Der Transformationsprozess in der Schweizer Bankbranche benötige mindestens zehn Jahre, um erfolgreich zu Ende gebracht zu werden, sagt Fondsmanager Christoph Bruns.


Herr Bruns, Sie richten Ihr Augenmerk vorwiegend auf unterbewertete Unternehmen. Gibt es solche überhaupt noch, nach einer rund zweijährigen Hausse an der Börse?

Glücklicherweise gibt es auch in einer Hausse stets Gelegenheiten, günstige Qualitätstitel zu finden. Oft sind es temporäre Unternehmensprobleme oder Makro-Belastungen, die solcherlei Kaufchancen entstehen lassen. In den vergangenen Wochen konnte man etwa russische Aktien zu sehr günstigen Kursen kaufen.

Viele Indikatoren weisen jedoch immer stärker darauf hin, dass der Bullenmarkt noch dieses Jahr gestoppt wird. Was meinen Sie?

Solange die Notenbanken nicht von ihrer Nullzins-Politik Abschied nehmen, ist die Gefahr nicht sonderlich gross. Zwar ist die Dynamik des Aktienmarktes in diesem Jahr nicht mehr so stark wie in den Vorjahren, gleichwohl bleiben Aktien gegenüber langlaufenden Anleihen im Vorteil.

Sie investieren quer durch das Anlage-Universum. Trotzdem, welche Länder oder Branchen sind heute und morgen attraktiv – und warum?

Manches spricht dafür, dass die Schwellenländer in den nächsten Jahren wieder mehr Aufmerksamkeit erfahren werden.


«Finanztitel profitieren jetzt»


Gerade dort, wo wir zuletzt manches Ungemach haben sehen müssen, namentlich in Brasilien, China und Russland, könnten sich neue Chancen ergeben, sobald der derzeitige Nebel sich verzogen hat.

Zwei Themen dominieren seit geraumer Zeit das Anlagegeschäft: das Comeback von Europa und das Comeback der Finanztitel, namentlich in Europa. Was sagen Sie dazu?

Die Euro-Krise hat viele Anleger auf dem falschen Fuss erwischt. Der Gedanke, die Europäer würde ihre Währung vorschnell über Bord werfen, war reines Wunschdenken mancher Euro-Skeptiker. In Wahrheit ist Europa wesentlich stärker als sein allgemeiner Ruf. Und Finanztitel werden derzeit von laufenden Übernahmewelle positiv tangiert.

Ist Europa denn überhaupt noch attraktiv, wenn die ganze Investoren-Herde dahin treibt?

Zwar sind die gröbsten Unterbewertungen inzwischen ausgeglichen, gleichwohl besteht die Chance auf einen anständigen konjunkturellen Aufschwung. Sowohl der milde Winter als auch die noch lange anhaltenden Niedrigzins-Phase könnten hier für weitere Impulse sorgen.


«Man muss auch die Plus-Seite sehen»


Immerhin darf man nicht vergessen, dass angesichts der Nullzins-Politik die Aktienbewertungen durchaus etwas höher ausfallen dürfen. Übrigens sind ja die Dividendenrenditen im Vergleich zu Staatsanleihen einigermassen attraktiv.

Sind Finanztitel angesichts der vielen ungelösten Probleme in Europa nicht ein höchst riskantes Unterfangen?

Wahrscheinlich schon, aber man muss auch die Plus-Seite sehen: Der Wettbewerb ist geringer geworden, weil sich etliche Institute aus mancherlei Marktbereichen zurückgezogen haben. Ausserdem haben wir boomende Finanzmärkte, allen voran die Anleihenmärkte.

Aber auch das M&A-Geschäft ist stark, und die verwalteten Vermögen der Kunden sind höher als vor der Krise. Folglich überwiegen für klug geführte Finanzwerte die Chancen die Risiken, wenngleich letztere durchaus vorhanden sind.

Investieren Sie auch in Schweizer Aktien, falls ja, was sind da Ihre Favoriten?

Selbstverständlich gehören Schweizer Aktien in unser Anlageuniversum. Neben den Blue Chips interessieren wir uns mit Vorliebe für Titel aus dem Maschinenbau- und Dienstleistungssektor.


«Licht am Ende des Restrukturierungs-Tunnels»


Zwar hat der starke Franken die Situation dort nicht gerade einfacher gemacht, aber grundsätzlich sehen wir in der Schweiz viele konservativ agierende Qualitätsunternehmen, an denen wir uns gerne beteiligen, wenn der Preis attraktiv ist.

Was halten Sie von den Schweizer Banktiteln?

Nach schwierigen Jahren des Umbaus ist inzwischen Licht am Ende des Restrukturierungs-Tunnels erkennbar. Insgesamt benötigt ein so schwerwiegender Transformationsprozess mindestens ein Dekade, um erfolgreich zu Ende gebracht zu werden. Man darf aber nicht vergessen, dass in den meisten anderen Ländern die Verwerfungen tendenziell noch grösser sind.

Wie bewerten Sie die Zukunftschancen für den Schweizer Finanzplatz?

Kein Finanzplatz ist so sehr im Wandel begriffen wie die Schweiz. Die regulatorischen, steuerlichen und marktbezogenen Gegebenheiten erzwingen eine Neuadjustierung der meisten Marktteilnehmer. Immerhin verfügt die Schweiz aber über einen grossen Finanzplatz und etablierte Strukturen.


«Wert auf transparente Dienstleistungen legen»


Man kann also davon ausgehen, dass die Schweiz ihren Platz im weltweiten Finanzdienstleistungsgefüge wird behaupten können. Freilich werden Veränderungen zu einem stärkeren Leistungswettbewerb führen, wobei die Schweizer Institute gut beraten sein werden, auf hochwertige transparente Dienstleistungen wert zu legen.


Christoph Bruns 180Der 47-jährige Christoph Bruns (Bild) wurde im westfälischen Münster geboren, wo er an der Universität Münster Diplom-Kaufmann studierte und promovierte. Im Jahr 1994 stieg er bei Union Investment ein, wo er als Fondsmanager seine Sporen abverdiente. Zuletzt leitete Bruns das gesamte Aktiensegment mit mehr als 80 Milliarden Euro (rund 100 Milliarden Franken). Zwischen 2002 und 2005 war er selbständiger Investor, bevor er im Januar 2005 als Fondsmanager, Teilhaber und Vorstand beim Oldenburger Investmenthaus LOYS anheuerte.

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