Der ehemalige Chef der Schweizer Finanaufsicht sorgt für Aufruhr bei der deutschen Fondsindustrie. Als Aufseher des deutschen Pendants Bafin hat er eine geplante Regelverschärfung für Nachhaltige Fonds verschoben – anwenden will er sie aber zumindest teilweise jetzt schon.

Mark Branson macht gerade Bekanntschaft mit dem zuweilen raueren Diskussions-Klima Deutschlands: Sein Entschluss, die neuen Regeln für nachhaltige Fonds noch nicht einzuführen aber gewisse Teile schon mal anzuwenden, hat unter den Fondsmanagern für Aufregung gesorgt, wie das deutsche «Handelsblatt» schreibt (Artikel hinter Bezahlschranke).

Grundsätzlich geht es um eine Verschärfung der Regeln, welche Fonds in Deutschland als nachhaltig vermarktet werden dürfen und welche nicht. Die deutsche Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin), der Branson vorsteht, will damit Anleger vor dem so genannten Greenwashing schützen. Der Begriff umschreibt den Versuch von Fondsanbietern, ihre Produkte als nachhaltig anzupreisen, obwohl sie es nicht sind. Da immer mehr grosse Investoren sich konsequent der Nachhaltigkeit verschreiben, sind die Fondsanbieter entsprechend gezwungen, solche Produkte auf den Markt zu werfen.

Vorsorgliche Einführung

Die geplante Regeländerung besteht darin, dass 75 Prozent der Mittel eines Fonds, der mit Rücksicht auf Umwelt, Gesellschaft und Governance (ESG) investiert, in nachhaltige Anlagen investiert sein müssen. Dies ist der Industrie zu streng. Sie befürchtet, dass Fondsanbieter in Zukunft ihre Produkte anderswo auflegen und den deutschen Markt links liegenlassen.

Für besonderen Ärger sorgt nun aber Bransons Ankündigung, dass er die geplante Regel zwar noch nicht in Kraft setzen werde, aber schon mal gewisse Aspekte vorsorglich zur Anwendung bringen will, wie er an der Jahrespressekonferenz der Bafin erklärte. Es gibt gemäss «Handelsblatt» in Deutschland etwa 2,500 ESG-Fonds mit knapp 500 Milliarden Euro Gesamtvermögen.

Ukraine und Atomkraft

Er verwies dabei auf die Unsicherheit, welche sich im Zuge des Ukrainekrieges und der Diskussionen um die Atomkraft und Erdgas ergeben haben. In den vergangenen Monaten hat sich in der Europäischen Union ein Diskussion darüber entzündet, ob die Atomkraft und Erdgas als nachhaltige Energieträger gelten können.

Gerade die Atomkraft hat als Energieträger einige Unterstützung gewonnen, da sie im Gegensatz zu Kohle und Öl wenig Kohlendioxid produziert und damit im Kampf gegen den Klimawandel die Umstellung der Elektrizitäts-Produktion helfen könnte.

Auch in der Schweiz akut

Auch in der Schweiz brennt das Thema unter den Nägeln. Eine Studie der Branchenvereinigung Swiss Sustainable Finance (SSF) und der Universität Zürich hält fest, dass der Markt für nachhaltige Finanzprodukte in den letzten fünf Jahren um mehr als das Siebenfache auf 1,52 Billionen Franken angestiegen ist – grosses Geld, mit anderen Worten.

Der Bund hat der Finanzbranche im vergangenen November den Tarif durchgegeben und eine kurze Frist gesetzt, um zu klären, wie sich das Greenwashing ausmerzen lässt. Dabei drohte er bereits mit neuen Vorschriften.

Neue Vorschriften drohen

Die Landesregierung hat das Finanzministerium beauftragt, «bis Ende 2022 gegebenenfalls vorzuschlagen, wie das Finanzmarktrecht – insbesondere bezüglich Transparenz – angepasst werden könnte, um Greenwashing zu vermeiden.»

Auch in der Schweiz fehlen bislang verbindliche Standards, was der Industrie den Vorwurf des Etikettenschwindels eingetragen hat. Der Schweizer Fondsverband Asset Management Association Switzerland (AMAS) veröffentlichte im November in enger Zusammenarbeit mit SSF  Empfehlungen zu Mindestanforderungen für nachhaltige Anlageprodukte. Empfehlungen sind aber nicht verbindlich und auch nicht international koordiniert – und international will das Geschäft ja sein.