Eine Flut von neuen Büchern befasst sich mit den epochalen Veränderungen in der Finanzbranche. Kontroverser könnten die Meinungen dabei nicht sein.

Rein vom Timing her kommt das Buch von Philipp Löpfe ideal. Der frühere stellvertretende Chefredaktor der Wirtschaftszeitung «Cash» und spätere Chefredaktor des «Tages-Anzeiger» befasst sich mit dem Schweizer Bankgeheimnis respektive mit dem, was davon angeblich noch übrig bleibt. Es trägt den Titel «Banken ohne Geheimnisse».

Dies ist insofern ein interessanter Ansatz, als dass der schweizerische Diskretionsschutz allein in den letzten zwölf Monaten bereits massiv demontiert worden ist und angesichts der anhaltenden Bedrohungslage alles andere als gesichert scheint.

Überholte Klischees

loepfe_philipp_2Löpfe (Bild links)  zeichnet ausführlich nach, wie das Bankgeheimnis in der Schweiz entstand. Allerdings wird dabei schnell klar, dass der Publizist der Schutznorm eher kritisch gegenübersteht.

Grundsätzlich ist dagegen nichts einzuwenden, fraglich wird dies aber, wenn er Autor jene Klischees bemüht, die in einer ernsthaften Diskussion heute gar nicht mehr zur Debatte stehen.

Es stimmt, dass über viele Jahre hinweg kolportiert wurde, das Schweizer Bankgeheimnis sei zum Schutz jüdischer Vermögen geschaffen worden, und es trifft auch zu, dass die Schweizerische Kreditanstalt (heute Credit Suisse) noch in den sechziger Jahren diese Legende in einer Publikation verbreitete. In der Folge haben denn auch zahlreiche Politiker, nicht zuletzt auch Christoph Blocher, diese Mär noch lange Zeit thematisiert.

Argumente greifen zu kurz

Doch in Fachkreisen ist diese These schon lange ad acta gelegt worden. Umso mehr irritiert es, wenn Löpfe dieses Klischee nun aufs Neue bemüht. Es greift auch zu kurz, das Bankgeheimnis einzig als Wettbewerbsvorteil für die Banken zu bezeichnen, wie das der Autor in seinem Buch tut. Die Schutznorm wurde nicht eingeführt, um den hiesigen Finanzinstituten respektive dem hiesigen Finanzplatz bessere Rahmenbedingungen gegenüber dem Ausland zu verschaffen.

Bankgeheimnis_CoverVielmehr beruht das Bankgeheimnis auf einem gutschweizerischen Kompromiss, der in der heutigen Diskussion gern übergangen wird. Das Bankgeheimnis wurde für die Kundschaft und nicht für die Geldhäuser geschaffen, und zwar weil es zwischen 1915 und 1935 zu zahlreichen Bankzusammenbrüchen in der Schweiz gekommen war. Vor diesem Hintergrund entstand die Forderung nach einem verstärkten Schutz der Kundengelder, insbesondere im Inland.

Auch Linke unterstützten Bankgeheimnis

Dass im gleichen Zeitraum ausländische Behörden Jagd auf Steuersünder machten, war ein weiterer Grund für die Schweiz, ihr Schutzdispositiv gegenüber Staaten wie Frankreich oder Deutschland zu verstärken. Unter diesen verschiedenen Prämissen entstand das Bankengesetz, das in Artikel 47 den Passus für das Bankgeheimnis enthielt. Natürlich unterstützten die bürgerlichen Parteien dieses Regelwerk vor allem wegen der ausländischen Vermögen in der Schweiz, doch auch die Linke stand hinter dem Gesetz, um die Spargelder der Schweizerinnen und Schweizer besser zu schützen.

Angesichts dieser Vorgeschichte relativiert sich die ganze Herleitung des Bankgeheimnisses in Löpfes Buch etwas. Es trifft zu, dass die Schweiz es immer wieder verstanden hat, ihr Gesetz den Umständen entsprechend anzupassen und dabei manchen Ländern, insbesondere den USA, grosse Konzession zu machen.

Viel Heuchelei im Ausland

Das Bankgeheimnis jedoch darauf zu reduzieren, ein Vorwand für den grossen Reibach der Schweizer Banken zu sein, greift zu kurz und hilft in der aktuellen Situation wenig. Die vollständige Abschaffung dieser Diskretionsnorm kann auch nicht die Lösung sein, besonders nicht, solange andere Ländern einen vergleichbaren Schutz haben, ohne dass dabei der gleiche Druck wie auf die Schweiz ausgeübt wird.

Darauf geht die Westschweizer Journalistin Myret Zaki (Bild links) in ihrem neuen Buch «Vive l’évasion fiscale» ein. Sie entlarvt die moralische Entrüstung mancher Hochsteuerländer in Bezug auf die Schweiz als reine Heuchelei und bedauert, dass sich unser Land in dieser ganzen Debatte so wenig kämpferisch und widerstandsfähig zeigt.

Milliarden-Industrie Schwarzgeld

Myret_Zaki_BildDetailliert zeigt die stellvertretende Chefredaktorin des Westschweizer Wirtschaftsmagazins «Bilan», wie die weltweite Schwarzgeld-Industrie heute funktioniert, welche Länder dabei eine Rolle spielen, und wo die Schweiz steht oder eben nicht.

Interessant dabei auch ihre Erkenntnisse, wonach die Summe aller weltweit unversteuerten Gelder rund 13‘500 Milliarden Franken betragen soll.

Gemäss Zaki lagern in der Schweiz 2‘200 Milliarden Franken an ausländischen Kundengeldern. Davon ist laut Autorin weniger als die Hälfte unversteuert.

Diese Angaben sind bemerkenswert, zumal andere Schätzungen davon ausgehen, dass der Schwarzgeld-Anteil bis zu 70 oder gar 80 Prozent beträgt. Wird von den Gegnern des Bankgeheimnisses zu schwarz gemalt?

Die grossen Sünder sind anderswo

Evasion_CoverWährend Zaki in ihrem vorhergehenden Buch mit der UBS überaus hart ins Gericht ging, beweist sie diesmal eine enorme Präzision und Weitsicht in ihren Einschätzungen. Sie beklagt auch unmissverständlich, dass es die Schweiz versäumt hat, ihre Argumente ins Spiel zu bringen, nun da ein regelrechter «Wirtschaftskrieg» mit manchen Staaten Europas und mit den USA tobt.

Und interessant ist auch Myret Zakis Feststellung, dass trotz des neuen Staatseinflusses in der Welt die Behörden gar nicht in der Lage sind, den ganz grossen Steuerhinterziehern dieser Welt auf die Schliche zu kommen. Zu komplex und verschlungen sind ihre Praktiken, die heute kaum mehr etwas mit der Schweiz zu tun haben.

Schreibender Ex-UBS-Banker

Einen unerwarteten und spannenden Blick auf die Schweiz unternimmt Beat J. Guldimann (Bild links). Er war lange Jahre Jurist beim Schweizerischen Bankverein und später ein leitender Banker und CEO der UBS in Kanada. Heute ist er selbständig tätig und hat eben ein englischsprachiges Buch mit dem Titel «Inside Swiss Banking» publiziert, das hierzulande noch kaum beachtet worden ist.

GuldimannTrotz des etwas reisserischen Titels offenbar der Ex-UBS-Mann keine Geschäftsgeheimnisse, sondern zeichnet die Entwicklung des Swiss Banking in der Welt nach. Das gelingt ihm anschaulich, zumal er dies frei jeglicher Demagogie oder Verurteilung tut. Als Konsequenz kann er nicht anhand der grossen Skandale in der Vergangenheit die Schweizer Banken anprangern. Vielmehr liefert er gute Erklärungen dafür, wie sich das Bankgeschäft schweizerischer Ausprägung in der Welt so rasch und umfassend verbreiten konnte.

Schicksal ist noch beeinflussbar

Diese Sicht von aussen ist in der aktuellen Situation, in der sich die Ereignisse geradezu überschlagen und in einem Wirrwarr von unkoordinierten Stimmen aus Wirtschaft und Politik versumpfen, überaus wertvoll und erfrischend.

Inside_CoverGuldimanns Einschätzungen unterstreichen, worauf ausländische Kunden in der Vergangenheit geachtet haben, wenn sie ihr Geld einer Schweizer Bank anvertrauten, und was es braucht, damit dies auch in Zukunft der Fall ist. Als ehemaliger Top-Banker der UBS im Ausland weiss er zweifelsohne, wovon er spricht.

Etwas ist allen drei Büchern gemeinsam, selbst wenn sie unterschiedliche Standpunkte vertreten: Der Schweizer Finanzplatz wird sich ändern (müssen); noch hat es die Schweiz in der Hand, dieses Schicksal zu beeinflussen. Bald könnte es jedoch zu spät sein.

Ein Exklusiv-Interview mit Beat J. Guldimann folgt in Kürze auf dieser Website.

 

 

 

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