Bricht Glencore zusammen, würde dies die ganze Branche mitreissen – ähnlich den Folgen, die der Kollaps von Lehman Brothers auf das Finanzsystem zeitigte. Experten ziehen auch Vergleiche zur UBS 2008.

Die weltweite Finanzgemeinde beobachtet mit Argusaugen das Marktgeschehen um den Schweizer Rohstoffriesen Glencore, der wegen zu hoher Schulden – 30 Milliarden Dollar – in eine existenzielle Krise geraten ist.

In den Kommentaren und auf den Finanz-TV-Kanälen von «CNBC» und «Bloomberg» macht der Begriff «Lehman-Moment» die Runde: Sollte der Riesenkonzern mit rund 200 Milliarden Dollar Umsatz zusammenbrechen, könnte dies in der Bergbauindustrie und auf den Rohstoff-Märkten ähnliche Schockwellen an den Finanzmärkten aussenden, wie seinerzeit der Zusammenbruch der US-Investmentbank Lehman Brothers 2008 unter ihrem Chef Richard Fuld (Bild).

Zahlreiche Parallelen

Die Parallelen sind verblüffend: Wie es Lehman Brothers vorgemacht hat, arbeitet auch Glencore mit einem sehr hohen Anteil an Fremdkapital, um die Profitabilität zu steigern. Wie Lehman Brothers tätigt auch Glencore auf Grund seiner extensiven Handelsaktivitäten zahlreiche Gegenpartei-Transaktionen.

Bricht Glencore zusammen, könnte dies einen Domino-Effekt auslösen, wie beispielsweise Frank Holmes, Chef von U.S. Global Investors auf «CNBC» befürchtet. Einen ähnlichen Vergleich machte auch Nigel Wilson auf «Bloomberg TV». Er ist CEO der Legal & General Group.

CDS-Spreads explodierten

Die Ängste spiegeln sich an den Finanzmärkten: Mit der Glencore-Aktie tauchten auch die Rohstoff-Indizes. Die Titel der Bergbau-Riesen wie Rio Tinto und BHP Billiton verloren rapide an Wert. In Sambia sackte die lokale Währung, der Kwacha, gegenüber dem Dollar um rund 50 Prozent ab, nachdem Glencore die Kupferminen vorübergehen schloss.

In der Finanzgemeinde alarmierend und an Lehman-Verhältnisse erinnernd ist indessen der Preis der Kreditderivate für Auswallrisiken (Credit Default Swaps, CDS) von Glencore, der in den vergangenen Tagen durch die Decke ging.

Glencore wie einst Lehman: Alles in Ordnung

Das alles ruft böse Erinnerungen wach. Eine Faustregel, die sich seit der Finanzkrise etabliert hat, lautet: CDS-Spreads oberhalb von 400 Basispunkten bedeuten Gefahr. Bei Glencore betrugen sie zuletzt 1'000 Punkte.

Das Risiko einer Pleite innerhalb der nächsten fünf Jahre liegt dann bei 1 zu 4 respektive bei 1 zu 10. Glencore verhält sich in der Krise ähnlich wie Lehman Brothers bis zum letzten Moment: Es sei soweit alles in Ordnung, teilte Glencore sinngemäss am Dienstag mit. Die Probleme würden gelöst.

Fremdkapital wie LTCM

Der extrem hohe Einsatz von Fremdkapital, die Leverage also, veranlasste einige Marktkommentatoren aber auch dazu, noch weiter in der Vergangenheit nach Parellelen zu suchen. Fündig wurden sie beim Zusammenbruch des Hedgefonds Long Term Capital Management (LTCM).

Die Glencore-Handelsabteilungen seien ähnlich hoch «geleveraged» wie in den 1990er-Jahren LTCM, heisst es im Online-Forum «Private Eye».

Der Hedgefonds gelangte zu zweifelhaftem Weltruhm, weil sein Zusammenbruch die US-Notenbank zum Eingreifen zwang. Die UBS gehörte zu den Banken, welche LTCM mit in den Strudel riss. Sie musste sich rund eine Milliarde Dollar ans Bein streichen.

Parallelen auch zur UBS

Der Meilemer Vermögensverwalter CEAMS, der sich auf den Qualitäts-Investmentansatz spezialisiert hat, zog von Glencore eine etwas andere Parallele: nämlich zur UBS.

Die Finanzqualität von Glencore sei schon lange vor der Rohstoffkrise weit unterdurchschnittlich gewesen, vergleichbar mit der UBS vor ihrer existenziellen Krise im Jahr 2008, schrieb CEAMS-Mitgründer Philipp Weckherlin in einem an Kunden verschickten Kommentar.

Nicht Krisen wie jetzt an den Rohstoff-Märkten oder damals an den Finanzmärkten seien die Ursache für die Schieflagen jener Unternehmen, zu denen Weckherlin auch Enron, Parmalat oder AIG zählt.

Wirklich keine Überraschung

Der Hauptgrund ist die schlechte Finanzqualität, sprich der extrem hohe Einsatz von Fremdkapital. Dieser hätte Investoren schon lange vor Ausbruch der Krise ein Warnzeichen sein müssen. Die ungeliebte Wahrheit, so Weckherlin, sei: «Der Einbruch von Glencore war wirklich keine Überraschung.»

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