Als Leiterin des Bereichs Finanzinformationen führt Marion Leslie die am schnellsten wachsende Einheit der Schweizer Börsenbetreiberin SIX. Im Gespräch mit finews.ch erklärt sie, wie ihre Abteilung die Ziele des Unternehmens vorantreibt – und warum Daten zwingend digital vorliegen müssen.

Der Schweizer Finanzinfrastruktur-Konzern SIX hat sich vorgenommen, in den nächsten vier bis fünf Jahren den Gesamtumsatz um einen Viertel zu steigern. Dem Bereich Finanzinformationen falle dabei eine herausragende Rolle zu, betont Marion Leslie: «Daten sind die Essenz aller Aktivitäten an den Finanzmärkten», sagt die Leiterin der Geschäftssparte Financial Information».

«Sie sind der Ausdruck aller Finanzaktivitäten, ob es sich nun um eine Transaktion, eine Rentenabrechnung, den Depotbericht oder eine Zahlung im Detailhandel  handel – alles dreht sich um Daten», sagt sie im Gespräch mit finews.ch.

Milliarden-Deals sprechen deutliche Sprache

Die zentrale Position der Einheit innerhalb der Gruppe entspricht auch der zunehmenden Bedeutung von Finanzdaten für die gesamten Branche. Hier sind grosse Umwälzungen in Gange. So zahlte die Londoner Börse LSE Anfang vergangenen Jahres rund 27 Milliarden Dollar für den Datenanbieter Refinitiv. 2020 ging IHS Markit für 44 Milliarden Dollar an die Index-Providerin S&P.

«Finanzinformationen sind das Segment mit dem höchsten Wachstum in der Industrie», betont Leslie, die sinnigerweise vor ihrem Wechsel zur SIX als Managing Director bei Refinitiv wirkte.

Motor für die gesamte Gruppe

Leslie sieht ihre Einheit als deshalb als Motor der gesamten Gruppe, der in der Lage ist, die Informationen, über die das Unternehmen bereits verfügt, effektiv zu sammeln, zu verwalten, zu verteilen und zu analysieren.

Daten und Digitalisierung sind untrennbar miteinander verbunden, das erkennen mittlerweile auch die Schweizer Banken, denen die SIX gehört. So hat Raiffeisen Schweiz kürzlich veraltete Systeme abgeschafft hat und für die eigenen Digitalisierungs-Anstrengungen 500 Millionen Schweizer Franken vorgesehen, um Prozesse wie etwa Online-Hypothekenanträge effizienter zu gestalten.

«Analog fäll alles auseinander»

«Digitalisierung funktioniert nur, wenn man tatsächlich digital vorliegende Daten zu verarbeiten hat. Wenn sie analog sind, fällt alles auseinander», sagte die Bereichsleiterin zur Veranschaulichung.

Jede neue Innovation im Finanzwesen untermauert die Bedeutung von Daten als Rückgrat der Branche. Wenn es neue Anlageformen wie börsengehandelte Fonds, ESG-Produkte (Environmental Social and Governance) oder digitale Vermögenswerte gibt, müssen sie kodiert, bewertet und miteinander verbunden werden. Doch das, mahnt die Spezialistin, seit leichter gesagt als getan.

An der Schnittstelle

Zwar sei die Datenmenge, -vielfalt und -geschwindigkeit in den letzten Jahren exponentiell gestiegen. Doch ohne die Möglichkeit, diese Daten miteinander zu verknüpfen, liessen sich keine verlässlichen Erkenntnisse und Informationen gewinnen, auf deren Grundlage Entscheidungen getroffen werden könnten.

Ein Teil der Nutzbarmachung von Daten erfolgt bei der SIX neuerdings über die Open-Banking-Plattform bLink, bei der sich die Börsenbetreiberin als Verbindungsstelle zwischen Banken und Drittanbietern positioniert. «Unser Ziel ist es, diese Konnektivität und den Zugang bereitzustellen», sagt Leslie. Es gehe nicht darum, alles zu besitzen – sondern darum, sicherzustellen, dass die Datensätze in einer konsistenten Weise verfügbar seien.

Bloomberg und Co. angreifen?

Doch bei der SIX schielt man auch aud die Riesen des Business'. Wie Konzernchef Jos Dijsselhof bereits öffentlich erklärt hat, besteht weltweit eine Nachfrage nach Alternativen zu den beiden grossen Anbietern Bloomberg und Refinitiv.

Doch obwohl die Schweizer mit SIXiD auch Terminals mit Daten-Visualisierungen anbieten, liegt die Stärke im Datenfeed-Service. «Ich denke, das wir hier eine wirklich gute Position haben», sagt Leslie. Hingegen können die Nutzer der SIX-Terminals dort nicht direkt handeln, weshalb die Börsenbetreiberin aus sicht der Datenchefin nicht im direkten  Wettbewerb mit Bloomberg & Co. steht.

Sie ist allerdings der Ansicht, dass die Handelsfunktion auf den Terminals an Bedeutung verlieren wird. Die Rolle der Terminals verändere sich, «da der Handel zunehmend maschinengesteuert wird und andere Funktionen immer mehr automatisiert werden», sagt Leslie.

Datenfeeds als Stärke

Die Visualisierung von Daten hingegen ist bei einem anderen Trend-Thema des Finanzwesens gefragt. Solche Tools seien wichtig für Analysten, die mit ESG-Daten arbeiten, berichtet die Managerin. Dass jedes Unternehmen seine Emissionen mit unterschiedlichen Metriken melde, sei dabei typisch für den Beginn jeder Art von neuer Datenerhebung: «Wenn Sie Jahrzehnte zurückgehen, werden Sie dasselbe Problem bei Jahresberichten und Gewinn- und Verlustrechnungen von Unternehmen beobachten können, bevor diese standardisiert wurden», beobachtet Leslie.

Die Übernahme des ESG-Software-Unternehmens Orenda im vergangenen Jahr wird wahrscheinlich nicht die letzte der SIX im ESG-Bereich sein, lässt die Bereichsleiterin durchblicken.

Langfristige Ziele

Krypto und digitale Anlagen sind ein weiteres Trend-Thema, in das sich die Börsenbetreiberin eingeklinkt hat. Auch hier ist die Datensparte mit von der Partie, erklärt Leslie. So hat man bereits damit begonnen, Daten zu sammeln, um Krypto-Indizes zu erstellen. Diese wiederum basieren auf Daten von an der SIX gehandelten Indexprodukten (ETP) mit digitalen Basiswerten. Wenn das Volumen an der im September letzten Jahres gestarteten hauseigenen Digitalbörse SDX ansteigt, sollen die eingehenden Daten auf die gleiche Weise genutzt werden. 

Hetzen lassen will sich die SIX dabei nicht, glaubt man der Managerin. Die private Eigentümerstruktur von SIX, bei der die Banken sowohl Aktionäre wie Kunden sind, mach einen Unterschied in der Art und Weise, wie der Konzern denke und arbeite.

Ein Vorteil sei, dass das Unternehmen nicht an eine vierteljährliche Gewinnmitteilung gebunden ist. «Das gibt uns die Möglichkeit, zu investieren und langfristige Lösungen für unsere Kunden zu entwickeln», sagte sie. Um zu beurteilen, ob SIX ihre Ziele erreicht, wird Leslie zweifellos die Daten eingehend prüfen.


Mitarbeit: Marco Babic

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