Künstliche Intelligenz leite sozusagen das Ende des klassischen Fondsmanagements ein, sagt Hendrik Leber im Interview mit finews.ch. Der Acatis-Gründer erzielt damit phänomenale Ergebnisse.


Herr Leber, Sie sind ein preisgekrönter Fondsmanager und ein erfolgreicher Value-Investor. Was hat Sie dazu bewogen, Ihre Arbeit, die von tiefen persönlichen Überzeugungen geprägt ist, einem Computer abzutreten?

Der Zugang war sehr spielerisch. Mit einem Kollegen haben wir vor vier Jahren den Computer mit Dramen von Goethe gefüttert, woraus neue Goethe-Texte entstanden sind. Später haben wir das auch auf Unternehmen angewandt, also der Maschine Bilanzen zum Lesen gegeben, um darin Ähnlichkeiten zu finden.

Gleichzeitig habe ich natürlich die technologischen Fortschritte in Sachen künstliche Intelligenz beobachtet und vor etwa zwei Jahren Professor Jürgen Schmidhuber angerufen, der auf diesem Gebiet einer der führenden Forscher ist.

Sie sahen künstliche Intelligenz als neue zukünftige Konkurrenz im Fondsmanagement?

Wenn ich die Fortschritte bei den selbstfahrenden Autos beobachte, ist mir klar, dass ich diesen als mittelmässiger Autofahrer in fünf Jahren hoffnungslos unterlegen sein werde. Als Fondsmanager halte ich mich nun für erfahren und clever. Dies gründet auch darauf, dass ich in meiner Laufbahn Tausende von Unternehmensbilanzen analysiert habe.

«Unser Hirn entwickelt sich nicht bemerkenswert weiter»

Wenn ich einer Maschine eine Million Bilanzen zu lesen gebe, müsste diese im Portfoliomanagement die besseren Entscheidungen fällen als ich, weil sie auf mehr Daten zugreifen kann und weniger Fehler macht.

Das ist das Eingeständnis, an die eigenen Grenzen gestossen zu sein.

Unser Hirn entwickelt sich nicht bemerkenswert weiter. Die Computerleistung hingegen schon. Dass ich von einem Computer im Fondsmanagement irgendwann geschlagen werde, ist also unausweichlich.

Sie leiten quasi das Ende des klassischen Fondsmanagements ein.

Das stimmt. Und es wird sich zeigen, ob der Mensch in diesem ganzen Prozess noch Platz hat. Es wird aber immer Faktoren geben, die eine Unternehmensentwicklung beeinflussen, die in den reinen Daten aber nicht enthalten sind, wie Manager-Egos.

«Die Kunst besteht darin, dass der Computer Daten selektioniert und gewichtet»

Maschinen können nur dort erfolgreicher sein als Menschen, wo eine gewisse Menge an Daten vorhanden ist. Meine Prognose ist, dass Small-Cap-Fonds darum noch eine Weile lang von Menschen gemanagt werden.

Sie sind mit Acatis ein Pionier in der Anwendung von künstlicher Intelligenz?

Soweit das überschaubar ist, sind wir das. Wir wissen nicht, woran gewisse Hedgefonds arbeiten. Wir stellen uns in die Öffentlichkeit und sind fast alleine da.

Künstliche Intelligenz ist das 'Buzzword' des Jahres und wird als Revolution gefeiert. Findet diese wirklich statt, oder ist der Einsatz selbstlernender Computer bloss ein weiterer Entwicklungsschritt?

In der Entwicklung von computerbasierten Research- und Handelsprogrammen ist der Einsatz von künstlicher Intelligenz tatsächlich nur ein weiterer Schritt. Aber dieser Schritt ist schon sehr bedeutend.

Worin besteht die Leistung dieser künstlichen Intelligenz?

Im Wesentlichen erkennt sie Muster in den analysierten Daten und leitet dann Entscheidungen ab.

Das ist alles?

Die Kunst besteht darin, dass der Computer, der wie ein neuronales Netzwerk funktioniert, zwar alle verfügbaren Daten aufnimmt, aber auch selektioniert und gewichtet. Ein Beispiel: Sie tragen heute einen roten Pullover. Nun würde ein herkömmlicher Computer sagen: Herr Hody trägt immer einen roten Pullover. Oder er sagt: Wenn ich einen roten Pullover sehe, dann gehört er Herrn Hody.

«Wir entlassen den Computer schrittweise in die völlige Freiheit»

Mit dem Einsatz künstlicher Intelligenz lernt der Computer zu abstrahieren. Er realisiert zwar Zusammenhänge, stellt aber möglicherweise nicht gleich eine Regel auf. Das ist der revolutionäre Schritt.

Das ist mit selbstlernenden Maschinen gemeint.

Ja. Der Computer analysiert Rohdaten, erstellt Regeln, probiert sie aus, verbessert sie und leitet daraus sein Handeln ab.

Diese Anwendung der künstlichen Intelligenz hat bereits Marktreife, das heisst, Sie bieten entsprechende Produkte an.

Wir lancieren am 23. März zusammen mit der Bayerninvest den ersten komplett maschinenoptimierten Fonds. Im Vorgänger Acatis Global Value Total Return ist noch viel Handarbeit dabei. Jetzt entlassen wir den Computer schrittweise in die völlige Freiheit.

Anwendungen testen Sie seit vergangenem Herbst. Wie sind die Resultate?

Sie sind phänomenal. Ich gestehe gerne ein, dass mir der Computer haushoch überlegen ist.

Das heisst, er erzielt permanent Outperformance?

Ja. In den letzten fünf Jahren lag die jährliche Outperformance bei 3 bis 5 Prozent und in den Jahren davor bei 10 bis 50 Prozent. Das heisst, der Markt hat sich verändert, ist nochmals effizienter geworden.

Gibt es keine Ausreisser nach unten?

Doch, auch der Computer greift schon mal daneben. Aber er lernt sehr rasch aus seinen Fehlern.

Wie ist das Echo bei Ihren Kunden?

Neugierde und Interesse sind sehr hoch. Gleichzeitig fragen uns Kunden, was denn das mit unserem Value-Ansatz noch zu tun hat.

Was antworten Sie?

Ich erkläre, dass dies die Werkzeuge der Zukunft sind. Ich muss diese bereits heute lernen und anwenden, sonst tun es andere, und ich verstehe irgendwann die Märkte nicht mehr. Wir betreiben ja kein Handels- sondern ein Investitionssystem basierend auf Fundamentaldaten.

«Wie eine Fussball-Mannschaft, die noch nie zusammengespielt hat»

Wir analysieren Unternehmen und Aktien über einen längeren Zeitraum. Insofern ist dieser Einsatz von künstlicher Intelligenz dem Value-Anlagestil nicht unähnlich. Bloss können wir nicht mehr alles erklären, weil die Entscheidungen der Computer trifft. Die Zusammensetzung der Portfolios ist hingegen wieder nachvollziehbar.

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