Aberdeen Asset Management und Standard Life haben fusioniert. Aberdeen-Mitgründer und CEO Martin Gilbert beschreibt exklusiv auf finews.ch die neue Welt des Asset Managements.

Die Technologie ist ein merkwürdiger Aspekt unserer Gesellschaft – meistens nehmen wir sie gerne an, aber gleichzeitig verunsichert sie uns. Es vergeht kaum ein Tag, an dem wir uns keine Gedanken darüber machen, wie Roboter die Arbeitswelt verändern. Künstliche Intelligenz birgt ein grosses Potenzial, aber ihre Entwicklung ist untrennbar mit der Angst verbunden, dass wir letztendlich von Computern beherrscht werden könnten. 

Dieser offensichtliche Widerspruch ist nicht neu. Die Mechanisierung von Industrie und Landwirtschaft in Europa im 19. Jahrhundert führte zu Angst, dass die neu erfundenen Maschinen die Existenzgrundlage zerstören könnten, indem sie Menschen ersetzen. 

Tiefgreifender Wandel

Rückblickend erweisen sich viele Bedenken im Hinblick auf Technologie als unbegründet. Veränderungen sind unvermeidlich und müssen akzeptiert werden, da wir den Fortschritt nicht aufhalten können. Die Vermögensverwaltungsbranche befindet sich gerade in einem tiefgreifenden Wandel.

Jeder Einzelne muss verantwortungsbewusster für seine Zukunft sparen als das bei den älteren Generationen je der Fall war. Regierungen und Unternehmen übernehmen immer weniger Verantwortung für die Altersversorgung.

Erfolg der grossen US-Vermögensverwalter

Diese Lücke muss von den Einzelpersonen gefüllt werden. Diese möchten sicher sein, dass sie eine bestimmte Summe für ihren Ruhestand sparen können. So entsteht eine grössere Nachfrage nach Multi Asset- und ergebnisorientierten Anlageprodukten. 

Zahlreiche Pensionsfonds, Versicherungen und Finanzinstitute möchten gleichzeitig mit weniger Investmentgesellschaften arbeiten, die ihnen jeweils eine grössere Auswahl an Strategien anbieten sollen. Das bedeutet, dass grosse Vermögensverwalter in der Lage sein müssen, ihren Kunden eine umfassende Produktauswahl zu bieten. Der Erfolg der grossen US-Vermögensverwalter ist teilweise darauf zurückzuführen, dass sie ihren Kunden zahlreiche Anlagestrategien anbieten können.

Hohe Kundenanforderungen

Um erfolgreich zu sein, müssen die grössten internationalen Vermögensverwalter sowohl bis ins kleinste Detail massgeschneiderte Produkte als auch eine grössere Auswahl an Strategien bereit halten. Darüber hinaus müssen sie in der Lage sein, ihre Auswahl an Produkten und Strategien auf globaler Basis anzubieten.

Aufgrund dieser Situation spaltet sich die Vermögensverwaltungsbranche in zwei Lager. Einerseits florieren Boutique-Manager mit einer kleinen Auswahl an echten Qualitätsprodukten oder -strategien. Auf der anderen Seite gibt es die Vermögensverwalter, die über die Grösse und die Kompetenzen verfügen, um eine umfassende Auswahl an Produkten anbieten zu können, die individuell auf die Kundenbedürfnisse zugeschnitten werden können, egal an welchem Ort der Welt sich die Kunden befinden.

Alles eine Frage der Kosten

Der andere wesentliche Trend in der Vermögensverwaltungsbranche ist eine Prüfung der Kosten unter drei Gesichtspunkten. Da die Anleger jetzt im Hinblick auf ihre Anlagen verantwortungsbewusster sind, überprüfen sie die anfallenden Kosten genau. Zu dieser Wachsamkeit kommt hinzu, dass die institutionellen Anleger sich um Kostenreduzierung bemühen, indem sie mit weniger Managern arbeiten, die eine grössere Zahl an Produkten und Strategien anbieten.

Für den dritten Aspekt der Wachsamkeit zeichnen die Aufsichtsbehörden verantwortlich, die die Vermögensverwalter zu Transparenz verpflichten und dazu, konkrete Grundlagen für ihre Kosten nachzuweisen. Die unaufhaltsame Zunahme passiver Anlagen mit ihren allgemein niedrigeren Kosten verpflichtet die aktiven Manager jederzeit, ihre Kosten zu rechtfertigen.

Trends anerkannt

Unsere Fusion mit Standard Life basiert auf einer Anerkennung dieser Trends. Gemeinsam werden wir in der Lage sein, mehr zu erreichen als wir allein erreichen könnten. Durch die Fusion kombinieren wir unsere jeweiligen Stärken und verfügen über eine grosse Auswahl an Produkten und Strategien, die wir unseren Kunden auf einer wirklich globalen Plattform anbieten können.

Diese Kompetenz und das breitgefächerte Angebot werden es uns ermöglichen, Lösungen für unsere Kunden zu entwickeln, die der Weiterentwicklung von deren Bedürfnissen Rechnung tragen. Die zunehmende Vielfalt unserer Aktivität wird für stabile Einkommensströme sorgen, dank derer wir in die Einstellung und Bindung der besten Fachkräfte investieren und diese durch Systeme unterstützen können, die ihnen die optimale Nutzung ihrer Kompetenzen ermöglichen.

Teil des Gehirns eingeschlafen?

Diese sämtlichen Trends kann man entweder als Herausforderungen oder Chancen betrachten. Ich bevorzuge die zweite Option. Für mich ist ein Grossteil der Angst vor neuer Technologie oder vor der Zukunft allgemein in Wirklichkeit Angst vor dem Unbekannten. Bestimmte Bedenken im Hinblick auf die Zukunft sind durchaus begründet – nicht jeder Fortschritt kann nämlich als positiv bezeichnet werden.

Aber möglicherweise hat es der grosse Pionier Henry Ford am besten auf den Punkt gebracht: «Wer glaubt, seine Methode gefunden zu haben, mag in sich gehen und gründlich nachforschen, ob nicht ein Teil des Gehirns eingeschlafen ist.»

Fortschritt ist untrennbar mit Veränderung verbunden, und es ist die Aufgabe von Menschen wie mir und leitenden Managern anderer Unternehmen, sicher zu stellen, dass wir uns im Gleichschritt mit unserem Umfeld anpassen und dabei auf unsere Kunden konzentriert bleiben.


 

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