Im vergangenen Jahr herrschte im Schweizer Investmentbanking Flaute. Nun sorgen Firmen wie Swisscom oder Sunrise mit geplanten Deals für Schlagzeilen. Reinout Böttcher, bei der Auslandsbank J.P. Morgan zuständig für das hiesige Investmentbanking, spricht mit finews.ch über das Stop-and-Go in seinem Metier.


Herr Böttcher, der Telekom-Konzern Sunrise wird abgespalten und soll wieder an die Schweizer Börse, die Swisscom plant einen Zukauf in Italien: Nach der Flaute des vergangenen Jahres kehren die Lebensgeister im Investmentbanking offenbar wieder zurück. Was sind die Treiber?

In der Tat ist das Marktumfeld äusserst vielversprechend. Die Treiber der Dynamik sind vielfältig. Auf Unternehmensseite sind dies die Suche nach Wachstumsopportunitäten, Skalen- und Synergieeffekten sowie strategischen Portfolioergänzungen.

Dazu gehören etwa neue Technologien oder die Erschliessung neuer geografischer Märkte und Zielgruppen über Zukäufe.

Gibt es noch andere Faktoren?

Darüber hinaus beobachten wir einen anhaltenden Trend zur Fokussierung auf das Kerngeschäft, verbunden mit dem Rückzug aus Geschäftsbereichen jenseits zentraler Aktivitäten.

«Auch in der Schweiz ist die Liste hochkarätiger IPO-Kandidaten lang»

Ein entscheidender Faktor ist aber auch Private Equity, sowohl auf der Verkäufer- als auch auf der Käuferseite. Bei langjährigen Beteiligungen besteht mitunter ein hoher Verkaufsdruck. Mit ‹Dry Powder› im Billionen-Dollar-Bereich besteht zugleich ein hoher Anlagedruck, der zu verstärkten Aktivitäten zwingt.

Wird 2024 als Spitzenjahr für Fusionen und Übernahmen, kurz M&A, in die Geschichte eingehen?

Noch sind wir im ersten Quartal. Wie stark das Transaktionsjahr in der Schweiz tatsächlich wird, ist noch schwer abzuschätzen. Es sollte jedoch insgesamt deutlich besser ausfallen als 2023.

Dafür spricht auch die weiterhin starke M&A-Pipeline. Nicht nur in der Schweiz, sondern auch in Europa und weltweit beobachten wir einen erheblichen Anstieg der Anzahl solcher Vorhaben.

Die Schweizer Börsenbetreiberin SIX erwartet dieses Jahr bis zu 15 neue Listings. Hat sich da im Business mit Aktien-Kapitalmarkt-Transaktionen eine lange Pipeline aufgestaut?

Die beeindruckende Rally an den Sekundärmärkten hat für Kapitalmarkt-Transaktionen und Börsengänge ein wesentlich günstigeres Umfeld geschaffen.

Angesichts der vorherrschenden Unsicherheit in den letzten zwei Jahren gab es nur sehr wenige Börsengänge auf dem Markt, aber die Pipeline wurde in ganz Europa weiter ausgebaut. Auch in der Schweiz ist die Liste hochkarätiger IPO-Kandidaten lang.

Und diese Kandidaten drängen nun an den Start?

Vor dem nun positiveren Hintergrund beginnen die Emittenten mit den Vorbereitungen für den Gang an die Börse, wobei vom Beginn der internen Vorbereitungen bis zur Börsennotierung ein Zeitraum von zwölf bis zu 24 Monaten vergeht.

«Gute Akquisitionen können heute gut finanziert werden»

Wir gehen davon aus, dass die IPO-Aktivität im Laufe des Jahres 2024 allmählich zunehmen und im Jahr 2025 ein normalisiertes Niveau erreichen wird.

Auch das Kapitalmarkt-Geschäft im Anleihenbereich läuft momentan auf Hochtouren. Seit Jahresbeginn wurden im Euromarkt bereits mehr als 160 Milliarden Euro an Investment-Grade-Anleihen von über 30 Unternehmen emittiert, darunter mit ABB und Nestlé auch zwei Schweizer Schwergewichte mit einem Gesamtemissionsvolumen von 2,75 Milliarden Euro. Geht es in diesem Takt weiter?

Aktuell preist der Markt vor dem Hintergrund der sich kontinuierlich abkühlenden Inflation und einem unsicheren wirtschaftlichen Ausblick signifikante Zinsschritte durch die Zentralbanken, was zu erheblich verbesserten Konditionen im Anleihenmarkt geführt hat.

Die Entwicklung im Jahresverlauf wird nun stark von der weiteren konjunkturellen Entwicklung und der Reaktion der Zentralbanken abhängen.

Fliesst das aufgenommene Fremdkapital ins Wachstum und damit wieder in Übernahmen?

Mit Blick auf das Transaktionsgeschäft sind die Finanzierungsmärkte, anders als noch im vergangenen Jahr, um einiges konstruktiver, wenn auch teurer. Gute Akquisitionen können heute gut finanziert werden.

Seit Ausbruch der Corona-Krise prägt ein Stop-and-Go das weltweite Investmentbanking, Boom und Flaute wechseln sich ab. Wann kann die Branche diese Extreme hinter sich lassen?

Das Investmentbanking lässt sich nicht isoliert von den Rahmenbedingungen betrachten. Stark befeuert durch niedrige Zinsen und günstiges Kapital haben wir über Jahre hohe Volumina im M&A-Markt gesehen, eine Entwicklung, die letztlich ihren Höhepunkt im Rekordjahr 2021 gefunden hat.

«Von Extremen würde ich nicht sprechen»

Aufgrund vielfältiger Herausforderungen, ob Engpässe in der Lieferkette, steigende Energiekosten, angeheizte Inflation und im Ergebnis steigende Zinsen oder unsichere wirtschaftliche Aussichten, sind die Volumina sowohl 2022 also auch 2023 erheblich zurückgegangen.

Für 2024 erwarten wir nun eine Erholung. Von Extremen würde ich daher nicht sprechen, vielmehr von Anpassungsprozessen an sich ändernde Rahmenbedingungen.

Auch in der Schweiz ist das Investmentbanking der UBS mit der Integration der Credit Suisse beschäftigt und kann zudem das Firmenkunden-Buch der neuen Tochter nicht tel quel übernehmen. Öffnet sich damit 2024 ein einmaliges Fenster für Konkurrenten wie J.P. Morgan?

Sicherlich ist die Marktsituation derzeit besonders, viele Dinge fügen sich aktuell noch. Gleichwohl wird sich für uns als international führende Bank im Investmentbanking nicht viel ändern.


Reinout Böttcher ist Leiter des Schweiz-Geschäfts sowie des Schweizer Investmentbanking von J.P. Morgan, der grössten Bank Amerikas. Im Schweizer Investmentbanking zählt das Institut zu den führenden Anbietern, neben den heimischen Akteuren wie der UBS oder der nun zwangsverkauften Credit Suisse (CS).

War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
  • Ja, es gab keine andere, wirtschaftlich sinnvolle Alternative.
    26.55%
  • Nein, man hätte die Credit Suisse abwickeln sollen.
    18.53%
  • Nein, der Bund hätte die Credit Suisse übernehmen sollen.
    28.26%
  • Man hätte auch ausländische Banken als Käufer zulassen sollen.
    9.12%
  • Man hätte eine Lösung mit Schweizer Investoren suchen sollen.
    17.55%
pixel