Mit der Umsetzung der OECD-Mindeststeuer steht der globale Steuerwettbewerb vor einer neuen Zeitrechnung. Ab Anfang 2024 soll für global tätige Unternehmen weltweit derselbe Steuersatz gelten. Was bedeutet dies für die Schweiz, und was haben Kostümpartys damit zu tun? Nicholas John von der Bankiervereinigung geht dieser Frage nach.

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Von Nicholas John, Public Affairs Manager, Schweizerische Bankiervereinigung

Das Interesse an Steuerfragen und deren Änderungen hält sich bei den meisten von uns in Grenzen. Oft sind damit komplizierte Prozentsätze und Zahlen mit zu vielen Nullen verbunden, die nur Steuerexpertinnen und -experten verstehen. Die Nicht-Experten unter uns interessiert eigentlich nur Folgendes: Müssen aufgrund einer Änderung mehr oder weniger Steuern bezahlt werden, und werden als Konsequenz davon die Leistungen der öffentlichen Hand gekürzt oder ausgebaut?

Ab nächstem Jahr soll für grosse, global tätige Unternehmen ein einheitlicher Steuersatz von 15 Prozent gelten. Das hat die internationale Staatengemeinschaft unter der Federführung der OECD entschieden. Dadurch erhoffen sich Hochsteuerländer, ihren Standort attraktiver zu gestalten und Unternehmen anzulocken, die heute in Tiefsteuerländern wie der Schweiz angesiedelt sind.

Mehreinnahmen für die Staatskasse

Für grosse Unternehmen würde der Standort Schweiz bei Annahme der Abstimmung teurer, da sie mehr Steuern bezahlen müssten. Die privaten Steuerzahlerinnen und Steuerzahler sowie die KMU wären dagegen von dieser Änderung nicht betroffen. Aufgrund der Ausgestaltung der Steuervorlage und der attraktiven Rahmenbedingungen des Standortes Schweiz darf davon ausgegangen werden, dass die Staatskasse in den kommenden Jahren Mehreinnahmen verbuchen dürfte.

Die Funktionsweise der OECD-Mindeststeuer ist einfach erklärt. Bedienen wir uns dazu einer uns allen bekannten Analogie – einer Kostümparty. Die meisten von uns haben bereits die Erfahrung gemacht, dass es grundsätzlich besser ist, verkleidet zu erscheinen, auch wenn sie dies nur ungerne tun. Denn die Kommentare und Blicke der Gäste, die sich verkleidet haben, ersparen sie sich lieber. Mit der OECD-Mindeststeuer ist es ähnlich: Eigentlich will die Schweiz als Tiefsteuerland nicht mitmachen, aber die Nachteile wären zu gross, als dass sie diese in Kauf nehmen möchte.

Verkleidete Gäste

Sollte sich die Schweiz gegen die Einführung der Mindeststeuer entscheiden, würde sie freiwillig auf Mehreinnahmen verzichten und diese an andere Länder verschenken. Das wäre, als wenn bei der Kostümparty diejenigen, die sich nicht verkleiden, einen Eintrittspreis bezahlen müssten und die daraus resultierenden Einnahmen an alle verkleideten Gäste verteilen würden.

Ob es nun besser ist, sich zu verkleiden oder einen Eintritt zu zahlen, liegt im Ermessen des Einzelnen. Für das Portemonnaie ist die Verkleidung aber klar die bessere Variante.

Üblicherweise werden Steuererhöhungen von den betroffenen Unternehmen bekämpft. In diesem Fall begrüssen sie diese sogar explizit. Und als ob dies nicht skurril genug wäre, bekämpfen die üblichen Befürworter von Steuererhöhungen ebendiese. Die Gegner stören sich vor allem an der vom Parlament beschlossenen Verteilung der steuerlichen Mehreinnahmen zwischen Bund und Kantonen.

Kompromiss eingehen

Diese Umverteilung betrifft allerdings nur die Einnahmen, die aufgrund der geplanten Zusatzsteuer eingenommen werden. Wird die OECD-Mindeststeuer abgelehnt, gibt es auch nichts zu verteilen. Die Mehreinnahmen sollen in Zukunft zu einem Viertel an den Bund und zu drei Vierteln an die Kantone fliessen.

Die kantonalen Steuereinnahmen würden anschliessend über den Nationalen Finanzausgleich verteilt. Davon profitieren alle – Bund, Kantone, Städte und Gemeinden. Das ist wie bei der Kostümparty. Wenn sich die Gäste schon verkleiden müssen, dann wenigstens so, dass sie selbst noch Spass haben. Ansonsten steigt das Risiko, dass niemand mehr an Partys teilnimmt.

Deshalb müssen auch bei der OECD-Mindeststeuer alle Parteien einen Kompromiss eingehen, von dem alle profitieren. Der Entscheid wird schliesslich bei den Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern liegen.