont abzeichnen, fordert die neuen Chef-Bankenaufseherin der Europäischen Zentralbank. Und sie hat eine kontroverse Überzeugung.

Die Liste der Unsicherheiten für die Wirtschaft im Allgemeinen und die Banken im Besonderen ist lang. Dazu zählen etwa die Auswirkungen der Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten, die Lehren aus den Bank-Runs im vergangenen Frühjahr oder die Gefahren durch eine Krise am Immobilienmarkt.

Doch für die neue Chef-Bankenaufseherin der Europäischen Zentralbank (EZB), Claudia Buch, reicht es nicht aus, nur auf die bekannten Risikofelder zu schauen. Sie will genauer wissen, wie Banken auf neu auftauchende Risiken reagieren würden. Das war das Thema der deutschen Finanzexpertin an ihrem ersten öffentlichen Auftritts als Chefin der EZB-Behörde am Dienstag in Brüssel, von dem die Agentur «Bloomberg» berichtete.

Cyberrisiken und Klimawandel

Als bisher nur ungenügend abgebildete Risiken sieht Buch dabei etwa Cyberrisiken, die Auswirkungen der gestiegenen Zinsen oder auch durch Klimawandel und den Übergang zu einer nachhaltigeren Wirtschaft.

«Dieses hohe Mass an Unsicherheit lässt sich mit klassischen Risikomodellen nicht erfassen», sagte Buch. «Eine ganzheitliche Betrachtung der neuen Risikolandschaft erfordert den Einsatz von Szenarien, Verbesserungen bei Daten und Messungen sowie ein enges Zusammenspiel von Analysen auf Banken- und Makroebene.»

Sie kündigte an die Banken dazu zu drängen, detailliertere Pläne vorzulegen, wie sie auf neu auftretende Risiken reagieren würden.

Fehlende Risikosensitivität

«Viele der Themen, die heute die Schlagzeilen beherrschen, waren vor einem Jahrzehnt noch unvorstellbar. Das unterstreicht die Notwendigkeit für die Banken, nicht nur auf neu auftretende Risiken zu reagieren, sondern sie auch zu antizipieren.»

Die Banken würden zwar für Risiken, die sie nicht vollständig analysieren können, zusätzliche Verlustvorkehrungen treffen. Diese «Overlays» seien aber vom Ansatz her sehr unterschiedlich. «Vielen fehlt die erforderliche Risikosensitivität», sagte Buch. Hier fordert die EZB Verbesserungen und will eine erneute Prüfung durchführen, um die Einhaltung der Vorschriften sicherzustellen.

Letztendlich zählt das Kapital

«Banken müssen gut kapitalisiert sein, um mit unvorhergesehenen Ereignissen umgehen zu können», sagte sie. «Letztendlich ist es nur das Kapital, das negative Schocks abfedern und es den Banken ermöglichen kann, in Stresszeiten weiterhin Kredite zu vergeben.» Damit dürfte die Diskussion um den Wert von mehr Eigenkapital bei Liquditätskrisen wie zuletzt bei der Credit Suisse in der Schweiz zusätzliche Nahrung finden.

Die ehemalige Vizepräsidentin der Deutschen Bundesbank Buch hatte die Bankenaufsicht der EZB Anfang Jahr von ihren Vorgänger Andrea Enria übernommen.

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