Die Regierungen sollten nur Teile der Wirtschaft schliessen statt nochmals einen Lockdown zu verordnen, erklärt Stefan Gerlach, Chefökonom der EFG Bank, im Interview mit finews.ch. Die Coronkrise dürfte uns noch länger beschäftigen. Doch es gebe noch eine Reihe anderer Probleme, die wir nicht ausser Acht lassen sollten, betont er und sagt auch, warum Donald Trump für die Börse schlechter ist als Joe Biden.


Stefan Gerlach, die Schweiz hat eben ihre Schätzung für das Wachstum 2020 nach oben revidiert. Haben wir das Schlimmste schon überstanden?

Die Temperatur in der Hölle scheint nicht überall gleich zu sein. Viele Regierungen haben ihre Schätzungen revidiert – von schrecklich auf sehr schlecht. So oder so wird das Jahr 2020 nicht gut ausfallen.

Erwarten Sie eine weitere Verbesserung der Situation oder eher eine Abflachung des Aufschwungs?

Das hängt stark damit zusammen, ob wir einen weiteren Lockdown benötigen. Lockdowns sind stumpfe Waffen, die einen dramatischen Einfluss auf die gesamte Wirtschaft haben. Was wir brauchen, sind massgeschneiderte Lösungen, wobei die Teile der Wirtschaft, die überproportional zur Verbreitung des Virus beitragen, geschlossen werden sollten. Dies würde es uns erlauben, andere Teile der Wirtschaft in Gang zu halten.

Aber wenn die Infektionszahlen weiterhin so stark steigen, kann es sein, dass wir die Notbremse in Form eines vollständigen Lockdowns ziehen müssen. Das wäre sehr unerfreulich.

«Dies könnte zu einem Anstieg von Firmenpleiten führen und zu Kreditausfällen»

Leider wird das Social Distancing nicht genügend eingehalten, auch in der Schweiz nicht.

Was bedeutet ein Lockdown für die Wirtschaft?

Falls die Pandemie noch lange andauert, riskieren wir das Übergreifen der Schwäche von gewissen Teile der Wirtschaft – wie dem Tourismus – auf die Gesamtwirtschaft.

Dies könnte zu einem Anstieg von Firmenpleiten führen und zu Kreditausfällen. Dies sind keine schnellen Prozesse, aber wenn die Pandemie andauert, werden sie irgendwann zum Thema.

Sehen Sie ein Risiko, dass sich die zweite Welle noch stärker auf das Wirtschaftswachstum in der Eurozone auswirken wird?

Nicht unbedingt. Es hängt ganz davon ab, welche Länder am meisten betroffen sind. Deutschland hat sich bislang ja ganz gut geschlagen.

Ein Risiko wäre, wenn Italien einen dramatischen Anstieg an Fällen verzeichnen und dies zu einem Anstieg der Anleihenspreads führen würde. Das könnte zu einer scharfen und plötzlichen Aufwärtsbewegung des Franken führen, was wiederum einen Einfluss auf den Aufschwung in der Schweiz hätte. Das ist aber nicht das wahrscheinlichste Szenario.

Wie schätzen Sie die langfristigen Auswirkungen der Krise ein?

Der Grossteil der Wirtschaft wird sich erholen; einige Sektoren vermutlich nur schrittweise. Eine umfassende Erholung dürfte allerdings noch länger dauern.

«Die Krankheit war schnell wieder zurück wegen dem mangelnden Social Distancing»

Ausgehend von den Schweizer Daten zu den Infektionen in den Monaten Mai und Juni ging ich davon aus, dass ein Ende der Pandemie in Sicht war, und dass die Wirtschaft schon im Herbst auf ihrem normalen Niveau zurück wäre.

Nun kam es aber nicht so

Ja. Die Krankheit war schnell wieder zurück wegen dem mangelnden Social Distancing. Und so verlängert sich nun die Epidemie. Der Prozess scheint leider ein längerfristiger zu werden.

Diese Problematik sollte sich zwangsläufig auch auf die Aktienkurse auswirken.

War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
  • Ja, es gab keine andere, wirtschaftlich sinnvolle Alternative.
    26.59%
  • Nein, man hätte die Credit Suisse abwickeln sollen.
    18.59%
  • Nein, der Bund hätte die Credit Suisse übernehmen sollen.
    28.24%
  • Man hätte auch ausländische Banken als Käufer zulassen sollen.
    9.06%
  • Man hätte eine Lösung mit Schweizer Investoren suchen sollen.
    17.51%
pixel